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»Wir verlassen ja die Stadt!«, rief ich erstaunt.

»Na und? Die Menschen, die wir suchen, sind ganz in der Nähe. Das spüre ich.«

»Prima. Was hat dir Kima überhaupt unterjubeln wollen?«

»Das fragst du ihn am besten selbst. Er hat bestimmt gedacht, er sollte mir ein paar Lebensweisheiten beibringen. Als Alotho nach Arwaroch reiste, besuchte ich noch am selben Tag meinen Großvater. Das hatte ich schon als Kind getan. Wenn etwas nicht stimmte, konnte ich immer zu ihm gehen. Aber in diesem Fall hätte ich besser mit dir geredet.«

»Sündige Magister - was hat er dir denn gesagt?«

»An sich nichts Besonderes. Aber es hat mich trotzdem auf die Palme gebracht. Er hat lange um den heißen Brei herumgeredet und gemeint, er verstehe mich sehr gut. Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass Echo voller Menschen ist, die genau wissen, was mit dir los ist? Und dann hat mein Großvater auch noch gesagt: >Du glaubst, dir widerfährt etwas ganz Außergewöhnliches. Dabei ist das, was du erlebst, völlig normal. Liebe ist nämlich eine Falle der Natur, um uns dazu zu verleiten, Nachkommen in die Welt zu setzen.« Genau das hat er gesagt! Es fällt mir schwer, dir zu erklären, warum mich ausgerechnet dieser Satz so wütend gemacht hat, Max.«

»Na ja, er ist ziemlich zynisch«, meinte ich. »Verliebte sind sich in der Regel nicht darüber im Klaren, wie banal ihre Geschichte auf Außenstehende wirkt. Hätte mir jemand vor einigen Jahren so etwas gesagt, wäre ich sofort ausgerastet.«

»Und wie würdest du heute reagieren?«, fragte Melamori vorsichtig. »Würdest du solche Äußerungen jetzt gelassen nehmen?«

Ich zuckte die Achseln. »Inzwischen ist mir die Meinung anderer zu diesem Thema egal. Aber vielleicht überschätze ich meine Geduld, weil sich seit langem niemand mehr so massiv in mein Leben hat einmischen wollen.«

»Übrigens«, begann Melamori lächelnd, »siehst du den Wagen dort vorn? Dein kostbarer Mochi sitzt drin - darauf gebe ich dir Brief und Siegel.«

»Ausgezeichnet. Und jetzt, Unvergessliche?«

»Jetzt lassen wir uns überraschen«, meinte Melamori leichthin, denn als typische Verfolgungsmeisterin dachte sie in diesem Moment nur daran, die Jagd zu beenden und sich die Beute zu schnappen. So war die Welt nun mal. Ich musste mich also auf eigene Faust vor eventuellen Gefahren schützen.

Das war leichter gesagt als getan. Ich wusste nicht mal, ob Mochi überhaupt Hilfe brauchte. Vielleicht hatte er etwas Wichtiges zu tun oder sich hier zu einem Schäferstündchen verabredet. Doch es war zu spät, die Geschichte auf sich beruhen zu lassen. Deshalb machte ich, was mir als Erstes in den Sinn kam: Ich beschleunigte, überholte das für uns so interessante A-Mobil, kehrte um und fuhr Mochi entgegen. Ich spürte, dass Melamori neben mir in Deckung ging und kaum mehr atmete. Meine einzige Hoffnung war, dass der Fahrer des anderen Wagens kein Kamikaze war.

Der Mann mit der Brille war zwar kein Kamikaze, aber so erschrocken, dass er beschleunigte, statt zu bremsen, und bei dem Versuch, mir auszuweichen, im Graben landete. Ich hielt fluchend an und lief zu dem anderen Wagen.

In diesem Moment interessierte mich nur, ob Sir Mochi den Unfall gesund überstanden hatte. Ich hoffte innig, mein neues Lieblingsgasthaus müsste nicht wegen eines Todesfalls geschlossen werden. Sofort beugte ich mich über unseren Wirt. Er war bewusstlos, und ich befürchtete das Schlimmste.

»Mochi, ich verbiete Ihnen zu sterben«, flüsterte ich mit zitternder Stimme.

Das war womöglich nicht sehr intelligent, funktionierte aber seltsamerweise. Mochi öffnete die Lider und sagte demütig: »Wie Sie wünschen.«

Ich atmete erleichtert auf. »Alles in Ordnung?«

»Ich weiß es nicht.«

Jetzt erst merkte ich, dass sein Gesicht ganz blutig war. Das sah nicht gut aus.

