Kurz starrte der Mogu noch den Stumpf an, aus dem dampfendes Blut hervorquoll, dann hatte Vol’jin seine Waffe herumgewirbelt und den Hals des Kriegers mit einem sauberen Vorhandschlag durchschnitten.
Eines der Loa – denn nur die Loa waren zu so etwas imstande – hielt einen Moment lang den Sturm an. Die Winde erstarben, die Luft klärte sich. Alles blieb ruhig, während der Kopf des Mogu langsam nach vorne rutschte, kippte und von der Brustplatte abprallte. Er rollte über den Boden, bis er von einer Schneeverwehung aufgehalten wurde, und seine blinden Augen starrten seinen kopflosen Körper mit solcher Intensität an, wie eine verschmähte Frau ihren untreuen Ehemann anglotzen mochte.
Auch das Kampfgetümmel ringsum erstarb während dieser paar Herzschläge. Trolle und Mönche blickten allesamt zur Insel hinüber, wo der Mogu vor dem Schattenjäger kniete. Sein abgehackter Kopf schien zu nicken, und dann kippte sein Körper in einer letzten, ehrerbietigen Verbeugung nach vorne.
Einen Moment später deutete der Trollhauptmann mit seinem Schwert auf Vol’jin. „Er ist allein und verletzt. Tötet ihn! Tötet sie alle!“
Der Frieden zerbarst mitsamt der Stille, und die Zandalari-Krieger stürmten los.
33
Während er sich den Trollen stellte, die über die Brücke heranbrandeten und am Rand des Grabens heraufkletterten, erkannte Vol’jin ganz bewusst, was ihm unterbewusst schon zuvor aufgefallen war: Er kämpfte nicht gegen Zandalari. Zumindest nicht nur. Die Größten gehörten zu diesem Volk, ja; ihr Körperbau verriet sie – und die Tatsache, dass einigen von ihnen ein roter Pfeilschaft aus dem Auge oder dem Hals spross, als sie näher kamen. Die anderen trugen zwar Zandalari-Uniformen, mussten aber Gurubashi und Amani sein.
Die Taktik, schwächere Truppen vorzuschicken, bevor die stärksten und besten Krieger ins Kampfgeschehen eingriffen, war dem Dunkelspeer wohlbekannt, und zweifelsohne schwoll Khal’aks Brust gerade vor Stolz, weil sie diese Strategie gewählt hatte. Doch Vol’jin war fest entschlossen, ihr zu demonstrieren, dass ihr Plan nicht funktionieren würde. Da er sie nicht unter den Trollen sehen konnte, die ins Kloster quollen, musste er sich vorerst jedoch damit begnügen, ihre Soldaten zu zerstören.
Zerstörung schien ihm der richtige Ausdruck, denn es war nicht wirklich ein Kampf. Früher oder später würde ihn die schiere Masse ihrer Truppen überwältigen, und zusätzlich zu den Kriegern, die auf ihn zupolterten, tauchten nun auch Priester und Hexendoktoren aus dem Hain auf. Schwarze Energie knisterte zwischen ihren Händen, als sie mächtige Zauber auf die Mönche entfesselten, die die Versiegelten Kammern verteidigten. Einige von ihnen fielen, aber dann konterten die Sturmrufer unter den Shado-Pan. Ihre Zauber explodierten inmitten der Trolle, sodass die Angreifer in Flammen auf- oder mit gesprengter Brust zu Boden gingen.
Vol’jins linke Schulter hatte sich bereits so weit erholt, dass er sie wieder ein klein wenig bewegen konnte, während er sich den Trollen entgegenstellte. Er fühlte sich wie ein scharfer, tödlicher Teil des Windes, der eine blendende Wand aus Schneeflocken über das Schlachtfeld fegte. Genauso wie die kalten Böen durch Kleider schnitten und das Fleisch darunter frösteln ließen, schnitt seine Gleve durch die Rüstungen seiner Feinde. Sie stieß tief in Leisten und zerfetzte Arterien, sie bohrte sich in Nacken, dass heißes Blut den fallenden Schnee verdunkelte, sie durchtrennte Achillessehnen und stach Augen aus.
Die Kehlen seiner Gegner ließ er jedoch intakt, damit sie ihre Furcht und ihren Schmerz hinausbrüllen konnten.
Einige traten ihm tapfer entgegen, andere näherten sich langsam und vorsichtig. Sie suchten nach einer Lücke in seiner Deckung, nach einem Schwachpunkt, aber Vol’jin nutzte ihre Schwäche und schlug Lücken in ihre Deckung. Er hielt sich nun schon so lange für tot, dass die kleinen Schnitte und Stöße, die sie ihm versetzten, keinerlei Bedeutung mehr für ihn hatten. Ein Schlag, der ihn nicht sofort tötete, war in seinen Augen kein richtiger Treffer.
