Ich lachte auch, allerdings aus Erleichterung. Wenn man ab und an etwas Dummes tut, sich im Übrigen aber gut versteht, trägt das sehr zu einer freundschaftlichen Atmosphäre bei.
»Gehen wir in mein Büro. Da spendiere ich dir eine Tasse ausgezeichnete Kamra - nach einem uralten Rezept aus Kettari. Du hast dort sicher ein Wirtshaus namens Alt-Kettari besucht.«
»Leider nicht. Der verrückte Schürf, der mich damals begleitete, hat in dem Laden sein ganzes Geld verspielt. Er hat in Kettari nämlich plötzlich seine Leidenschaft fürs Mau-Mau-Spielen entdeckt. Aber die dortige Kamra schmeckt wirklich herrlich.«
»Meine Heimat hat dir gefallen, was?«, rief Lady Sotowa. »Irgendwie ist es leichter, ein fremdes Land zu lieben als die Gegend, in der man geboren wurde.«
»Stimmt. Ich habe keine allzu guten Erinnerungen an die Ecke, aus der ich stamme.«
»Das geht vielen so - mach dir nichts draus«, meinte Lady Sotowa und öffnete die Tür zu ihrem schnuckeligen Häuschen. »Viele kommen in Gegenden zur Welt, die ihnen später nicht gefallen. Ich glaube, das Schicksal mag solche Witze. Aber jetzt setz dich, Max, und probier meine Kamra.«
»Darf man bei Ihnen eigentlich rauchen?«
»Natürlich - aber nur den Tabak aus der anderen Welt«, sagte sie streng. »Den Gestank des hiesigen Krauts ertrage ich einfach nicht.«
»Mir geht's genauso«, pflichtete ich ihr bei und zog eine Schachtel Zigaretten aus meinem Lochimantel.
Langsam ging mein Zigarrenvorrat aus Kettari - ein nettes Geschenk von Machi Ainti - zu Ende. Aber ich machte mir keine Sorgen, denn ich konnte ja jederzeit in die Ritze zwischen den Welten greifen und mir neue Bestände zulegen.
»Welche Geheimnisse willst du mir eigentlich entlocken?«, fragte Lady Sotowa und setzte sich mir gegenüber.
»Nichts Besonderes. Ich hoffe, Sie lachen mich nicht aus, aber ich verstehe die Geschichte mit dem Cholomi-Gespenst ganz und gar nicht. Juffin und Schürf sind ins Gefängnis gegangen, um das Gespenst zu halten, aber wie soll das überhaupt gehen?«
»Ein Gespenst hält man an Kopf und Beinen«, antwortete Lady Sotowa ernst. »Wie denn sonst?«
»Haben Gespenster denn so was?«, fragte ich erstaunt.
»Das Cholomi-Gespenst jedenfalls hat Kopf, Beine und vieles andere - wie jedes Gespenst, das auf sich hält. Und man kann es sogar sehen, es beherrschen und es beruhigen. Dein Chef und sein kluger Begleiter haben das - wie sie dir gewiss erzählt haben - schon mehrmals geschafft. Früher haben die Könige allein mit diesem Gespenst fertig werden müssen. Ansonsten kann dir niemand auf dieser Welt sagen, warum unser Gespenst das Gebäude ab und an in Trümmer legen will. Manche Dinge lassen sich eben nicht so leicht erklären. Bist du jetzt enttäuscht?«
»Meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Aber was meinen Sie - werden Juffin und Schürf ihre Mission erfüllen?«
»Deine Probleme möchte ich haben, Junge«, lachte Lady Sotowa. »Offenbar kennst du deinen Chef noch nicht gut genug. Wenn er wüsste, dass er es nicht schafft,
würde er die Konfrontation mit dem Gespenst meiden und in einer anderen Welt Hilfe suchen. Aber jetzt sage ich dir, warum du eigentlich zu mir gekommen bist: Du hast Angst vor der Verantwortung, die Juffin dir übertragen hat.«
»So können Sie das vielleicht auch nennen. Wissen Sie, seit mein Chef mich allein gelassen hat, ist mir plötzlich klar, dass meine Welt jederzeit zu Bruch gehen kann.«
»Das kann jedem Menschen jederzeit passieren - das sollte man nie vergessen. Aber gut, Junge - mach dir darüber keine Sorgen mehr, sondern trink lieber meine herrliche Kamra, ehe sie kalt wird.«
Kaum drei Minuten später hatte ich schon all meine Ängste vergessen und konnte sogar lachen.
»Jetzt weiß ich, warum ausgerechnet ich Juffin vertreten muss. Die Welt kann jede Minute untergehen -es ist also egal, was ich in zwei Wochen alles verkehrt mache.«
»Du bist ein heller Bursche«, sagte Lady Sotowa sichtlich erfreut. »Eine ähnliche Antwort habe ich dir geben wollen, aber du bist allein darauf gekommen.«
Eine halbe Stunde später führte sie mich zu der Geheimtür in der Burgmauer.
