Da riss Vol’jin die linke Hand vor und zog die rechte an sich heran. Durch die Bewegung sauste die geschwungene Spitze der Gleve herum und bohrte sich in den Rücken des Zandalari. Nun drehte der Dunkelspeer den Griff und drückte ihn nach oben, sodass die Klinge einen sauberen Bogen um die Niere seines Feindes schnitt. Dabei durchtrennte sie erst die Arterie, die das Organ versorgte, und anschließend auch die Hauptader, die ins Bein des Hauptmanns führte. Als er anschließend die Gleve zurückzog, schoss eine karmesinrote Explosion aus dem Körper seines Feindes. Der Zandalari sank zu einem leblosen Haufen zusammen, und sein Blut strömte über den Boden.
„Vol’jin, pass auf!“
Hände schubsten ihn zur Seite, sodass er über die Beine seines getöteten Gegners stolperte und hart auf dem Boden landete. Sofort rollte er sich ab, und gerade als er wieder auf die Füße kam, bohrte sich der Mogu-Speer, der auf seinen Rücken gezielt hatte, in den Bauch von Tyrathan Khort. Der Mensch war schwer von der Schlacht gezeichnet, und die Waffe traf ihn mit solcher Wucht, dass er nach hinten gegen die Wand geschleudert wurde. Die Speerspitze grub sich tief in den Stein und nagelte den Jäger auf groteske Weise dort fest. Fassungslos starrte er auf die Klinge hinab, die sich in seine Eingeweide gegraben hatte.
Der Mogu stürmte vor, auf Vol’jin zu, die Hände erhoben. Den Speer würdigte er keines Blickes mehr; der Zorn in seinen Augen und seine zuckenden Finger verrieten, dass er Vol’jin jede Gliedmaße einzeln ausreißen wollte.
Vermutlich wäre es auch genauso gekommen, wäre nicht plötzlich Taran Zhu mit ausgestrecktem Bein durch die Luft gesegelt. Der Shado-Pan-Meister traf den Mogu in die linke Seite und ließ eine tiefe Delle in seiner Rüstung zurück. Die Wucht des Tritts ließ den Hünen nach rechts taumeln, sodass er in die Zandalari fiel, die Chen und Yalia umzingelt hatten. Einen von ihnen begrub er unter sich, als er stürzte, aber einen Moment später stemmte er sich bereits wieder flink auf die Beine. Dass er dabei den Schädel des Trolls zerquetschte, schien ihm nicht einmal aufzufallen.
Vol’jin griff nach seiner Gleve und richtete sich auf, dann sah er zu, wie der Mogu sich auf den Pandaren stürzte. Mächtige Hiebe donnerten dort auf den Boden, wo vor einem Herzschlag noch Taran Zhu gestanden hatte, mit solcher Gewalt, dass der Stein zerbarst und Staub hochwirbelte. Fäuste flogen, Beine zuckten hoch und vor und zur Seite. Der Mogu war eindeutig im unbewaffneten Nahkampf erfahren, aber obwohl er größer und stärker als sein Feind war, gelang es ihm nicht, den Pandaren zu treffen.
Taran Zhu duckte sich nach hinten weg oder tänzelte zur Seite oder rollte sich unter Hieben hindurch. Er sprang über tiefe Tritte und wirbelte außer Reichweite von Schlagserien. Der Mogu wechselte von einer Kampfposition in die andere – Vol’jin erkannte ein paar Figuren aus seinem eigenen Training –, aber der Pandaren ging nicht in die entsprechende Verteidigungsstellung. Er blieb in ständiger Bewegung, ungreifbar, ein Phantom, und je heftiger sein Feind auf ihn einstürmte, desto müheloser entging er seinen Fäusten, bis der Mogu schließlich innehalten musste, um sich zu sammeln.
In diesem Augenblick griff Taran Zhu an. Beinahe spielerisch sprang er vor, dann riss er das rechte Bein zum Tritt hoch. Er traf den linken Schenkel seines Gegners und trennte den Knochen in der Mitte entzwei. Kaum dass der Mönch gelandet war, trat er erneut zu, diesmal mit dem linken Fuß, und der andere Oberschenkel des Mogu brach mit einem lauten Knacken.
Während der Hüne nach vorne kippte, sauste Taran Zhus Pfote zu einem Schlag nach oben. Wie eine Speerklinge durchschlugen seine Finger die Rüstung seines Gegners, begleitet von einem lauten Klirren, dann verschwand sein Arm bis zum Ellbogen in der Brust des Mogu – bis die versteiften Fingerspitzen den Schulterpanzer von innen nach außen dellten.
