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Das bedeutete, dass Taran Zhu wusste, was sein Gast getrieben hatte, und dass er genau vorausberechnet hatte, wann der Troll das Fenster erreichen würde. Doch das war nicht alles. Vol’jin war sicher, falls er Chen fragte, wie oft Taran Zhu hier Schnee fegte, würde er erfahren, dass der alte Pandaren es nur heute, nur dieses eine Mal getan hatte. Der Troll blickte zur Seite und sah einige Mönche, die ihn ignorierten – was bedeutete, dass sie seine Reaktion beobachteten, dabei aber nicht auffallen wollten.

Keine fünf Minuten nachdem er sich wieder hingelegt hatte, kam Chen, um ihn zu besuchen, in der Hand eine kleine Schale mit dampfender Flüssigkeit. „Es war schön, dich wieder auf den Beinen zu sehen, mein Freund. Ich wollte dir das hier schon seit Tagen bringen, aber Meister Taran Zhu hat es verboten. Er dachte, es wäre zu stark für dich. Ich habe ihm erklärt, dass schon etwas viel Stärkeres nötig wäre, um dich umzubringen. Ich meine, du hast sogar diesen Hinterhalt überlebt, richtig? Also darfst du jetzt als Erster probieren. Als Erster nach mir jedenfalls.“ Chen lächelte. „Ich musste schließlich sichergehen, dass es dich nicht doch umbringen würde.“

„Wie freundlich.“

Vol’jin hob die Schale und schnüffelte: Das Gebräu hatte einen intensiven Geruch, ein wenig wie Holz. Als er daran nippte, war es weder süß noch bitter, aber doch voll und reich in seiner Würze. Es schmeckte so, wie der Dschungel nach einem Regenguss roch, wenn der Dampf von den Pflanzen aufstieg und alles zusammenbrachte. Als er erkannte, dass das Getränk ihn an die Echo-Inseln erinnerte, zog sich ihm fast die Kehle zusammen.

Er zwang sich zu schlucken, dann nickte er, während das Getränk bis in seinen Bauch hinunterbrannte. „Sehr gut.“

„Danke!“ Chen blickte kurz zur Tür hinüber. „An dem Tag, an dem wir hier ankamen, sahst du nicht sonderlich gut aus. Die Reise war hart, und man sagte uns, dass wir dich vermutlich auf dem Berg begraben müssten. Aber ich habe dir ins Ohr geflüstert – in dein gutes Ohr, nicht in das andere, das Li Li wieder zusammengeflickt hat –, dass ich etwas Besonderes für dich hätte, falls du durchkommst. In einem Fach einer Tasche hatte ich ein paar Gewürze und Blumen aus deiner Heimat aufbewahrt, um mich daran zu erinnern, wie es dort ist. Die habe ich nun benutzt, um daraus ein Bier für dich zu brauen. Ich nenne es Gute Besserung.“

„Meine Genesung. Dein Verdienst.“

Der Pandaren blickte auf. „Ich konnte nur eine kleine Menge brauen, Vol’jin. Es wird nicht reichen, bis du wieder gesund bist.“

„Ich. Komme schon wieder. Auf die Beine.“

„Weswegen ich bereits mit meiner nächsten Kreation begonnen habe. Sie heißt Freudenfest.“

Ob es nun Chens Bier war, seine Trollkonstitution, die klare Bergluft oder die Therapien, die die Mönche ihm angedeihen ließen – oder alles zusammen –, innerhalb weniger Wochen machte Vol’jin großartige Fortschritte. Jeden Tag, wenn er sich in einer Reihe mit den Mönchen aufstellte und sich vor ihrem Lehrer verbeugt hatte, glitt sein Blick stets zu dem Fenster hinüber, von dem er sie zuvor beobachtet hatte. Damals hätte er kaum geglaubt, dass er sich ihnen würde anschließen können, aber inzwischen ging es ihm so viel besser, dass er sich kaum noch an die Person erinnern konnte, die er an diesem Fenster gewesen war.

Die Mönche, die ihn ohne Kommentar, aber mit großer Beflissenheit in ihrer Mitte akzeptierten, nannten ihn Vol’jian. Irgendwie kam ihnen das leichter über die Zunge. Doch der Troll wusste, dass das nicht der einzige Grund war. Chen hatte ihm erklärt, dass Jian mehrere Bedeutungen hatte, welche allesamt mit Größe zu tun hatten, auch im Sinne von „beträchtlich“ oder „ausgeprägt“. Zunächst benutzten die Mönche dieses Wort, um seine unbeholfene Schwerfälligkeit zu beschreiben, großer Trampel also, doch inzwischen stand es für die Geschwindigkeit, mit der er lernte.

