Выбрать главу

Er streckte seine Sinne aus, wie er es auch tat, wenn er mit den Loa Verbindung aufnehmen wollte, aber die Landschaft, in der er sich wiederfand, war ganz klar pandarisch – voller Grün und warmem Grau, auch wenn ein paar Flecken Schnee darin aufblitzten. Taran Zhu stand dort, ein schweigsamer Geist, und seine rechte Pfote deutete auf eine dunkle Höhle. Die Fußspuren von Pandaren führten in diese Richtung, endeten aber an der steinernen Mündung.

Vol’jin musste sich mit eingezogenem Kopf seitlich durch den Eingang schieben, und einen Herzschlag lang, als die Steinwände gegen seinen Körper drückten, fürchtete er schon, er würde nicht hindurchpassen. Doch dann, begleitet von einem Gefühl wie von zerreißendem Fleisch, gelang es ihm.

Und beinahe hätte er laut aufgeschrien.

Er sah die Welt nun durch Tyrathan Khorts Augen, und alles war viel zu hell und viel zu grün. Vol’jin hob eine Hand, um seine Augen abzuschirmen, und Überraschung durchzuckte ihn. Seine Arme waren zu kurz, sein Körper breiter, aber doch schwächer, und er konnte nur winzige Schritte machen. Ringsum, wohin er auch blickte, standen Männer und Frauen in den blauen, mit Gold verzierten Wappenröcken von Sturmwind. Sie schärften ihre Waffen und rückten ihre Rüstungen zurecht, während Jinyu-Rekruten sie fasziniert beobachteten.

Ein junger Soldat tauchte vor ihm auf und salutierte. „Der Kriegsanführer braucht Euch auf dem Hügel, Sir.“

„Danke!“ Vol’jin ließ sich von der Erinnerung mittreiben, während er sich an das Gefühl gewöhnte, in einem menschlichen Körper zu stecken. Über dem Rücken trug Tyrathan seinen Bogen, und jedes Teil davon bestand aus Tieren, die er erlegt hatte. Das Leder war von ihm selbst gegerbt und genäht, und auch sonst hatte er auf alles verzichtet, was andere hergestellt hatten.

Vol’jin lächelte, denn er verstand die Gründe.

Leichtfüßig rannte Tyrathan den Hügel hinauf – und der Troll erkannte, warum er so gerne auf den Berg über dem Kloster hinaufgestiegen war. Vor einem gewaltigen Hünen von einem Mann mit dichtem Bart blieb er schließlich stehen. Die Rüstung des Kriegsanführers leuchtete blendend hell, und auf dem Weiß seines Wappenrocks gab es nicht die geringste Spur von Blut.

„Ihr wolltet mich sehen, Sir?“

Der Mann, Bolten Vanyst, deutete in das Tal hinab. „Das ist unser Ziel. Das Schlangenherz. Es macht einen friedlichen Eindruck, aber davon werde ich mich nicht täuschen lassen. Ich habe ein Dutzend Scharmützler ausgesucht – die besten Jäger. Ich möchte, dass Ihr mit ihnen das Terrain auskundschaftet und dann Bericht erstattet. Wir werden dort unten nicht in einen Hinterhalt hineinspazieren.“

„Verstanden, Sir.“ Tyrathan salutierte zackig. „Ihr werdet meinen Bericht in ein, spätestens zwei Stunden haben.“

„Solange er vollständig ist, darf es auch drei dauern.“ Der Kriegsanführer entließ ihn mit einem Wink.

Der Mensch rannte los, und Vol’jin prägte sich sämtliche Eindrücke ein. Als sie einen felsigen Hügelpfad hinabeilten, fiel ihm auf, dass Tyrathan einige der weiteren Sprünge ausließ, aber als er in diesen Entscheidungen nach einem Anflug des Zweifels suchte, fand er nur Zuversicht. Der Mann kannte sich genau, und auch wenn ein Troll diesen Vorsprüngen keine weitere Beachtung geschenkt hätte, waren sie doch steil genug, dass ein Mensch sich den Knöchel verrenken oder das Bein brechen konnte.

Es überraschte Vol’jin ohnehin, wie zerbrechlich man sich als Mensch fühlte. Bislang hatte er es nur von einer Warte aus gesehen: dass es herrlich leicht war, seine Feinde zu zerschmettern. Doch nun begann er genauer darüber nachzudenken. Die Menschen wussten, dass der Tod sie jederzeit ereilen konnte, und doch kämpften und erforschten sie und zeigten keinen Mangel an Tapferkeit. Es schien, als wäre ihre Sterblichkeit ein vertrauter Gefährte, den sie bereitwillig an ihrer Seite akzeptierten.

