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Der Troll starrte ihn an. „Ich habe die Zandalari auf dies’n Ort gestoßen. Ich habe Euch zu ihrem Hauptziel gemacht. Aber nur weil ich glaubte, Ihr würdet Euch zurückzieh’n und die Verteidigung Pandarias von einem anderen Ort aus leit’n.“

Der Pandaren schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe Respekt vor diesem Versuch, Eure Taten zu rechtfertigen, Vol’jin, aber Ihr habt uns nicht zu ihrem Ziel gemacht. Von diesem Ort aus planten die Pandaren den Aufstand gegen die Mogu. Die Geschichte hat uns also zu ihrem Ziel gemacht. Ihr habt dem Ganzen vielleicht ein wenig Nachdruck verliehen, aber sie wären so oder so hierhergekommen. Sie haben gar keine andere Wahl.

Und aus demselben Grund können wir das Kloster nicht verlassen.“ Der Mönch deutete mit der geöffneten Pfote auf die Karte. „Von diesem Ort aus haben wir Pandarias Freiheit errungen. Und nur von diesem Ort aus können wir Pandarias Freiheit wahren. Falls der Gipfel der Ruhe fällt, wird der Frieden für immer aus unserer Heimat weichen. Ihr solltet nach Süden gehen. Eure Völker haben die Macht, sich der Invasion entgegenzustellen. Warnt sie! Bringt sie zur Vernunft!“

Vol’jin schauderte. „Wie viele von Euch werd’n das Kloster verteidig’n?“

„Nun, da Bruder Cuo zurückgekehrt ist, sind wir dreißig.“

„Einunddreißig.“ Tyrathan hakte die Daumen unter seinem Gürtel ein. „Und ich möchte wetten, dass Chen auch hierbleibt.“

„Dann bin ich Nummer dreiunddreißig.“

Taran Zhu verbeugte sich vor ihnen. „Eure Geste macht uns demütig und ehrt Euch, aber ich kann sie nicht akzeptieren. Kehrt zu Euren Völkern zurück. Es gibt keinen Grund für Euch, hier zu sterben.“

Der Troll reckte das Kinn hoch. „Habt Ihr nicht unser Angesicht in die Knoch’n des Berges geschnitzt?“

Der Mönch nickte ernst.

„Dann sind die Shado-Pan unser Volk. Sie sind unsere Familie.“ Vol’jin lächelte. „Davon abgesehen habe ich nicht vor, hier zu sterb’n. Das Sterben, mein Freund, überlasse ich den Zandalari.“

29

Vol’jin wagte nicht, die Augen zu öffnen, denn er spürte die Gegenwart seines Vaters. Der Schattenjäger hatte sich in seine Kammer im Kloster zurückgezogen, obwohl ringsum die Vorbereitungen auf den kommenden Angriff auf hektischen Hochtouren liefen. Alles, was er Taran Zhu gesagt hatte, war aus tiefer Überzeugung geboren: dass er hierher gehörte, dass das Kloster sein neues Zuhause war und dass sein Ebenbild, das in die Knochen des Berges geschnitzt war, ihn mit den Shado-Pan verband.

So stark war diese Überzeugung, dass er den Drang verspürt hatte, sofort mit den Loa in Verbindung zu treten. Er hatte zwar keinen Zweifel daran, dass er das Richtige tat, aber er konnte sich vorstellen, dass die Loa sich deswegen von ihm abwenden würden. Sie sahen zwar, dass das Treiben der Zandalari der Sache der Trolle schadete, aber seine Treue zu den Pandaren könnte in ihren Augen ebenso nachteilig erscheinen.

Die Gegenwart seines Vaters schenkte Vol’jin Mut, denn zumindest spürte er keine Feindseligkeit darin. Er zwang sich, gleichmäßig ein und aus zu atmen, während er die althergebrachten Praktiken mit dem verband, was er im Kloster gelernt hatte, und dann trat er vor die Loa, wie es einem Schattenjäger gebührte – selbstsicher und entschlossen. Dennoch erfüllte ihn zugleich die jugendliche Freude, wie sie jeder Erwachsene verspürt hätte, der seinen Vater und dessen Träume in Ehren hielt. Sen’jin war zuerst zu ihm gekommen.

Der Dunkelspeer blickte sich suchend um, ohne die Augen zu öffnen. Dort stand sein Vater, ein wenig mehr vom Alter gebeugt, als Vol’jin in Erinnerung hatte, aber noch immer mit denselben glänzenden Augen. Sen’jin trug einen schweren Umhang mit Kapuze, gewoben aus blauer Wolle, aber die Kapuze war zurückgeschlagen und hing auf seine Schultern herab. Es sah aus, als würde er lächeln.

