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Sie küsste ihn auf den Mund, so leidenschaftlich, so innig, dass es ihm den Atem raubte. Er presste sie in einer starken Umarmung an sich und streichelte ihren Hinterkopf, während ihre Lippen sich berührten. Es war ein Moment, von dem er sich wünschte, er möge nie zu Ende gehen; und ein Moment, von dem er sich wünschte, dass die Künstler und Barden ihm wirklich gerecht wurden.

Als sie sich diesmal von ihm löste, legte Yalia den Kopf auf seine Schulter. „Ich wünschte, unsere Kinder könnten nach ihrem Chen und ihrer Yalia suchen.“

„Ich weiß.“ Er strich ihr über das Fell. „Ich weiß. Aber ich finde Trost in dem Gedanken, dass viele andere Kinder sich auf diese Suche machen werden.“

Sie nickte stumm und behielt ihren Kopf noch ein wenig länger auf seiner Schulter, dann ließen sie voneinander ab und machten sich wieder auf den Weg den Berg hinauf. Dabei legten sie noch weitere Fallen, um den Liedern, die dereinst über sie gesungen werden mochten, noch weitere Verse hinzuzufügen und um den Zandalari eine Lektion zu erteilen, die sie schon längst hätten lernen müssen.

„Die Mogu könnten bis in alle Ewigkeit such’n, und sie würden trotzdem nicht alle Pfeile find’n, die du versteckt hast.“ Vol’jin verschränkte die Arme vor der Brust, als der Mensch sich neben ihm aufrichtete. „Das muss jetzt doch bestimmt einer für jeden Soldat’n auf der Insel sein.“

„Und zwei für jeden Offizier.“ Tyrathan zuckte mit den Schultern. „Außerdem habe ich nicht nur Pfeile versteckt. Da sind auch Messer und Schwerter und Stöcke und Bögen. Draußen habe ich schwerere Bögen platziert, perfekt für lange Pfeile, um weiter entfernte Ziele zu treffen, und hier drinnen kleinere Bögen für kürzere Pfeile, mit denen man sich auch auf geringe Distanz verteidigen kann.“

Vol’jin blickte sich am Schrein des Weißen Tigers um. „Falls wir uns hierher zurückfall’n lassen müssen …“

„Du meinst, wenn …“ Der Mann klopfte auf die steinerne Schulter einer Statue, die einen sitzenden Tiger darstellte. „Und wenn es so weit ist, wirst du froh sein, zu wissen, dass ein halbes Dutzend Wurfmesser um seinen Schwanz gebunden sind.“

„Und dass da oben ein Schwert hängt, wo ich es erreich’n kann, aber du nicht.“

„Vergiss nicht, du hast mir versprochen, den Kerl zu erledigen, der mich erwischt. Ich will nur sichergehen, dass du auch das nötige Werkzeug hast, um dieses Versprechen einzulösen.“

„Das habe ich.“ Vol’jin griff nach hinten und zog seine neue Gleve hervor, die er sich über den Rücken geschnallt hatte. „Bruder Cuo hat dafür viel Schweiß in der Schmiede vergoss’n. Chen hat ihm die Waffe beschrieb’n, die ich normalerweise trage, und nach diesen Instruktionen hat Cuo etwas zusammengebastelt, das sich für den Kampf gegen die Zandalari eignet.“

„Ja, er redet immer nur vom Kämpfen. Als ob das nicht dasselbe wäre wie Töten.“

Vol’jin nickte. „Diese Unterscheidung schenkt ihm Seelenfried’n.“

Tyrathan betrachtete die Waffe eingehend und lächelte. „Er hat die Klingen länger gemacht und ihnen einen gemeinen Schwung verpasst. Egal, welche Seite du benutzt, du wirst damit ausgezeichnet zuschlagen und -stechen können. Aber der Griff scheint mir ein wenig dicker zu sein.“

„Ja. Ein einzelner Erl läuft durch die ganze Länge des Griffs.“ Vol’jin zog die Gleve aus ihrer Hülle und wirbelte sie so schnell durch die Luft, dass die Klinge pfiff. „Perfekt ausbalanciert. Er meinte, er hätte sie an meinen Unterarm angepasst. Sie passt jedenfalls besser zu mir als die Waffe, die ich verlor’n habe.“

„Ein Pandaren-Mönch, der eine traditionelle Trollwaffe schmiedet.“ Der Mensch schmunzelte. „Die Welt, wie wir sie kannten, hat sich verändert.“

„Sein Werk ist ebenso bemerkenswert wie ein Troll und ein Mensch, die zusammenarbeit’n, um ein fremdes Volk vor der Versklavung zu schütz’n.“

„Wir sind beide tot. Auf uns treffen die Regeln nicht mehr zu.“

„Ich glaube, ich gewöhne mich an die menschliche Zungenfertigkeit.“ Vol’jin steckte die Gleve zurück in die Hülle. „Wir Trolle halten uns mit Bemerkung’n zurück, weil wir ein anderes Temperament hab’n. Wir geb’n den Dingen mehr Zeit.“

