„Wenn wir unser gegenwärtiges Tempo beibehalt’n, ja. Wir sollten zeitgleich mit dem Sturm dort ankomm’n.“
„Schicke zwei Kompanien unserer besten Krieger los, aber lass sie die Rüstung mit den Gurubashi tausch’n. Sie sollen vorausgehen und unsere Flanken sichern. Bis Mitternacht sollen sie sämtliche Höhlen auf dem Weg vor uns sichern. Falls der Sturm früher hier ist, werd’n wir einen Unterschlupf brauchen. Während der Rest von uns dann nachrückt, soll’n sie die Fluchttunnel der Mönche aufbrechen und sich so vorarbeit’n. Wer verletzt wird, wird liegen gelass’n, bis wir ihn später mitnehmen. Ihre Fallen sind darauf ausgelegt, uns zu verlangsamen, aber wir müssen schnell und entschlossen vorstoß’n.
Und heute Nacht werden wir Lagerfeuer entzünd’n. Große Feuer, zwei pro Zelt.“
Ihr Untergebener kniff die Augen zusammen. „Herrin, das wird den Großteil unseres Feuerholzes aufzehr’n.“
„Den Großteil? Verbrennt alles.“ Sie deutete auf das Kloster. „Unsere Krieger sollen erst dann wieder Wärme genieß’n, wenn sie vor dem Scheiterhaufen der Shado-Pan steh’n!“
Vol’jin konnte nicht anders, als zu lächeln, während der Tag der Abenddämmerung erlag und die langen Schatten sich in Richtung des nächsten Morgengrauens reckten. Und in Richtung der Zandalari. Ihre Fallen und Angriffe hatten nicht annähernd so viele von Khal’aks Kriegern ausgeschaltet, wie er gehofft hatte, aber immerhin hatten sie den Feind zu einigen Verzweiflungstaten gezwungen. Zwei Kompanien hatte Khal’ak seitlich vorverlagert und dadurch ihre Schlagkraft verringert; so hatten alle weiteren Angriffe, durch die die Zandalari hindurchgestürmt waren, noch größeren Schaden angerichtet. Wenn sie das Kloster erreichten, würden sie wütend, frustriert und erschöpft sein – drei Dinge, die kein General in seiner Armee wollte.
Da die Invasoren genau dort ihr Lager für die Nacht aufgeschlagen hatten, wo die Verteidiger es vorausberechnet hatten – abgesehen von den beiden Flankenkompanien, die ein Stück weiter oben Rast machten –, hatte Taran Zhu sich bereit erklärt, die dreiunddreißig zusammenzurufen. Das hieß, eigentlich waren es nur einunddreißig, denn Bruder Cuo und Tyrathan übernahmen die erste Wache, während der alte Mönch seine Mitstreiter im Tempel des Weißen Tigers versammelte.
Die Mönche standen in zwei Reihen von jeweils zehn und einer dritten Reihe mit acht Pandaren vor dem Meister des Klosters, wobei Chen und Vol’jin die hinteren beiden Ecken dieses Rechtecks bildeten. Neben ihnen türmten sich auf einigen Tischen Nahrungsmittel und ein Gebräu, das Chen auf die Schnelle zusammengestellt hatte – dennoch behauptete er, dass es seine beste Kreation sei, und Vol’jin wollte ihm nicht widersprechen. Er hatte seinen Freund selten so konzentriert gesehen wie bei der Zubereitung, und seinen Behauptungen wohnte tiefe Überzeugung inne, aber keine Übertreibung.
Der alte Mönch breitete die Arme aus. „Ihr seid alle zu jung, um Euch noch an die Zeit zu erinnern, als wir die Mogu stürzten. Und obwohl einige von Euch im Scherz darüber spekuliert haben, bin auch ich zu jung dafür. Doch ein Einblick in die Geschichte und alte Erinnerungen war mir vergönnt, in Form der Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, seit der Zeit, bevor das Kloster überhaupt existierte. Seit der Zeit, als der Kampf gegen die Mogu keine große Ehre war, sondern eine Notwendigkeit.
Ihr seid nun Teil dieser alten Tradition, ebenso wie all Eure Brüder und Schwestern. Viele von ihnen wären jetzt gerne hier, aber das Schicksal verlangt, dass sie andernorts sind. Es wird Euch sicher erfreuen, zu hören, dass Schwester Quan-li nicht aus den Knochen des Berges gefallen ist. Auch sie lebt also noch, um sich unseren einstigen Herren entgegenzustellen.“
Vol’jin nickte, nicht ohne eine gewisse Befriedigung. Er war sicher, dass Quan-li der Allianz genügend Informationen liefern konnte, um sie zum Handeln zu zwingen. Und die Spione der Horde würden diese Informationen anschließend an ihre Vorgesetzten weiterleiten. Der Gedanke, was Garrosh mit diesen Informationen anfangen würde, behagte ihm zwar nicht, aber zumindest in diesem Fall könnte die Kriegslust des Häuptlings sich als nützlich erweisen. Die dreiunddreißig würden hier zwar sterben, aber die Zandalari-Invasoren würden ihnen schon bald ins Grab folgen. Und die Trolle wären gerettet.
