»Und damit war die Sache zu Ende?« fragte Anton Stepanowitsch, diesmal ganz ohne Ironie.
»Die Erscheinungen hörten wirklich auf, und ich hatte meine Ruhe; warten Sie aber: die Sache war damit noch nicht zu Ende. Mein Tresor begann zu wachsen, wurde so ein großer ungeschlachter Kerl, mit dicker Rute, langen Ohren, dicker Schnauze, – ein richtiger ›Pile avance.‹ Außerdem hing er ungewöhnlich an mir. Die Jagd ist in unserer Gegend schlecht; da ich aber schon einen Hund hatte, so schaffte ich mir auch ein Gewehr an. Ich fing an, mich mit meinem Tresor in der Umgegend herumzutreiben: manchmal erbeuteten wir einen Hasen (wie scharf er auf diese Hasen war, du lieber Himmel!), manchmal auch eine Wachtel oder eine Wildente. Aber was die Hauptsache war: Tresor folgte mir auf Schritt und Tritt, wo ich war, da war auch er; selbst ins Dampfbad nahm ich ihn mit, mein Ehrenwort! Eine von unseren Damen wollte mich wegen dieses Tresors aus ihrem Salon hinauswerfen lassen, aber ich machte einen großen Krach und schlug fast sämtliche Fensterscheiben kaput! Da ereignete es sich einmal im Sommer... Ich muß Ihnen sagen, es war ein so heißer und trockner Sommer, wie es seit Menschengedenken keinen solchen gegeben hat; die Luft war voll Rauch oder Nebel, es roch wie bei einem Brand, die Sonne hing im Dunst wie eine glühende Kugel, und vor lauter Staub kam man gar nicht aus dem Niesen! Die Menschen gingen mit offenen Mäulern wie die Krähen herum. Es war mir zu langweilig, immer den ganzen lieben Tag völlig entkleidet hinter verschlossenen Fensterläden zu Hause zu sitzen; auch nahm die Hitze ein wenig ab... Ich begab mich also zu einer meiner Nachbarinnen. Sie wohnte etwa eine Werst von mir und war eine recht angenehme Dame. Auch war sie noch jung, stand in der Blüte ihrer Jahre und hatte ein gewinnendes Äußere, nur war sie von höchst unbeständigem Charakter. Bei weiblichem Geschlecht ist das aber kein Unglück; ist sogar manchmal recht interessant... So kam ich zu ihrem Haus, – der Weg war aber bei der Hitze ein hartes Stück Arbeit! Nun, denke ich mir, Nymphodora Ssemjonowna wird mich wohl mit Preiselbeersirup laben, auch mit anderen süßen Sachen – und ich habe schon die Türklinke ergriffen, als sich plötzlich hinter der Gesindestube ein Stampfen, Winseln und Kindergeschrei erhebt... Ich blicke mich um. Du lieber Himmel! Gerade auf mich zu rennt ein riesengroßes rotes Tier, welches ich auf den ersten Blick gar nicht für einen Hund hielt: mit aufgerissenem Rachen, blutunterlaufenen Augen, gesträubten Haaren... Ich hatte noch nicht Zeit, Atem zu holen, als das Ungeheuer schon auf den Flur stürzt, sich auf die Hintertatzen stellt und mir an die Brust springt – denken Sie sich nur die Situation! Mir steht das Herz still, kann nicht einmal die Hände rühren, bin völlig erstarrt... ich sehe nur die furchtbaren weißen Hauer dicht vor meiner Nase, die rote schaumbedeckte Zunge... Doch im gleichen Augenblick erhebt sich vor mir ein anderer dunkler Körper, er springt in die Höhe wie ein Gummiball; es war mein lieber Tresor, er kam mir zu Hilfe und biß sich wie ein Blutegel dem anderen, dem Ungeheuer, in die Kehle fest. Jener röchelte, knirschte mit den Zähnen und prallte zurück... Ich reiße in einem Nu die Türe auf und bin schon im Vorzimmer. So stehe ich fast besinnungslos da, stemme mich mit meinem ganzen Körper gegen die Türe und höre, wie draußen eine verzweifelte Schlacht vor sich geht. Ich beginne zu schreien, nach Hilfe zu rufen; das ganze Haus gerät in Aufruhr. Nymphodora Ssemjonowna kommt mit aufgelösten Zöpfen herbeigerannt, draußen schreien viele Stimmen durcheinander, und plötzlich hört man: ›Haltet ihn, haltet ihn, sperrt das Tor zu!