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Sie war alles andere als allein.

Der Name Saurok schoss durch Vol’jins Kopf – vor diesem brutalen Akt der Schöpfung hatte das Wort nicht existiert. Namen trugen Macht in sich, und dieser Name definierte nicht nur die neugeborene Kreatur, sondern auch seine Meister, und er teilte den Schleier der Magie. Die Mogu hatten die Saurok erschaffen. Die Mogu, die Vol’jin als vage Schemen aus alten Legenden kannte. Die schon lange tot und vergessen waren.

Doch die Magie war nicht mit ihnen gestorben. Energien, die ein Ding so völlig und vollkommen verändern konnten, stammten vom Anbeginn der Zeit, vom Beginn aller Existenz. Die Titanen, die Schöpfer von Azeroth, hatten derartige Magie für ihre Kreationen verwandt. Kein gesunder Verstand konnte solchen Zauber verstehen, geschweige denn ihn meistern, und Träume von solcher Macht nährten wahnsinnige Hirngespinste.

Indem er der Entstehung der Saurok beiwohnte, erhielt Vol’jin auch Einblick in die elementare Wahrheit dieser Magie. Er sah einen Weg vor sich, den Schimmer eines Pfades nur, aber genug, um diese Energie weiter zu studieren. Der Zauber, der die Saurok in diese Welt gebracht hatte, konnte sicher auch eingesetzt werden, um die Murlocs, die seinen Vater ermordet hatten, von ihrem Angesicht zu tilgen; oder um die Menschen in die Vrykul zurückzuverwandeln, von denen sie so offensichtlich abstammten. Sowohl das eine als auch das andere wäre eine sinnvolle Verwendung für diese Macht und würde die Jahrzehnte des Studiums rechtfertigen, die nötig wären, um eine solche Magie zu beherrschen.

Der Schattenjäger rief sich zur Ordnung. Allein indem er so etwas dachte, könnte er in die Falle tappen, der zweifelsohne auch die Mogu zum Opfer gefallen waren. Unsterbliche Magie verdarb jeden Sterblichen, das war unausweichlich. Wer sie einsetzte, wurde von der Verderbnis zerstört – und sein ganzes Volk vermutlich gleich mit.

Als Vol’jin die Augen wieder geöffnet hatte, standen Rak’gor und die anderen Überlebenden des Trupps vor ihm. „Wurde auch Zeit, dass ihr von euren Hintern hochkommt.“

„Der Kriegshäuptling sagt, es gibt eine Verbindung zwischen diesen Kreaturen und den Mogu.“

„Diese Mogu, das sind die Schöpfer der Saurok. Sie hab’n hier unten böse schwarze Magie gewirkt.“ Ein Schauder rann Vol’jin über den Rücken, als der Orc tiefer in die Höhle stolzierte. „Die schwärzeste Art von Magie.“

Rak’gor warf ihm ein kurzes, wildes Grinsen zu. „Ja, die Macht, Fleisch zu formen und unglaubliche Krieger zu erschaffen. Der Kriegshäuptling will diese Magie.“

Die Eingeweide des Trolls zogen sich zu einem Knoten zusammen. „Garrosh will Gott spiel’n? Das ist nicht der Weg der Horde.“

„Er dachte sich schon, dass du nicht damit einverstanden wärst.“

Rak’gor schlug schnell und gnadenlos zu. Sein Dolch traf Vol’jin am Hals und riss ihn zur Seite, während sich die Verbündeten des Orcs ringsum auf die anderen stürzten. Sie kämpften mit brutaler Mordlust, ohne auf ihr eigenes Wohl zu achten, und sie starben bis zum letzten Mann. Vielleicht hatte Garrosh sie glauben gemacht, dass seine neue Magie sie von den Toten zurückbringen würde, neu und verbessert.

Vol’jin erhob sich auf ein Knie und hielt seine Verbündeten zurück, eine Hand an seine Kehle gepresst, um die Wunde zu schließen. „Garrosh betrügt sich selbst. Er muss glaub’n, dass wir tot sind. Nur so können wir uns die nötige Zeit verschaff’n, um ihn aufzuhalten. Geht. Beobachtet ihn. Findet andere, die denken wie ich. Schwört einen Bluteid. Für die Horde. Wenn ich zurückkomme, müsst ihr bereit sein.“

In jenem Moment, als die anderen davonrannten, glaubte er tatsächlich, dass er zurückkehren würde. Doch noch während er aufzustehen versuchte, schoss schwarze Pein durch seinen Körper. Garrosh hatte diese List genau geplant: Rak’gors Klinge war in ein schädigendes Gift getaucht. Nicht nur, dass seine Wunden nicht so heilten, wie sie sollten, er konnte auch spüren, wie seine Stärke dahinschwand. Der Troll kämpfte gegen die Schmerzen an, gegen den Nebel, der durch seinen Geist trieb.