Taran Zhu legte die Handflächen aneinander. „Obwohl ich nicht dabei war, als die Mogu fielen, kann ich doch mit Gewissheit sagen, dass die Geschichte, die man sich über den letzten Mogu-Kaiser erzählt, wahr ist. Er war mit einem Pandaren-Diener zum Gipfel der Ruhe, hoch über uns, hinaufgeklettert. Dort stand er, die Arme gespreizt, und drehte sich im Kreis, wieder und wieder. Er blickte auf Pandaria hinab, und was er sah, gefiel ihm. Dann sagte er zu seinem Diener: ‚Ich möchte etwas tun, das jeden Pandaren zum Lächeln bringt.‘ Und der Diener sagte: ‚Was, Ihr wollt springen?‘“
Die Mönche lachten, und das fröhliche Echo hallte durch den Raum. Vol’jin hoffte, dass er sich an dieses Lachen erinnern könnte, wenn die Schreie der Verwundeten und Sterbenden die Luft erfüllten. Es ergab keinen Sinn, darüber nachzudenken, ob einer von ihnen überleben würde. Sie würden alle sterben, aber falls er der Letzte sein sollte, der fiel, dann schwor er sich, zu lachen und sich an diesen Moment in diesem Raum zu erinnern.
„Die Geschichte verrät nicht, was mit diesem Diener geschah, aber es heißt, der Kaiser sei so verletzt und wütend gewesen, dass er verkünden ließ, dieser Teil des Berges sei beschmutzt. Kein Mogu solle ihn mehr besuchen. Das eröffnete uns die Möglichkeit, uns zu versammeln und zu trainieren und den Aufstand zu planen. An diesem Ort blieben wir unbemerkt, denn niemand dachte daran, hier nach uns zu suchen.“
Taran Zhu verbeugte sich erst vor Chen und Vol’jin, bevor er fortfuhr: „Vor einigen Monaten ging es mir wie den Mogu. Ich suchte nicht, obwohl ich die Augen hätte offen halten sollen. Meister Sturmbräu brachte mir erst den Menschen und dann den Schattenjäger. Ich gestattete ihnen zu bleiben, aber ich wies Meister Sturmbräu an, sonst niemanden mehr herzubringen. Das war eine Entscheidung, die ich heute bedaure. Hier, in diesem Raum, sprach ich mit Meister Sturmbräu über diese Angelegenheit, über Anker und das Meer, über Huojin und Tushui. Ich fragte ihn, was von beidem wichtiger sei, und er meinte: weder Anker noch Meer, sondern die Mannschaft. Ich habe lange über diese Antwort nachgedacht, und jetzt steht Ihr hier, vor mir: meine Mannschaft.“
Er legte die Pfoten um seinen Nacken. „Ihr alle kamt aus den unterschiedlichsten Gründen hierher, und Ihr habt im Gleichklang Eure Lektionen gelernt. Doch erst diese Krise, dieses noble Unterfangen, eint Euch wirklich.“
Nun hielt Taran Zhu eine der Holzscheiben hoch. „Meister Sturmbräu hat ein Getränk vorbereitet, das wir alle teilen sollen. Er nennt es Dreiunddreißig, uns zu Ehren. Und unter diesem Namen sollen wir für alle Zeit bekannt sein: die dreiunddreißig. Die Pandaren werden an uns denken und sich voller Stolz unserer Taten erinnern. Und wisset auch, dass ich nie stolzer war, als hier jetzt bei Euch zu sein.“
Er verbeugte sich tief und so lange, wie der Respekt es gebot, anschließend erwiderten Vol’jin und Chen die Geste gemeinsam mit den Mönchen. Der Dunkelspeer spürte einen Kloß in seiner Kehle. Es war bemerkenswert, dass er sich auf diese Art vor einer Kreatur verbeugte, die jeder andere Troll als minderwertig betrachtet hätte; und doch schwoll sein Herz an, weil er sich zu Taran Zhu und den anderen Pandaren zählen durfte.
Sie waren die dreiunddreißig, und die dreiunddreißig waren, was er sich stets von der Horde erhofft hatte. Ihre Stärke rührte von ihren Unterschieden her, die sie in den Dienst einer gemeinsamen Vision stellten. Ihre Geister – die Art von Geist, die Bwonsamdi als Troll betrachten würde – waren durch ihr Ziel verschmolzen. Ja, Vol’jin sah sich noch immer als Troll, aber das war nicht länger alles, was ihn definierte, wenngleich es natürlich noch immer eine wichtige Rolle spielte.