Tyrathan warf ihm einen Blick zu. „Willst du mir sagen, es war nicht schlagfertig, als du Garrosh gedroht hast, ihn zu töten?“

„Es war voreilig, ja. Aber egal, wie lange ich darüber nachgedacht hätte, es hätte nichts an meinen Gefühl’n oder meiner Wortwahl geändert.“ Der Troll breitete die Arme aus. „Selbst wenn ich gewusst hätte, wozu es führt, hätte ich es trotzdem gesagt. Ich werde hier nicht ohne Bedauern sterb’n, aber so ist zumindest nichts dabei, was ich mir nicht verzeih’n könnte.“

Der Mensch lächelte trocken. „Ich bedaure, dass ich mein Versprechen nicht halten kann, noch einmal meine Heimat zu sehen, aber jetzt ist das hier meine Heimat. Und ich freue mich schon darauf, sie als Geist in alle Ewigkeit zu durchstreifen.“

Vol’jin blickte sich um. „Das hier ist nicht wirklich die Art von Gruft, die mir vorgeschwebt hat. Aber die Zandalari werd’n uns vermutlich ohnehin nicht begrab’n.“

„Und die Mogu werden nicht eher ruhen, bis dieser Tempel abgerissen ist. Sie werden alle Steine ins Meer werfen, und an uns werden sich die Geier satt fressen, bevor man unsere Knochen zu Staub zermahlt und in alle Winde verstreut.“ Tyrathan zog die Schultern hoch. „Wenn eine günstige Brise weht, schaffe ich es vielleicht doch zurück zu den Bergen meiner Heimat.“

„Dann will ich auf gute Winde hoff’n.“ Vol’jin ging in die Hocke und fuhr mit einem Fingernagel eine Ritze zwischen den Bodenplatten nach. „Tyrathan Khort, ich wollte dir etwas sag’n …“

„Nein.“ Der Mensch schüttelte den Kopf. „Keine Verabschiedungen. Kein Lebewohl. Kein Schlusspunkt. Denn dann würde ich glauben, dass ich alles gesagt hätte, was zu sagen ist, und dann würde ich früher aufgeben. Der Wunsch, dir noch einen Ratschlag zu geben oder dein Lachen zu hören, wenn du eines meiner Schwerter findest, oder den Ausdruck auf deinem Gesicht zu sehen, wenn mein Pfeil einen Feind tötet, der dir gerade die Kehle durchschneiden wollte – das wird mich antreiben. Wir wissen beide, dass wir keine Zukunft haben. Aber wir können eine weitere Minute haben oder einen weiteren Herzschlag, und selbst das wäre genug Zeit, um einen weiteren Gegner zu töten. Sie nehmen mir meine Zukunft, ich nehme ihnen die ihre. Ein gerechter Tausch, auch wenn ich meine Haut teuer verkaufen werde.“

„Ich verstehe, und ich stimme dir zu.“ Der Troll nickte. „Hast du dasselbe getan wie die anderen? Chen hat seiner Nichte einen Brief geschrieb’n und …“

Der Mann blickte auf seine leeren Hände hinab. „Ob ich meiner Familie geschrieben habe? Nein. Nicht direkt zumindest. Ich habe Li Li eine kurze Nachricht geschickt und sie gebeten, sich mit meinen Kindern anzufreunden, sollten ihre Wege sich jemals kreuzen. Sie soll ihnen nicht sagen, warum, soll mich überhaupt nicht erwähnen. Hast du jemandem geschrieben?“

„Ein paar Nachrichten, ja.“

„Auch an Garrosh?“

„Einen Brief in meiner Handschrift zu erhalt’n, würde ihm zwar einen ordentlichen Schreck einjag’n, aber dann könnte er für sich in Anspruch nehm’n, mich auf dem Gewissen zu haben. Und das ist ein Vergnüg’n, das ich ihm nicht gönnen will.“

Tyrathan runzelte die Stirn. „Hast du dann einen Plan in Gang gesetzt, um deinen Tod zu rächen?“

„Ich habe niemandem geschrieb’n, was Garrosh getan hat. Er würde ohnehin behaupt’n, dass die Briefe gefälscht wären oder dass ich sie unter dem Zwang der Zandalari geschrieb’n hätte.“ Vol’jin schüttelte den Kopf. „Ich habe meinen Freund’n nur geschrieben, dass ich stolz auf ihren Einsatz für die Horde bin und auf den Traum, für den sie steht. Sie werd’n schon verstehen, was ich damit meine.“

„Nicht so befriedigend, wie Garrosh selbst zu töten, aber genug, um in Frieden in deinem Grab ruhen zu können.“ Tyrathan schmunzelte. „Obwohl ich gerne gesehen hätte, wie du ihn erschießt. Mit einem Pfeil, den ich eigens für diesen Anlass angefertigt hätte.“