Nachdem der alte Mönch seinen Arm wieder befreit hatte, fiel der Mogu mit dem Gesicht voran auf den Boden. Kurz sah Taran Zhu noch auf ihn hinab, dann richtete er seinen Blick auf die fassungslos erstarrten Zandalari. „Verschwindet jetzt, sonst müssen wir auch den Rest von Euch zerstören!“
34
Khal’aks rechte Hand schoss vor, bevor Vol’jin eine Warnung rufen konnte. Ein schmaler Dolch sauste auf den alten Mönch zu, und während die Klinge durch die Luft wirbelte, hob die Zandalari rasch ein Schwert vom Boden auf und stürmte hinter ihr her auf Taran Zhu zu.
Der Pandaren hob die Pfote in einer kreisförmigen Abwehrbewegung von innen nach außen und schlug den Dolch mit dem Handrücken fort, sodass er zur Seite davonflog. Einen Moment später bohrte die Waffe sich in den Hals eines Kriegers, noch ehe er oder seine Kameraden überhaupt bewusst registrierten, dass ihre Anführerin die Klinge geworfen hatte, und noch ehe einer von ihnen Gelegenheit hatte, auf die Drohung des Mönchs zu reagieren. Sie blieben reglos stehen, wo sie waren, wie versteinert ob der unglaublichen Ereignisse.
Vol’jin stellte sich zwischen Khal’ak und den Pandaren. „Ich weiß, es wäre nur Zeitverschwendung, dir Gnade anzubiet’n.“
Ihre Augen funkelten. „Du fällst den Herr’n deines Volkes in den Rücken.“
„Schattenjäger haben keine Herr’n.“
Khal’ak griff ebenso geschickt an wie der Troll, den Vol’jin gerade getötet hatte, und vielleicht sogar noch ein wenig schneller. Ihre Klinge schnitt in schlangengleichen, gewundenen Hieben und Stichen durch die Luft, und er begnügte sich damit, die Schläge zu parieren oder ihnen auszuweichen, anstatt sie zu blocken. Sie zeigte ihm keine Blöße, die er für einen Angriff nutzen könnte, aber vermutlich hätte es nicht einmal einen Unterschied gemacht, wenn sie einen Schwachpunkt offenbart hätte. Seine Muskeln brannten bereits vor Erschöpfung, und er war nicht sicher, ob er noch schnell genug war, um ihre Verteidigung zu durchdringen. Zudem schien sie nur auf seinen Vorstoß zu warten, jetzt, wo sie ihn im Kampf gesehen hatte und wusste, worauf sie sich vorbereiten musste.
Was hat sie geseh’n?
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, stürmte Khal’ak vor. Ein tiefer Hieb folgte auf einen hohen, dann drehte sie sich nach rechts, auf seine heile Seite. War ihr womöglich aufgefallen, dass er seine linke Schulter schonte? Aber nein, von dieser Verletzung hatte er sich bereits erholt. Wenn es also nicht das war, woraus wollte sie dann Nutzen schlagen?
Da erkannte er, dass es unbedeutend war, was sie gesehen hatte. Viel wichtiger war, dass er wusste, was sie nicht gesehen hatte. Als sie mit einem wirbelnden Hieb auf seinen Bauch zielte, nahm er die Gleve in die linke Hand. Es reichte nicht, um ihren Schlag abzulenken, aber er verlangsamte ihre Klinge, und dann machte er einen Schritt nach vorne. Ihr Schwert erwischte ihn über der Hüfte, genau dort, wo Deng-Tai ihn mit dem Speerschaft getroffen hatte, doch obwohl Vol’jin den Schmerz spürte, schien er unendlich weit entfernt.
Jetzt riss er den linken Arm nach unten und presste damit Khal’aks Handgelenk an seine Seite. Sie hob den Kopf, ihr Blick so hasserfüllt, als müsste der Zorn jeden Moment aus ihren Augen schießen und ihn verbrennen. Vol’jin begegnete diesem Blick mit Verachtung, aber nicht etwa, weil sie gegen ihn kämpfte, sondern weil sie Teil der Verderbnis war, die Pandaria und alle Trolle verschlingen würde. Er sah sie gerade lange genug an, damit sie das begriff, dann tötete er sie.
Schnell.
Gnadenlos.
Jedes Mal, wenn sie ihn bislang im Kampf beobachtet hatte, hatte er die Gleve benutzt und auf traditionelle Weise gefochten. Was sie aber nicht gesehen hatte, wovon sie nichts wusste, war das Training, das er von den Shado-Pan erhalten hatte. Nur passend, dass ich sie mit meinen bloß’n Händen töte.
Der Schlag mit seiner Speerhand zerschmetterte ihren Kehlkopf und ihre Luftröhre, dann bohrten seine Finger sich tiefer. Wirbel knirschten und verwandelten sich unter dem Hieb von harten Knochen in eine breiige Masse. Splitter bohrten sich nach unten in ihr Rückgrat.