Tief in seinem Inneren wusste er, dass er nicht ewig ausharren konnte, aber das Knurren auf seinen Lippen, das Funkeln in seinen Augen und die Inbrunst seiner Attacken sollten die Trolle vom Gegenteil überzeugen. Sie sahen einen Feind vor sich, dessen blutdurchtränkte Rüstung zwar in Fetzen hing, der aber nie aufgeben würde, und jeder von ihnen, der nicht völlig überzeugt war, ihn außer Gefecht setzen oder töten zu können, wurde von Furcht zerfressen.
Und kurz darauf von Vol’jins Klinge zerfetzt.
Der Schattenjäger sprang von einem Troll zurück, der verzweifelt versuchte, seine Eingeweide in seinen aufgeschlitzten Bauch zurückzudrücken, und fand sich auf allen Seiten umzingelt. Während des letzten Kampfes hatte er sich herumgedreht, sodass er nun in dieselbe Richtung blickte wie die Zandalari bei ihrem Ansturm. Rechts von ihm erhellte das Hin und Her von Zaubern den Sturm, und links von ihm pfiffen Pfeile durch den Schnee. Trolle, die er nur halb sehen konnte, kletterten auf der anderen Seite aus dem Graben und attackierten die Mönche vor den Versiegelten Kammern. Dort drüben lag ihr letzter Zufluchtsort, aber Vol’jin wusste, dass er es nie bis dorthin schaffen würde.
Da stürmte plötzlich Chen in einer Explosion aus Licht und Flammen auf die Insel. Als einer der echten Zandalari sich zu ihm herumdrehte, spuckte der Pandaren erneut Feuer, und das Gesicht des Trolls schmolz wie Wachs, während seine Haare aufloderten und sein Fleisch süßlich brutzelte.
Hinter dem Braumeister eilten Yalia, Cuo und drei weitere Shado-Pan über die Brücke auf die kleine Insel. Die Schneise, die Chen mit seinem Feuerstoß in die Reihen der Feinde gebrannt hatte, wurde nun mit Stöcken und Schwertern ausgeweitet. Yalias Stab bewegte sich so schnell, dass man ihn selbst dann nicht hätte sehen können, wenn kein Schnee gefallen wäre, und ihre Hiebe zerdellten Rüstungen und brachen die Knochen darunter. Auf jeden dumpfen Schlag folgte ein Klirren und ein Fluch, und jeder Faustschlag brach Zähne aus zerschmetterten Kiefern.
Chen streckte die Pfote aus. „Schnell!“
Überrascht zögerte Vol’jin. Der Ring der Zandalari um ihn zog sich wieder enger zusammen, aber die Mönche hielten dagegen, bildeten einen eigenen Schutzkreis um den Troll. Pfoten und Füße verschwammen in der Luft, Schwerter klirrten. Die Mönche wussten sich zu verteidigen, und für jeden Hieb, den sie blockten, teilten sie einen Schlag aus. Doch obwohl ihre Geschwindigkeit die Deckung ihrer Gegner überforderte, gingen sie nicht in die Offensive. Ihre Mission war es, Vol’jin zu retten, und der Gedanke, nebenbei so viele Feinde zu töten wie nur möglich, schien ihnen überhaupt nicht zu kommen.
Der Dunkelspeer ergriff Chens Hand und sprintete über die Brücke. Er wollte sich nicht aus dem Kampf zurückziehen, aber die Insel war kein Ort für eine Schlacht. Wäre er dort geblieben, wären die anderen auch geblieben – und sie wären gestorben. So traten die Mönche hinter ihm einen geordneten Rückzug an, und sie alle erreichten die Plattform vor den Versiegelten Kammern.
Noch während er überlegte, ob er wieder vortreten und die Brücke verteidigen sollte, erklang die Alarmglocke des Schneewehen-Dojos. Sie dröhnte ein halbes Dutzend Mal, ohrenbetäubend laut und voller Dringlichkeit, bevor sie abrupt verstummte. Als Vol’jin hinüberblickte, sah er Trolle aus dem Gebäude strömen – und trotz der schäbigen Kleidung, die sie trugen, waren es augenscheinlich Zandalari.
Zwischen ihnen stand ein Mogu und neben ihm Khal’ak.
Taran Zhu erschien am Haupteingang der Versiegelten Kammern. „Zieht Euch zurück! Sofort!“ Der Befehl war frei von jeder Panik, aber er duldete keinen Widerspruch. Die Mönche ließen sich augenblicklich zurückfallen, und Vol’jin und Chen waren die Letzten, die durch den Eingang traten.
Die Zandalari schienen sich ihrer Sache so sicher, dass sie die Verteidiger bereitwillig gehen ließen.