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Diese Art der Täuschung war aber nicht nur für die Mogu bestimmt. Khal’ak hatte das Gefühl, dass sie all ihre Gerissenheit und mehr brauchen würde, um die Shado-Pan zu vernichten. Denn immerhin hatte Vol’jin ihr und den Zandalari den Rücken gekehrt, um an der Seite der Pandaren zu kämpfen. Vermutlich wusste er etwas, das ihr noch vorenthalten war. Und sie war sicher, dass sie sich dieses Wissen mit Blut erkaufen musste.

Chens Anleitung folgend hängten Vol’jin und die anderen so viel Leinwand an den Mast des Bootes, wie er tragen konnte. Der Pandaren war zwar nicht der beste Seemann der Welt, aber er hielt den Wind in ihrem Rücken und steuerte den Kahn nach Süden, Pandaria entgegen. Während sie sich um das Boot kümmerten oder nach Verfolgern Ausschau hielten, mussten sie immer wieder laut auflachen, wann immer sie an ihre Flucht dachten.

Als die Mittagssonne auf sie herabbrannte, stand Vol’jin mit Bruder Cuo mittschiffs. Der Mönch sprach nur wenig, und auch wenn das wohl kaum untypisch für ihn war, fragte der Schattenjäger sich, ob die Ereignisse während ihrer Flucht den Mönch vielleicht noch schweigsamer gemacht hatten.

„Bruder Cuo, was ich mit dem Gurubashi-Soldaten getan habe … Ihm ein Zeichen in die Stirn zu ritz’n ist grausam, das lässt sich nicht verleugnen. Aber ich habe es nicht um der Grausamkeit willen getan.“

Der Pandaren nickte. „Bitte, Meister Vol’jin, ich verstehe, warum du das getan hast, ebenso wie ich verstehe, dass man kein Gleichgewicht erreichen kann, indem man viel wenig gegenüberstellt. In der Theorie ist Frieden die Balance des Krieges, aber in der Praxis kann man Gewalt nicht durch Gewaltlosigkeit ausgleichen, sondern nur durch ein ebenso großes Maß an Gewalt, das der Aggression entgegengesetzt wird.“

Cuo breitete die Pfoten aus. „Du glaubst, wir Shado-Pan sind von der Welt abgeschnitten, vielleicht sogar hinterwäldlerisch, weil wir nicht gesehen haben, was du gesehen hast. Aber ich weiß, dass es viele Nuancen der Gewalt gibt. Welchen Schaden richtet ein Schwerthieb an, wenn er nichts trifft? Was du diesem Troll angetan hast, wird den Feind ablenken, und er wird ins Nichts schlagen. Und weil du die Soldaten getötet hast, ist die Hand, die dieses Schwert führt, nun geschwächt.“

Vol’jin schüttelte den Kopf. „Unsere Feinde werden nicht ins Nichts schlag’n. Sie werden nach uns schlag’n oder, genauer gesagt, nach den Shado-Pan. Was wir getan haben, wird die Mogu mit Grauen erfüll’n, aber es wird die Zandalari dazu zwingen, die Shado-Pan auszumerz’n. Und du hast selbst gesehen, wie groß die Armee ist, die sich auf der Insel versammelt hat.“

„Ein Furcht einflößender Gegner.“ Der Pandaren lächelte. „Deine Zandalari sehen uns als helles Licht, und die Mogu spüren uns als versengende Hitze. Doch sie erkennen nicht, dass wir das Feuer sind. Und das ist ein Irrtum, den sie noch bitter bereuen werden.“

Chen steuerte das kleine Fischerboot in eine winzige Bucht unterhalb der Steinsäule, die der Gipfel der Ruhe war. Sie zogen das Boot bis zur Hochwassermarke auf den Strand, bevor sie es festmachten. Sie wussten, dass sie es nie wieder benutzen würden, aber es einfach so davontreiben zu lassen, wäre ein unwürdiger Dank gewesen, nachdem es ihnen so große Dienste erwiesen hatte.

Anschließend machten sie sich auf den Weg, die felsigen Hänge hinauf. Teilweise mussten sie steile Klippen hochklettern, und Vol’jin stellte sich vor, wie die Zandalari über diese Felswände emporstürmen würden. Vor seinem geistigen Auge sah er sie als wogende schwarze Welle, die sich an dem Berg brach, und einen Moment gab er sich genüsslich der Vorstellung hin, wie eine Lawine sie unter Felsbrocken begraben würde. Zerschmetterte Trolle kullerten die Hänge hinab, während andere ins Meer zurückstürzten, wo sie langsam auf den Grund sanken und ihr letzter Atem als Luftblasen aus ihren Lungen entwich.