»Mach dir keine Gedanken über das weitere Schicksal der Welt«, flüsterte sie mir zum Abschied zu. »Denk stattdessen an deinen Kopf - an deine Haare, meine ich. Tu deine Pflicht, Junge. Und merk dir: Du wirst nicht untergehen.«
Etwas verwirrt kehrte ich ins Haus an der Brücke zurück. Das nette Gespräch mit Lady Sotowa hatte mir einen Stein vom Herzen fallen lassen. Fragte sich nur, von welchem von beiden.
»Ach, das Ehrwürdige Nachtantlitz ist endlich wieder da!«, rief Melifaro beflissen, sprang vom Schreibtisch auf und sah mich mit lachenden Augen an. »Wenn du erlaubst, erstatte ich dir kurz Bericht: In deiner Abwesenheit ist nicht das Geringste vorgefallen, denn die Stadtpolizei liegt auf der faulen Haut. Nur Kofa ist vorbeigekommen und hat gesagt, die Bewohner von Echo wüssten längst, wer Sir Juffin im Moment vertritt. Aus Angst vor dir haben die Verbrecher unserer schönen Stadt beschlossen, von allen Übeltaten abzusehen und auf Tauchstation zu gehen, bis wieder die alten Verhältnisse einkehren.«
Erneut atmete ich erleichtert auf, denn ich sah nur Melifaros fröhliche Miene und hörte keine bösen Neuigkeiten.
»Ist Kofa schon weg?«, wollte ich wissen.
»Ja, unser Meister des Verhörs ist im Dienst. Da er auch Meister aller Wirtshäuser ist, sitzt er um diese Zeit sicher in einem Lokal und genießt erlesene Leckereien.«
»Und wir?«, fragte ich und machte eine auffordernde Geste. »Worauf warten wir noch? Lass uns gehen!«
»Wohin denn?«, fragte Melifaro und schlüpfte schwungvoll in seinen knallgelben Lochimantel.
»In Juffins Dutzend natürlich. Ich will dem ständig gereizten Mochi einen neuen Kunden bringen. Vielleicht gibt er mir ja auf Kosten des Hauses ein kleines Getränk aus.«
••Du führst wirklich schnell neue Regeln ein, Max«, meinte Melifaro und schüttelte etwas ratlos den Kopf.
»Während der Arbeitszeit bist du nicht im Büro, und dann gehst du noch nicht mal ins Fressfass - ganz schön mutig!«
»Was hast du denn gedacht?«, fragte ich lächelnd. »Ich bin der Held von Echo.«
Dieser bravouröse Auftritt zeigte, dass ich langsam wieder der alte, leichtsinnige Max wurde. Ehrlich gesagt: Das gefiel mir. Die Welt kann sowieso jeden Moment untergehen, und wer die Gegenwart nicht genießen kann, ist selber schuld.
Drei Stunden später kehrte ich ins Haus an der Brücke zurück. Zuvor hatte ich Melifaro erlaubt, sich ein wenig zu tummeln (wie er es zu nennen pflegte).
Ich ging ein wenig in mich und kam zu dem Schluss, dass ich meine Funktion als Stellvertreter von Sir Juffin souverän ausübte: All meine Untergebenen zogen in der Weltgeschichte herum, und ich saß mit hochgelegten Beinen im Büro.
»Wie geht's, mein kluger Vogel?«, fragte ich Kurusch und gab ihm ein paar frische Piroggen. »Ist was passiert?«
»Nichts«, antwortete der Buriwuch lakonisch und begann, seine Leckereien zu fressen.
Eine halbe Stunde später war ich stocksauer auf mich, da ich mehrmals vergeblich versucht hatte, Kuruschs Schnabel zu öffnen, der mit süßer Creme verklebt war. Nach einer Stunde erschien Sir Kofa, erfasste mit einem Blick die Situation und musste herzlich lachen: »Du bist vielleicht ein Vogel! Bald schickst du sogar die Stadtpolizei nach Hause und schuftest für alle ganz allein, du Menschenfreund! Aber ich mach dir einen Vorschlag: Ich übernehme für ein paar Stunden deinen Platz, und du gehst endlich nach Hause. Ich weiß doch, dass jemand auf dich wartet.«
»Ist meine humane Einstellung etwa ansteckend?«
»Wenn du meinst. Aber ehrlich gesagt möchte ich Lady Kekki Tuotli Gesellschaft leisten. Sie hat heute Nachtdienst - da würdest du nur stören.«
»Nicht schlecht. Dabei bin ich doch ein Kuppler«, sagte ich begeistert.