Erst als Tyrathan eine Gruppe von zwölf Jägern, ihm selbst nicht unähnlich, erreichte, fiel Vol’jin auf, dass dieser Mensch keinen tierischen Begleiter dabeihatte. Die anderen hingegen schon, und jedes der Tiere zeugte von den Reisen des jeweiligen Besitzers. Da waren Raptoren und Schildkröten, Riesenspinnen und Blutsucher-Fledermäuse. Nach welcher Logik die Menschen ihre Tierbegleiter auswählten, wollte sich Vol’jin jedoch nicht erschließen.

Mit knappen Handzeichen gab Tyrathan seinen Soldaten ihre Befehle, anschließend teilte er sie in kleine Gruppen ein, genau so, wie er die Jihui-Spielsteine aufgeteilt hatte. Seine eigene Gruppe führte er nach Süden, dem entlegensten Zielpunkt entgegen, und sie bewegten sich schnell und leise – in dieser Hinsicht schienen sie es selbst mit den samtpfotigen Pandaren-Mönchen aufnehmen zu können. Tyrathan hatte einen Pfeil an die Sehne gelegt, den Bogen aber nicht gespannt.

Als ein Schrei aus dem Westen erklang, veränderte sich die Realität der Ereignisse, und vermutlich wäre Vol’jin verloren gewesen, hätte er nicht gewusst, wie ein Kampf die Wahrnehmung beeinflusste. Die Zeit verlangsamte sich, wenn man ein Unheil kommen sah, und dann preschte sie auf einmal nur so dahin, sobald es einen einholte. Es dauerte eine Ewigkeit, wenn man sah, wie ein Pfeil auf einen Freund zuflog, aber nur einen Herzschlag, bis das Leben in einer roten Fontäne aus seinem Körper gesprudelt war.

Wo gerade noch keine Feinde in Sicht gewesen waren, stürmte nun eine Legion auf die Gruppe los. Bizarre Geisterwesen wirbelten um sie herum, berührten, zerfleischten, zerfetzten sie, entlockten ihren Kehlen Schreie, bevor sie sie durchschnitten. Die tierischen Begleiter der Menschen brüllten und knurrten, bissen und hieben mit ihren Klauen um sich, nur um ebenfalls überwältigt und auseinandergerissen zu werden.

Tyrathan für seinen Teil versuchte, Ruhe zu bewahren. Mit fließenden, kräftigen Bewegungen feuerte er einen Pfeil nach dem anderen ab. Junge, Junge, die Mönche würd’n ganz schön alt ausseh’n, wenn sie ihm je einen Bog’n in die Hand geben würd’n. Vol’jin hegte keinen Zweifel daran, dass Tyrathan den Pfeil eines Mönchs in der Luft zerteilen konnte, noch bevor er das Ziel erreichte, und trotzdem noch mitten ins Schwarze treffen würde.

Da ging eine Frau zu Boden, dunkelhaarig und schlank, so wie die Katze, die sie begleitete. Mit einem Schrei eilte Tyrathan zu ihr hinüber und feuerte auf die Sha, die sie attackierten. Er tötete den ersten, anschließend den zweiten, aber dann rollte ein Stein unter seinen Fuß, und er verfehlte den dritten.

Von seinem Blickwinkel aus konnte Vol’jin sehen, dass dieser Schuss ohnehin keinen Unterschied mehr gemacht hätte. Die Frau starrte mit glasigen Augen aus einer roten Totenmaske zu ihnen beiden hinauf. Das Blut sprudelte, und ihr Wappenrock saugte es gierig auf. Falls etwas Erinnerungswürdiges an ihrem Tod war, dann die Art, wie ihre Hand sich zärtlich auf den breiten Schädel ihres leblosen Tierbegleiters legte.

Tyrathan ließ sich auf ein Knie fallen, aber da traf ihn etwas hart in die Seite. Sein Bogen flog ihm aus der Hand und segelte durch die Luft, und er selbst wurde gegen eine Steinschlange geschleudert. Sie traf ihn direkt unter der linken Hüfte, und sein Bein knickte um, woraufhin ein glühender Schmerz seinen Körper durchzuckte. Er prallte einmal auf und rollte weiter, bis er zum Liegen kam. Direkt über der toten Frau.

Es ist meine Schuld, dass du nicht mehr am Leben bist.

Da war sie, die Wurzel des Zweifels. Vol’jin blickte hinab und sah einen schwarzen Faden, der in einen spitzen Dorn auslief. Er stach ihn einmal, verfehlte nur knapp sein Herz und schoss aus seinem Rücken wieder hervor, dann zuckte er zurück nach vorne, die Spitze vorgereckt wie eine Viper kurz vor dem Zustoßen, diesmal direkt auf sein Herz gerichtet.