»Ich fahre mit Ihnen zu Sir Juffin«, sagte ich fröhlich. »Der bringt Sie sicher wieder auf die Beine.«

»Wie Sie wünschen«, sagte Mochi und nickte matt. Dann rappelte er sich auf und kam zu unserem Wagen.

Nun erst dachte ich daran, mir auch den Fahrer anzusehen, doch der Platz am Steuer war leer. Offenbar war der Brillenträger getürmt, als ich mich um Mochi gekümmert hatte.

Doch der mysteriöse Mann hatte es nicht weit geschafft, sondern lag einige Schritte entfernt im Graben. Er war tot - das war sofort klar. Sicher war er aus dem Wagen geschleudert worden und hatte sich beim Aufprall das Genick gebrochen.

Eigentlich hätte mich sein Tod betrüben sollen, aber meine beiden Herzen reagierten darauf seltsam gleichgültig. Irgendwie war ich mir sicher, dass der Tod dieses Menschen im Lochimantel kein bedeutendes Ereignis war.

Ich wunderte mich über meine Gelassenheit, zuckte die Achseln und ging zu meinem A-Mobil.

»Was ist mit dem Fahrer?«, fragte Melamori.

»Er ist tot. Das ist sicher schlimm, aber irgendwie ist es mir egal. Außerdem kenne ich seine Rolle in diesem Spiel ganz und gar nicht.« Ich wandte mich an Mochi, der es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte.

»Wie geht es Ihnen?«

»Gut, danke. Aber ich kann nichts sehen - meine Brille, wissen Sie?«

»Ach, verzeihen Sie. Ich bin wirklich ein Dummkopf -die hab ich ganz vergessen.«

Ich suchte den Straßengraben ab, setzte mich dann in den Unfallwagen und sah mich sorgfältig um. Direkt neben der Fahrertür lag eine Brille. Ich hob sie auf und suchte weiter. Immerhin waren hier zwei Brillenträger verunglückt, und ich vermutete, bisher nur die Brille des Toten gefunden zu haben. Die zweite lag hinterm Beifahrersitz. Ich staunte, denn alle vier Gläser waren heil geblieben. Nur ein Gestell war etwas verbeult. Wir Menschen sind zerbrechlich, dachte ich, aber unser Besitz ist zäh.

Ich kehrte zu meinem Wagen zurück und zeigte dem Wirt beide Brillen: »Die sind für Sie, Mochi. Ich weiß leider nicht, welche Ihnen gehört.«

Er nahm die linke Brille und setzte sie auf. »Die ist es jedenfalls nicht, denn damit sehe ich noch weniger als ohne.« Dann schob er sich die rechte Brille auf die Nase und nickte zufrieden.

Gedankenverloren hielt ich die überflüssige Brille in Händen. Sie hatte dem Mann im Lochimantel gehört und sich binnen Minuten in ein sentimentales Andenken verwandelt.

Melamori musterte mich so neugierig wie gelassen. Offenbar kamen ihr die Geschehnisse nicht weiter ungewöhnlich vor. Mochi hantierte indessen die ganze Zeit mit seiner Brille herum. Offenbar hatte er nichts Wichtigeres im Kopf.

Mit der Rückfahrt beeilte ich mich nicht und fragte mich ohnehin, ob Mochi überhaupt medizinische Hilfe benötigte, da er inzwischen wieder recht gut aussah. Er benahm sich nur noch etwas seltsam.

Ich beschloss, mich ein wenig mit ihm zu unterhalten.

»Warum waren Sie eigentlich mit diesem Kerl unterwegs? Angesichts des vollbesetzten Lokals hat mich Ihr plötzliches Verschwinden so erstaunt, dass ich Ihnen gefolgt bin. Was hat Ihnen der Mann im dunklen Lochimantel denn erzählt?«

»Er hat nur >Komm mit!< gesagt«, erklärte Mochi, »und mich gebeten, am Eingang auf ihn zu warten. Genau das hab ich getan.«

»Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Hier stimmt doch was nicht. Er hat Ihnen doch gestern genau das Gleiche gesagt, und da haben Sie ihn zum Teufel geschickt! Können Sie mir Ihren Sinneswandel erklären?«

»Nein.«

»Warte, Max - du stellst die falschen Fragen«, mischte Melamori sich ein. »Sir Mochi, sagen Sie uns doch bitte, warum Sie mit dem Unbekannten weggegangen sind.«

»Wie Sie wünschen. Ich kann heute einfach niemandem etwas abschlagen. Ich habe das Gefühl, es wird etwas Furchtbares passieren, wenn ich eine Bitte ablehne. Verstehen Sie mich nun besser?«