Der Schattenjäger versuchte gar nicht erst, sein eigenes Lächeln zu verbergen, auch wenn es nur ein paar Augenblicke anhielt. „Ist es dies, was du von mir erwartet hast?“

„Dass du hier gegen die Zandalari kämpfen willst, an einem Ort, wo du unterliegen musst? Dass du dich zu einem Kampf verpflichtet hast, den du nicht gewinnen kannst, und das für Leute, die dich nicht verstehen und es auch gar nicht versuchen?“ Sen’jins Schultern sackten nach unten, und er schüttelte den Kopf. „Nein, mein Sohn.“

Vol’jin blickte zu Boden. Sein Herz schmerzte ihn; es fühlte sich an, als hätte man eine rostige Kette mit scharfen Dornen darum gewickelt, die jetzt straff gezogen wurde. Hätte er in seinem Leben nur ein Ziel verfolgen können, es wäre, seinen Vater stolz zu machen. Ich enttäusche ihn nur ungern, aber wenn es sein muss, soll es eb’n so sein.

Die Stimme seines Vaters klang sanft, erfüllt von einer Schwere, aus der aber auch ein wenig Freude herausklang. „Das ist nicht, was ich von dir erwartet habe, Vol’jin; aber es ist, was die Loa von einem Schattenjäger erwarten. Und auch wenn ich es nicht erwartet habe, habe ich doch immer gewusst, dass du in diesen Rang aufsteigen würdest, wenn die Zeit gekommen wäre.“

Vol’jin hob den Kopf, und der Druck auf seiner Brust ließ nach. „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, Vater.“

„Du, Vol’jin, bist mein Sohn, und ich bin sehr stolz auf alles, was du erreicht hast.“ Der Geist seines Vaters hob einen Finger. „Aber indem du ein Schattenjäger wurdest, da wurdest du mehr als mein Sohn. Du wurdest ein Vater für alle Trolle. Du trägst die Verantwortung für uns alle, und für das, was aus uns wird. Unsere Zukunft liegt in deinen Händen – und mir will niemand einfallen, bei dem sie besser aufgehoben wäre.“

Die Welt um Vol’jin verschob sich. Ohne dass er sich bewegt hätte, stand er nun plötzlich neben seinem Vater und sah zu, wie Sterne an einem Nachthimmel voller Explosionen auseinanderbarsten. Er sah, wie sich aus dem Nichts Azeroth formte, wie die Loa kamen, um den Trollen ihr wahres Wesen zu schenken und im Gegenzug ewige Verehrung und Ergebenheit forderten. Er sah Kriege und Katastrophen, gute Zeiten und fröhliche Zeiten; alles huschte an ihm vorbei, schimmernde Augenblicke auf dem Seidenband der Geschichte.

Ganz gleich, was er sah oder wie kurz er es sah, konnte Vol’jin doch immer wieder einen Schattenjäger ausmachen oder zwei oder fünf. Manchmal standen sie im Vordergrund, aber meist hatten sie den Platz neben oder hinter einem dynamischen Anführer eingenommen, und gelegentlich saßen sie auch als Mitglieder eines Rates beisammen. Stets ersuchte man um ihre Ratschläge, und die Weisheit ihrer Entscheidungen wurde ausnahmslos respektiert.

Bis die Zandalari sich vom Rest abzusondern begannen. Es ergab durchaus Sinn, denn die Trolle wurden geschickter und begannen Städte zu errichten. Sie hörten auf, durchs Land zu ziehen, eigneten sich Reichtum an, bauten sich ein Zuhause. Sie erschufen Tempel und Schreine, es entstand eine Klasse von spirituellen Mittelsmännern, die Opfer forderten und die Botschaften der Loa interpretierten. Als die Bevölkerung wuchs, gingen immer weniger Trolle Beschäftigungen nach, die sie mit der Natur und den Loa in Verbindung brachten, und alte Gebote mussten umgeschrieben und an die neue Zeit und die Zivilisation angepasst werden. Es waren die Zandalari, die sich dieser Aufgabe widmeten, und sie fanden darin ihre Erfüllung. Gleichzeitig mussten sie aber auch die Notwendigkeit ihrer Rolle betonen, damit niemand auf die Idee kam, ihre Kaste hätte keine Existenzberechtigung.

Aus diesem Grund war es auch nötig, die Rolle des Schattenjägers neu zu definieren. Ja, die Vorbereitung und die Prüfungen zu bestehen war eine gewaltige Leistung, ein Erfolg, den jeder feiern musste. Schattenjäger wurden zu Helden von geradezu mythischen Proportionen erhoben – verehrt, aber auch gefürchtet, da sie unter den Loa wandelten und daher die Nöte und Bedürfnisse der Sterblichen nie vollends verstehen konnten.

Vol’jin schauderte. Dieser Wunsch, den er verspürt hatte, der Drang, die Anerkennung der Zandalari zu gewinnen, wohnte auch den anderen Trollstämmen inne, und nicht nur ihnen. Khal’ak war ebenfalls ein Opfer dieses Wunsches, wenn auch in einem anderen Sinne. Sie wollte eine Allianz mit einem Schattenjäger eingehen, weil er einen so hohen Status genoss. Indem sie zusammenarbeiteten, hatte sie das Gefühl, dass auch sie eine höhere Stufe erklomm.