Vielleicht hätte er es sogar geschafft, hätten ihn nicht weitere Saurok gefunden. Er konnte sich noch vage an den Kampf mit den Echsenwesen erinnern. Klingen, die in der Dunkelheit blitzten, quälende Schnittwunden, die sich nicht schließen wollten, Kälte, die in seine Glieder kroch. Er war blind davongerannt, gegen Wände geprallt, Gänge hinuntergestürzt, aber jedes Mal hatte er sich gezwungen, wieder aufzustehen und weiterzugehen.

Wie er aus der Höhle herausgefunden hatte und an diesen Ort hier gelangt war, konnte er nicht sagen. Es roch jedenfalls nicht länger nach der Höhle. Seine Nase erschnupperte etwas vage Vertrautes in der Luft, verborgen zwischen den Gerüchen von Wickeln und Salben. Er konnte zwar nicht davon ausgehen, dass er unter Freunden war, aber dass man sich um ihn kümmerte, deutete zumindest darauf hin. Andererseits mochten Feinde ihn ebenfalls gesund pflegen, wenn sie hofften, für ihn ein Lösegeld von der Horde erpressen zu können.

Garroshs Antwort würde sie sicher enttäusch’n.

Bei diesem Gedanken musste er beinahe lachen, aber daraus wurde nichts. Seine Bauchmuskeln spannten sich kurz an, dann gaben sie der Erschöpfung und dem Schmerz nach. Doch dass sein Körper noch zu solch unwillkürlichen Reaktionen in der Lage war, schenkte ihm Mut. Lachen war etwas für die Lebenden, nicht die Sterbenden.

Genauso wie Erinnerungen.

Zu wissen, dass er nicht sterben würde, war im Moment völlig ausreichend. Vol’jin atmete so tief ein, wie er konnte, und ließ die Luft dann langsam wieder entweichen. Noch bevor er ganz ausgeatmet hatte, war er eingeschlafen.

3

Obwohl Chen Sturmbräu die Kälte spürte, wagte er nicht, sie sich anmerken zu lassen, als sein Blick über einen der Höfe des Shado-Pan-Klosters schweifte. Unter ihm, wo er zuvor die dünne Schneeschicht von den Stufen gefegt hatte, übte ein Dutzend Mönche, barfuß und die meisten von ihnen sogar mit nacktem Oberkörper. In perfektem Einklang und mit einer Disziplin, wie er sie selbst bei den besten Armeen der Welt nicht gesehen hatte, gingen sie mehrere Positionen durch. Ihre Schläge waren so schnell, dass sie verschwammen, ihre scharfen Tritte schnitten durch die eisige Bergluft. Dabei bewegten sie sich gleichermaßen fließend wie kräftig, so wie ein Fluss, der durch eine Schlucht wütet.

Nur dass sie nicht wüteten.

Denn so kriegerisch ihre Übungen auch anmuteten, irgendwie zogen die Mönche Ruhe aus ihnen. Sie schenkten ihnen Frieden. Chen hatte sie schon oft beobachtet, und obwohl sie nicht oft lachten, konnte er doch auch keinen Zorn in ihnen spüren. So hatte er sich das Training von Kriegern ganz sicher nicht vorgestellt; andererseits war er auch noch nie jemandem wie den Shado-Pan begegnet.

„Habt Ihr einen Moment Zeit, Braumeister?“

Chen drehte sich um und wollte schon losgehen, um den Besen gegen die Wand zu lehnen, aber dann hielt er inne. Er konnte den Besen nicht einfach hier liegen lassen, aber Meister Taran Zhus Bitte war nicht wirklich nur eine Bitte gewesen, er konnte daher wohl kaum hinübermarschieren und den Besen an seinen angestammten Platz bringen. Letzten Endes zog er ihn also einfach hinter sich her, als er sich vor dem Meister des Klosters verbeugte.

Taran Zhus Gesicht blieb ausdruckslos. Chen konnte nicht sagen, wie alt der Mönch war, aber er glaubte, dass der Pandaren schon lange vor den Chiang-Schwestern auf diese Welt gekommen war. Doch nicht etwa, weil er alt aussah. Das tat er nämlich nicht, nicht wirklich zumindest. Er strahlte eine vitale Kraft aus, wie man sie bei jemandem in Chens Alter erwarten würde oder vielleicht sogar eher bei jemandem in Li Lis Alter. Da war etwas an ihm, etwas, das er mit dem Kloster teilte.