Vol’jin hob seinen Kelch. „Das ist eine große Ehre; und ein Angebot, das nur ein Narr ablehn’n würde.“
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„Und nur ein Narr würde es allein auf mein Wort hin annehm’n.“
„Du bist sehr überzeugend.“
„Und du bist zu gütig.“ Sie lachte spielerisch. „Es gibt natürlich einige Dinge, die ich wissen muss. Warum treffe ich dich in der Begleitung von Pandaren an? Warum lässt du dir von einem Menschen helf’n? Warum kämpft ihr gegen uns?“
Vol’jin betrachtete ihr Gesicht einen Moment lang. „Du kennst Chen Sturmbräu vermutlich. Er ist ein alter Freund von mir. Er war außerdem derjenige, der mich gefund’n hat, nachdem die Horde mit mir fertig war. Die Mönche, die deine Mogu-Verbündet’n so hassen, haben mich aufgenommen und gesund gepflegt. Dasselbe hab’n sie auch für den Menschen getan.“
Er trank ein wenig mehr Wein. „Was meinen Kampf geg’n euch betrifft: Als ich sah, dass es eine Invasion geben würde, habe ich gar nicht daran gedacht, wer da in Pandaria einfällt. Ich wollte meinen Wohltätern nur ihre Güte vergelt’n.“
Khal’ak legte den Kopf schräg. „Du sagst, du hast die Invasion geseh’n. Dann hat die Seidentänzerin dir also auch Visionen geschickt.“
Vol’jin nickte. „Ich vermutete zumindest, dass sie es ist.“
„Ja. Sie ist seit Urzeit’n unsere Schutzheilige, aber es gefällt ihr nicht, dass wir die Bande zu den Mogu neu geknüpft haben. Ich vermute, in der Vergangenheit gab es wohl einige unserer Krieger, die zu viel Gefall’n an der Mogu-Magie fanden und sich darum von der Seidentänzerin abwandten. Dieser Kult ist schon längst verschwund’n, aber in ihrem Gedächtnis ist er noch immer präsent.“ Khal’ak starrte in die dunklen Tiefen ihres Weins. „Es überrascht mich nicht, dass sie bereit war, uns jetzt ein wenig Ärger zu mach’n, damit uns später ein viel größeres Unheil erspart bleibt.“
„Du hattest also dieselben Visionen wie ich, und du hast sie einfach ignoriert?“
„Ich habe Lösungen für diesen Ärger gefund’n.“
„Und bin ich auch so eine Lösung?“
„Du bist mehr als eine Lösung, Vol’jin.“ Sie beugte sich vor und senkte die Stimme. „Du hast viel zu biet’n, und deine Belohnung wird deinen Diensten in nichts nachsteh’n. Gerade eben, zum Beispiel, hat uns deine kleine Truppe gezeigt, dass wir nicht geg’n Pfeile gefeit sind, bloß weil wir Zandalari sind. Wichtiger noch, ihr habt die Mogu daran erinnert, wie tödlich ihre einstig’n Diener sein können. Dass wir sie gefangen genomm’n haben, hat uns einen Pluspunkt bei ihnen eingebracht. Also noch einmal danke dafür!“
Der Dunkelspeer lehnte sich zurück. „Wenn ich ein so großer Gewinn bin, musst du dann nicht Angst hab’n, dass dein Meister dich aus dem Weg räumt, um mir deinen Posten zu geb’n?“
„Nein. Er fürchtet dich. Er hat nicht das Rückgrat, das du gezeigt hast, als du die Bitte des Königs ablehntest. Er wird also weiter auf mich vertrauen, damit ich dich unter Kontrolle halte.“ Sie lächelte schüchtern. „Und ich brauche keine Angst davor zu haben, dass du mich betrügst, denn ich werde dich dadurch unter Kontrolle halt’n, dass ich deine Freunde kontrolliere. Du hast recht, ich weiß, wer Chen Sturmbräu ist. Den Menschen kenne ich zwar nicht, aber dein Respekt vor ihm ist offensichtlich.“
„Du sprichst von Vertrauen, aber trotzdem willst du mich erpress’n?“
„Nein, ich möchte nur nicht, dass du etwas Überhastetes tust, bevor du Gelegenheit hattest, über mein Angebot nachzudenk’n. Ich weiß, du hast dich in der Vergangenheit geweigert, dich uns anzuschließen, und du hast dich Garroshs Diktat widersetzt. Du hast Prinzipien, und das ist eine wundervolle Eigenschaft. Eine, die ich sehr schätze.“ Sie stellte ihre Tasse beiseite und kniete vor ihm, die geöffneten Hände in ihrem Schoß. „Falls du dich uns anschließt und uns deine volle und freiwillige Unterstützung zusicherst, werde ich deine Gefährt’n freilassen.“
„Und du wirst ihnen keine Jäger hinterherschick’n wie den anderen?“