‹ – Ich öffne ein klein wenig die Türe und sehe: das Ungeheuer ist nicht mehr auf dem Flur, die Leute rennen auf dem Hofe umher, fuchteln mit den Armen, heben Holzscheite vom Boden auf – sind alle wie besessen – ›Nach dem Dorf! Nach dem Dorf ist er fortgerannt!‹ kreischt ein Weib in einem Kopfputze von ungewöhnlichen Dimensionen, sich aus einem Bodenfenster herausreckend. Ich ging wieder in den Hof. – ›Wo ist mein Tresor?‹ Und im gleichen Augenblick erblickte ich meinen Retter. Er kommt vom Tore her, hinkt, ist ganz zerbissen und blutig... – ›Was ist denn eigentlich los?‹ frage ich die Leute; die rennen aber noch immer wie besessen auf dem Hofe umher. – ›Ein toller Hund!‹ antwortete man mir schließlich. ›Er gehört dem Grafen... Seit gestern treibt er sich hier herum.‹
Wir hatten einen Grafen in der Nachbarschaft, der sich furchtbare ausländische Hunde hielt. Mir zittern die Knie; ich stürze zu einem Spiegel, um zu sehen, ob ich nicht gebissen bin. Nein, Gott sei Dank, nichts zu sehen; nur ist mein Gesicht grün. Indessen liegt Nymphodora Ssemjonowna auf dem Diwan und gluckst wie eine Henne. Das ist auch wohl begreiflich: erstens die Nerven und zweitens die Empfindsamkeit. Sie kommt aber wieder zu sich und fragt mich, mit so matter Stimme, ob ich noch lebe. Ich sage ihr, daß ich noch lebe und daß Tresor mein Retter ist. – ›Ach,‹ sagt sie drauf, ›welch ein Edelmut! Hat ihn also der tolle Hund erwürgt?‹ – ›Nein,‹ sage ich, ›er hat ihn nicht erwürgt, aber stark verletzt.‹ – ›Ach,‹ sagt sie wieder, ›in diesem Falle muß man ihn sofort niederschießen!‹ – ›Nein,‹ sage ich, damit bin ich gar nicht einverstanden; ich will versuchen, ihn zu kurieren...‹ Indessen kratzt Tresor von außen an der Türe; ich will ihn hereinlassen. – ›Ach,‹ sagt sie, ›was fällt Ihnen ein? Er wird ja uns alle beißen!‹ – ›Erlauben Sie,‹ erwidere ich, ›das Gift wirkt nicht so schnell.‹ – ›Ach,‹ sagt sie, ›wie kann man nur so was sagen! Sie sind wohl verrückt!‹ – ›Nymphotschka,‹ sage ich ihr, ›beruhige dich, sei doch vernünftig...‹ Da schreit sie aber auf: ›Hinaus, hinaus, sofort verlassen Sie das Haus zusammen mit Ihrem ekelhaften Hund!‹ – ›Gut,‹ sage ich, ›gerne, ich gehe schon.‹ – ›Sofort, in dieser Sekunde! Entferne dich,‹ sagt sie, ›du Mörder, und wage nicht, mir je wieder unter die Augen zu kommen. Du kannst ja selbst toll werden‹ – ›Sehr gut,‹ sage ich, ›lassen Sie mir nur einen Wagen geben, denn ich fürchte mich jetzt, zu Fuß nach Hause zu gehen.‹ – Sie starrte mich an. – ›Gebt ihm einen Wagen, eine Kutsche, eine Droschke, was er will, nur daß ich ihn nicht mehr sehe! Diese Augen! Was er für Augen macht!‹ Mit diesen Worten rennt sie aus dem Zimmer, gibt einem Dienstmädchen, das ihr gerade in den Weg kommt, eine Ohrfeige, – und ich höre, wie sie im Nebenzimmer einen hysterischen Anfall bekommt. – Sie mögen es mir glauben, meine Herren, oder nicht, doch von diesem Tag an brach ich jeden Verkehr mit Nymphodora Ssemjonowna ab; und bei reiflicher Überlegung muß ich sagen, daß ich auch für diesen Dienst meinem Freund Tresor bis an mein Lebensende zum Danke verpflichtet bin.