Er machte einen Schritt auf die Stelle zu, wo Chen und Bruder Cuo standen, doch Jahrhunderte des Todes hatten seine Bewegungen ein wenig verlangsamt, sodass Khal’ak Gelegenheit hatte, sich zwischen ihm und den Gefangenen aufzubauen. Als Vol’jin an ihre Seite trat, einen Schritt hinter ihr, erkannte er, dass sie mit einer solchen Eventualität gerechnet haben musste; sie hatte den Punkt, von dem aus sie der Zeremonie beigewohnt hatten, jedenfalls ganz bewusst gewählt.
Nun verbeugte sie sich, ging aber nicht auf die Knie. „Kriegsfürst Kao, ich heiße Euch im Namen von General Vilnak’dor willkomm’n. Er erwartet Euch auf der Insel des Donnerkönigs, wo er Eurem wiedererwachten Meister Gesellschaft leistet.“
Der Mogu musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ein paar Pandaren zu töten, wird nicht viel Zeit kosten, und es wird meinen Meister erfreuen.“
Khal’ak deutete mit der offenen Hand auf Vol’jin. „Der Schattenjäger Vol’jin von den Dunkelspeeren möchte diese beiden Eurem Meister zum Geschenk machen. Falls Ihr Pandaren töten wollt, kann ich während der Reise eine Jagd arrangieren. Aber diese beiden sind bereits einem anderen versproch’n.“
Kao und Vol’jin blickten einander an. Der Kriegsfürst begriff sehr wohl, was hier gespielt wurde, aber er schien nicht bereit, sich im Moment damit zu befassen. Der Hass, der in seinen dunklen Augen brannte, zeigte dem Troll jedoch, dass Kao seine Rolle bei dieser Posse weder vergeben noch vergessen würde.
Der Mogu nickte. „Ich will einen Pandaren für jedes Jahr töten, das ich im Grab verbracht habe, und zwei für jedes Jahr, das mein Meister im Tod gefangen war. Triff die nötigen Vorbereitungen, Trollweib. Es sei denn, dein Schattenjäger hat meinem Meister noch mehr von diesen Biestern versprochen.“
Vol’jins Augen wurden schmal. „Kriegsfürst Kao, dann müsstet Ihr Tausende und Abertausende Pandaren töten. Euer Reich war auf die Dienste der Pandaren angewies’n. Was ihr wollt, mag gerechtfertigt sein, aber das Ergebnis wäre tragisch. Viel hat sich verändert, mein Fürst.“
Kao schnaubte und stampfte zu den anderen Mogu hinüber, die bei den Zandalari-Würdenträgern standen.
Khal’ak atmete vorsichtig aus. „Das war schlau.“
„Ebenso schlau, wie es von dir war, sein Handeln vorauszuseh’n.“ Vol’jin schüttelte den Kopf. „Aber er wird trotzdem die Leb’n von Chen und Cuo fordern.“
„Ich weiß. Den Mönch muss ich ihm wahrscheinlich geb’n. Die Mogu hassen die Shado-Pan aus den tiefsten Tiefen ihrer schwarzen Seelen. Ich werde aber jemand’n finden, um Chens Platz einzunehmen. Für die Mogu sehen die Pandaren ohnehin alle gleich aus.“
„Falls er diesen Verrat bemerkt, würde er dich töt’n lassen.“
„Genau wie dich und Chen und deinen Menschen.“ Khal’ak lächelte. „Ob es dir gefällt oder nicht, Vol’jin von den Dunkelspeeren, unser Schicksal ist nun untrennbar miteinander verwob’n.“
25
„Was für mich einige Unannehmlichkeiten bedeutet. Aber das lässt sich wohl nicht vermeid’n.“
Khal’ak drehte sich zu ihm herum, während Soldaten die Gefangenen nach draußen führten und sie dort wieder auf den Karren luden. „Wie meinst du das?“
„Kao ist wütend, und dein Meister fürchtet mich. Falls ich einfach so auf diese Insel des Donnerkönigs reise, wird das ihre Gefühle nur noch verstärk’n.“ Vol’jin zog die Schultern hoch. „Du wirst demonstrier’n müssen, dass du noch immer Kontrolle über mich hast. Ich bin ein Gefangener, und genauso sollte ich auch behandelt werd’n.“
Sie dachte einen Moment darüber nach, dann nickte sie. „Außerdem bist du dann in der Nähe deiner Freunde und kannst dich um sie kümmern.“
„Ich hoffe, dass jede Großzügigkeit, die man mir gewährt, auch ihnen zuteilwird.“
„Ich werde euch alle in Kett’n legen lassen. Aber für dich sollen es Fesseln aus Gold sein.“
„Damit kann ich leb’n.“
Sie streckte die Hand aus. „Dein Dolch.“
Vol’jin lächelte. „Natürlich. Sobald wir zurückgeritten sind.“
„Natürlich.“
Vol’jin genoss seine Freiheit, während sie zu Khal’aks Unterkunft ritten. Die Wolken hatten sich aufgehellt, als wären sie beschämt, dass sie nicht mit Kaos Dunkelheit mithalten konnten, und das Tal erstrahlte einmal mehr in seinem goldenen Glanz. Wäre ich Jahrhunderte in einer Gruft gefang’n, würde ich auch gerne an einem solchen Ort wieder erwach’n.