Aber die Realität wird anders ausseh’n.

Das bestmögliche Szenario für die Zandalari wäre es, das Kloster überhaupt nicht anzugreifen, sondern stattdessen zwei oder drei Absperrgürtel aus Kriegern um den Berg zu bilden. So könnten sie verhindern, dass die Mönche vom Gipfel der Ruhe hinabstiegen, um bei der Verteidigung von Pandaria zu helfen. Wenn sie dann noch eine Kompanie von Pterrodax-Reitern einsetzten, um die Wolkenschlangen in Schach zu halten, dann müssten die Shado-Pan hilflos mit ansehen, wie die Zandalari und Mogu das Tal der Ewigen Blüten, den Jadewald und die Tonlongsteppe einnahmen. Sobald diese Gebiete erst unter der Kontrolle der Invasoren wären, könnten sie sich in aller Ruhe dem Kloster zuwenden.

Vilnak’dors Problem war jedoch, dass diese Strategie nicht fruchten würde. Die Mogu würden auf die sofortige Vernichtung der Mönche drängen. Die Zandalari konnten diese Aufgabe natürlich nicht den Mogu selbst überlassen, weil sie den Pandaren schon in der Vergangenheit unterlegen waren. Zudem würden die Mogu womöglich ihre Partnerschaft mit den Zandalari hinterfragen, sollte es ihnen dann doch gelingen, die Shado-Pan auszuradieren. Wenn sie das alleine konnten, wofür brauchten sie die Trolle dann überhaupt? Und falls die Mogu versagten, müssten die Zandalari sich noch immer um die Mönche kümmern und sich auch noch mit einem erzürnten Donnerkönig herumschlagen.

Davon abgesehen hatte sich bestimmt schon unter den Trolltruppen herumgesprochen, wie viel Tod ein Schattenjäger und ein Mensch auf der Insel gesät hatten. So wie Gerüchte sich in Militärlagern verselbstständigten, erzählte man sich inzwischen gewiss, dass er von den Mönchen ausgebildet worden war oder dass die Mönche in seiner Begleitung ein spezielles Schattenjäger-Training von ihm erhalten hatten. So oder so, plötzlich barg Pandaria eine neue Gefahr, eine Bedrohung, die sich unbemerkt ins Zandalari-Lager schleichen konnte, und das bedeutete, dass jeder verwundbar war. Das war ganz sicher nicht gut für die Moral.

Vol’jin teilte diese Gedanken mit Taran Zhu, nachdem sie das Kloster erreicht hatten. Der alte Mönch war nicht sonderlich überrascht gewesen, sie wiederzusehen; er hatte gewusst, dass sie nicht tot waren, weil keine ihrer Statuen aus den Knochen des Berges gefallen war. Ebenso wenig wie das Bildnis von Schwester Quan-li, was den Überlebenden Hoffnung machte.

Der Anführer der Shado-Pan stand gemeinsam mit Vol’jin und Tyrathan über einer Karte des Kun-Lai-Distrikts. „Dann ist Eure Einschätzung also, dass die Zandalari Elitetruppen gegen uns ins Feld schicken werden? Nur das kann die Moral der Krieger stärken und die Mogu besänftigen.“

Der Dunkelspeer nickte. „Ich würde es jedenfalls tun, und bei der Gelegenheit mit aller Macht von Zouchin nach Süden vorstoß’n. Einen Teil der Streitmacht würde ich direkt nach Süden schick’n und dann nach West’n, um Euch vom Jadewald und der Tonlongsteppe abzuschneiden. Selbst wenn es den Elitetruppen nicht geling’n sollte, Euch zu töten, könntet Ihr dann nirgendwohin flieh’n.“

Tyrathan tippte mit dem Finger auf den südlichen Rand der Karte. „Falls wir jetzt aufbrechen und uns ins Tal der Vier Winde zurückziehen, würden wir ihrer Falle entgehen. Wir müssten natürlich ein paar Leute hierlassen, damit das Kloster bewohnt aussieht. Sobald dann die Zandalari anrücken, können sie bei Nacht und Nebel mit Wolkenschlangen fliehen.“

Der alte Mönch verschränkte die Hände hinter dem Kopf und nickte nachdenklich. „Ein weiser Plan. Ich werde alle nötigen Vorkehrungen für Eure Evakuierung treffen.“

Vol’jins Augen wurden schmal. „Das klingt, als würdet Ihr nicht mitkomm’n.“

„Kein Shado-Pan wird das Kloster verlassen.“