„Würden wir hier um ihre Sicherheit feilsch’n, hätte niemand sie verfolgt.“ Sie hob die Hand. „Aber wie gesagt, du sollst diese Entscheidung nicht gleich treffen. Deine Begleiter werden gut behandelt – sie werden nicht denselb’n Luxus genießen, den ich dir biete, aber es wird ihnen an nichts fehl’n.“ Khal’ak lächelte. „Und morgen wirst du aus erster Hand erleb’n, was die Mogu zu unserem Bündnis beisteuern. Sobald du das geseh’n hast, wirst du erkennen, dass mein Angebot äußerst großzügig ist und du ernsthaft darüber nachdenk’n solltest.“
Ihre Unterhaltung wandte sich banaleren Themen zu. Vol’jin war sicher, hätte er es darauf angelegt, hätte sie mit ihm geschlafen. Vielleicht hätte sie derartige Intimität als weitere Möglichkeit in Betracht gezogen, ihm diese Zusammenarbeit schmackhaft zu machen – aber nur, wenn sie ihn für einen Narren gehalten hätte. Sie wusste, dass er zu intelligent dafür war, und wenn er mit ihr ins Bett ginge, würde sie auch wissen, dass er sie nur glauben machen wollte, er wäre leicht zu manipulieren. Sie würde einem solchen Versuch misstrauen, und sie würde ihm misstrauen.
Indem er sich zurückhielt, gewann Vol’jin andererseits eine gewisse Macht über sie. So fähig sie auch sein mochte, war sie doch augenscheinlich in ihn vernarrt. Wie sonst hätte sie Jahre später noch die Form seines Fußabdrucks im Sand erkannt? Sie wollte mit ihm schlafen, und sei es nur, um die Jahre des Interesses an ihm zu rechtfertigen.
Das konnte er nutzen, ganz gleich, ob er letzten Endes auf das Angebot einging oder nicht.
Sie sprachen noch eine ganze Weile, dann legten sie sich unter dem offenen Himmel im Hof schlafen. Als die ersten Vorboten des Morgengrauens das Firmament über ihm erhellten, erwachte Vol’jin wieder. Er fühlte sich kaum ausgeruht, aber auch nicht erschöpft; nervöse Energie machte seinen Schlafmangel wett.
Nachdem sie ein schlichtes Frühstück aus geräuchertem Goldkarpfen und süßen Reiskuchen zu sich genommen hatten, kümmerten sich die Bediensteten erneut um ihre körperlichen Bedürfnisse, anschließend stiegen sie auf zwei Raptoren und machten sich wieder nach Südwesten auf. Khal’ak sagte kein Wort während des Ritts, aber so, wie der Wind mit ihrem Haar und ihrem Umhang spielte, gab sie einen atemberaubenden Anblick ab. In diesem Moment sah Vol’jin sie genauso, wie die Zandalari sich selbst sahen. Er verstand nun über jeden Zweifel hinaus, warum sie zurückzufordern versuchten, was sie einst verloren hatten. Zu wissen, wie tief man gefall’n ist, und zu fürchten, dass man dies’n Ausgangspunkt nie wieder erreicht, das frisst einen von innen heraus auf.
Sie hielten auf einen hohen Berg mit steilen Hängen zu und umrundeten ihn. Die Gebäude hier waren zerfallen, doch nicht durch den natürlichen Alterungsprozess. Der Krieg hatte sie vor langer Zeit zerstört. Blut und Ruß waren vom Wetter hinfortgespült worden, die goldenen Pflanzen hatten Knochen und Trümmer unter sich begraben, doch die Überreste der Steinbögen kündeten noch immer von der Gewalt, die sie einst zerschmettert hatte.
Trotz dieser Spuren der Verwüstung und obwohl das Licht des Tages gedämpft war, machte die Erhabenheit Pandarias selbst diesen Ort wunderschön. Als sie die Straße zwischen den Bergen hinaufritten, hatte Vol’jin das Gefühl, er wäre schon einmal hier gewesen, aber vielleicht lag es auch nur daran, dass seine Zeit in Orgrimmar ihm einen ziemlich guten Eindruck davon verschafft hatte, wie mächtig diese Bauwerke einst gewesen waren. Die Dunkelspeere gaben sich mit bescheidenen, zweckdienlichen Unterkünften zufrieden, doch andere, das wusste er, verspürten den Zwang, ihre Überlegenheit durch gewaltige Bauten zu beweisen. Er hatte von den riesigen Statuen in Eisenschmiede und Sturmwind gehört, und er war sicher, dass an diesem Ort auf ganz ähnliche Weise der Vergangenheit der Mogu gedacht worden war.
Die Mogu enttäuschten ihn nicht.