Er durfte bei Khal’ak in ihrem Palast bleiben, und genau wie sie es versprochen hatte, ließ sie goldene Fesseln holen, die durch eine Kette dicker Glieder verbunden waren. Sie waren schwerer als Eisen, ließen ihm aber genug Spielraum, um sich ungehindert bewegen zu können. Zudem gestattete seine Gastgeberin ihm große Freiheiten, und sie verzichtete sogar darauf, ihm eine Wache an die Seite zu stellen. Sie wussten schließlich beide, dass er nicht versuchen würde zu fliehen; nicht, solange Chen und Tyrathan mit den anderen Gefangenen eingesperrt waren.
Sie nutzten die Zeit, um sich auf konstruktive Weise über die bevorstehende Eroberung Pandarias zu unterhalten, und dabei erfuhr Vol’jin, dass es Khal’aks Entscheidung gewesen war, bei der Einnahme von Zouchin auf den Einsatz von Goblin-Kanonen zu verzichten, obwohl Vilnak’dor das anders gesehen und eine Invasion mit Geschützen und Schließpulver gefordert hatte. In ihren Augen war das ein Zeichen von Schwäche. Aber da die Mogu mit diesen Mitteln in der Vergangenheit große Erfolge gefeiert hatten, war ihr Meister überzeugt, so ihren Verbündeten Respekt zollen zu können.
Wie sich außerdem zeigte, hatten die Mogu seit dem Untergang ihres Reiches wohl doch ein wenig mehr getan, als nur ihren Tagträumen nachzuhängen. Nach Khal’aks Ansicht war zwar nur das wenigste davon hilfreich, und sie waren noch immer unorganisiert, aber sie hatten sich zumindest vermehrt. Der Plan für ihre Invasion war reichlich simpeclass="underline" Die Mogu-Truppen würden, unterstützt von den Zandalari, das Herzland von Pandaria sichern. Sie schienen zu glauben, dass dann alles wieder so werden würde wie früher, so wie die Steine auf einem Jihui-Brett wie durch Zauberhand wieder in ihre Ausgangspositionen rückten.
Khal’ak glaubte, dass die Zandalari das eroberte Land noch eine Weile schützen müssten, bis die Mogu sich endlich organisiert hätten. Anschließend würden sie gegen die Allianz oder die Horde losschlagen, sie vernichten und sich danach der anderen Fraktion zuwenden. Die Mantid im Westen waren schon immer ein Problem gewesen, darum wollte man sie als Letzte ausmerzen. Wäre das erledigt, würde das Mogu-Imperium seine Magie einsetzen, um die Zandalari bei ihrem eigenen Eroberungszug zu unterstützen, der ihnen erst Kalimdor und dann die andere Hälfe des zerrissenen Kontinents einbringen würde.
Am nächsten Morgen brachen sie wieder auf, diesmal aber schon in aller Frühe. Die nächtlichen Festivitäten am Mogu’shan-Palast waren gedämpft gewesen, denn jeder fürchtete den Zorn des Kriegsfürsten Kao, und keiner wollte seinen Unwillen auf sich ziehen, indem er zu lange schlief. Man gestattete Vol’jin, einen Raptor zu reiten, aber nur so, dass seine goldenen Ketten weithin sichtbar waren. Chen, Cuo, Tyrathan und die anderen Gefangenen wurden in Karren transportiert, und der Schattenjäger sah nur wenig von ihnen, bis sie schließlich Zouchin erreichten und er gemeinsam mit ihnen auf ein kleines Schiff gebracht wurde. Man führte sie in eine Kabine unter Deck, deren Tür anschließend von außen verriegelt wurde.
Seine drei Gefährten waren schmutzig von der Reise und bluteten dank der Zuwendung ihrer Wachen, aber sie lächelten dennoch, als Vol’jin sich hinter ihnen durch die Tür duckte. Chen klatschte in die Pfoten. „Das sieht dir ähnlich: ein Gefangener mit goldenen Ketten.“