Wären sie nicht so bereitwillige Lehrer gewesen, hätte ihn ihre Respektlosigkeit mit Verachtung erfüllt. Er war immerhin ein Schattenjäger. Ganz egal wie groß ihre Fähigkeiten waren, keiner diese Mönche konnte sich auch nur vorstellen, was es ihn gekostet hatte, ein Schattenjäger zu werden. Sie kämpften, um ein perfektes Gleichgewicht zu finden, aber ein Schattenjäger zu sein, das hieß, das Chaos zu meistern.

Sein Wissensdurst und der Umstand, dass er sich kleinere Lektionen schnell und sicher aneignete, zwangen die Pandaren, ihm immer komplexere Techniken zu zeigen. Als seine Stärke zurückkehrte und sein Körper langsam wieder lernte, sich von Schnitten und blauen Flecken zu heilen, gab es nur noch eines, was ihn zurückhielt, und das war seine mangelnde Ausdauer. Er war versucht, der dünnen Bergluft die Schuld dafür zu geben, aber den Menschen schien keine Kurzatmigkeit zu behindern.

Dafür gab es andere Dinge, die Tyrathan plagten. Er zog noch immer ein Bein nach, wenn auch längst nicht mehr so stark wie zuvor. Er benutzte jetzt einen Gehstock, und wenn die Mönche mit Stabwaffen kämpften, trainierte er oft mit. Vol’jin war aufgefallen, dass das Humpeln verschwand, wenn Tyrathan mitten in den Übungen war. Erst am Ende, wenn er wieder zu Atem kam und sich seiner selbst wieder bewusst wurde, kehrte es zurück.

Der Mensch beobachtete die Pandaren auch oft beim Bogenschießen, und man musste schon blind sein, um nicht zu erkennen, wie sehr er sich wünschte, selbst ein paar Pfeile abzufeuern. Er musterte die Mönche, sah zu, wie sie schossen, und wenn einer von ihnen nicht traf, senkte er den Kopf; bohrte sich ein Pfeil jedoch neben einen anderen ins Ziel, erhellte ein Lächeln seine Züge.

Jetzt, wo er weit genug war, um trainieren zu können, zog Vol’jin in eine kleine, spartanische Kammer im östlichen Flügel des Klosters um. Die Ausstattung war schlicht: eine Schlafmatte, ein niedriger Tisch, ein Becken und eine Kanne, außerdem zwei Haken, an denen er seine Kleider aufhängen konnte. Da war nichts, womit man sich hätte ablenken können. Sicher machte die Nacktheit der Unterkünfte es den Mönchen leichter, sich zu sammeln und Frieden zu finden.

Vol’jin erinnerte sein neues Zimmer an Durotar – nur dass es hier deutlich kälter war –, und es fiel ihm nicht schwer, sich dort einzugewöhnen. Die Schlafmatte platzierte er so, dass das erste Licht des Morgengrauens ihn wecken würde. Nach dem Aufstehen erledigte er wie die anderen auch einige Arbeiten im Kloster, bevor er ein einfaches Frühstück zu sich nahm und dann mit den morgendlichen Übungen begann. Ihm fiel auf, dass man ihm mehr Fleisch auf den Teller legte als den Mönchen, was angesichts seines gesundheitlichen Zustands wohl Sinn ergab.

Morgens, mittags und abends folgten alle demselben Muster: Arbeiten, Essen und Übungen. Für Vol’jin drehten sich diese Übungen allesamt um Stärke und Beweglichkeit, er erlernte den Kampf und lernte dadurch seine körperlichen Grenzen kennen. Nachmittags erhielt er einige individuelle Lektionen, wieder von mehreren, sich abwechselnden Mönchen, weil die meisten der Pandaren zu dieser Zeit am Unterrichtsprogramm teilnahmen. Sie gesellten sich erst beim abendlichen Training wieder zu ihm, welches größtenteils aus Dehn- und Beweglichkeitsübungen bestand, um einen erholsamen Schlaf zu fördern.

Die Mönche waren gute Lehrer. Vol’jin hatte gesehen, wie einige von ihnen mit einem einzigen Hieb bis zu einem Dutzend Bretter durchschlugen, und er hatte sich schon darauf gefreut, es selbst zu versuchen, denn er wusste, dass er es konnte. Doch als er sich dann endlich an dieser Übung versuchen durfte, übernahm Meister Taran Zhu sein Training, und anstelle von Holzbrettern setzte man ihm eine zwei Finger dicke Steinplatte vor.

Wollt ihr mich verspott’n? Vol’jin musterte das Gesicht des Mönchs, konnte aber keine Hinterlist erkennen. Was natürlich nicht bedeutete, dass da keine war; hinter ihrer gleichgültigen Miene konnten die Pandaren alles Mögliche verbergen. „Ich soll Stein zerbrechen. Die ander’n zerbrech’n Holz.“

„Die anderen glauben nicht, dass sie das Holz zerbrechen können. Ihr schon.“ Taran Zhu deutete auf einen Punkt eine Fingerlänge hinter der Steinplatte. „Legt dort Eure Zweifel ab. Schlagt durch sie hindurch.“