»Nächstes Mal«, meinte er finster. »Irgendwie hab ich das Gefühl, das wird sehr bald sein. Diese scheinbar harmlose Zombiegeschichte gefällt mir nicht, Leute. Sie hat einen seltsamen Beigeschmack, findet ihr nicht?«
»Ja, die Typen sehen furchtbar aus«, bemerkte Melamori.
Ihre Stimme und ihre Miene zeugten von tiefem Ekel.
»Sind das eigentlich immer die gleichen Toten, oder tauchen ständig neue auf?«, wollte ich wissen.
»Die gleichen Toten?«, staunte Kofa. »Das glaube ich nicht. Aber wer weiß - in solchen Fällen ist alles möglich.«
»Vielleicht sollte man den Friedhof schließen. Wer weiß, womöglich möchten die nächsten Zombies einen Spaziergang durch Echo machen. Wir könnten ja die Leute von General Bubuta auf den Friedhof schicken.«
»Du bist ein Genie, Sir Nachtantlitz«, meinte Melifaro lächelnd. »Die schockierten Polizisten werden selber Schutz brauchen - so wird das enden.«
»Man könnte sie doch in zwei, drei Gruppen patrouillieren lassen. Ich finde, auf dem Friedhof sollten sich möglichst viele Leute aufhalten. Melifaro, führ du sie am besten hin und gib ihnen die entsprechenden Instruktionen. Oder besser noch: Sie sollen einfach über den Friedhof spazieren und endlich Verantwortung übernehmen.«
»Wenn du für mich ein paar Delikatessen vom Frühstück aufbewahrst, bin ich für alle Schandtaten zu haben.«
Melifaro sprang in den Korridor. Die Aussicht, eine Polizeiabteilung zu leiten, verlieh ihm Flügel.
»Du bist ein guter Stratege«, sagte Kofa kopfschüttelnd. »Seltsam, dass ich nicht selbst auf diese Idee gekommen bin.«
»Und was werden wir mit diesen ekligen Wesen weiter tun?«, fragte Melamori angewidert.
»Das, was wir schon zweimal gemacht haben«, sagte ich achselzuckend. »Deshalb hab ich ja befohlen, auf dem Friedhof Streife zu gehen. So kann die Polizei uns schnellstmöglich benachrichtigen, und wir schicken Verstärkung. Nur schade, dass Sir Schürf nicht bei uns ist. Mit einer Bewegung seiner Linken nämlich könnte er den ganzen Spuk in Asche verwandeln. Kofa, beherrschst du diesen Trick nicht vielleicht auch? Das wäre wirklich eine hygienische Maßnahme.«
»Töten kann ich gut, aber meine Opfer in Asche zu verwandeln, ist nicht so meine Stärke.«
»Sie unterhalten sich über so traurige Dinge - ist jemand gestorben?«, mischte Sir Lukfi Penz sich plötzlich ein.
Melamori und ich lachten nur nervös auf, und Kofa schüttelte den Kopf.
»Im Gegenteil«, seufzte ich, »es handelt sich um eine Art Massenauferstehung.«
»Oha, das ist eine ernste Angelegenheit«, versetzte Lukfi und nickte verständnisvoll. »In meiner Jugend habe ich viel Zeit auf dem Friedhof verbracht, aber so was kenne ich nur vom Hörensagen.«
»Was haben Sie denn auf dem Friedhof gemacht?«, fragte ich erstaunt.
»Mein Großvater, Sir Lukari Bobon, wollte, dass ich unser Familienunternehmen weiterführe. Als ich stattdessen auf die Höhere Magierschule ging, war er tief enttäuscht und wechselt bis heute kein Wort mit mir. Aber ich glaube nicht, dass er in mir einen interessanten Gesprächspartner verloren hat.«
»Der Großvater unseres Lukfi Penz ist Meister der Begräbniszeremonien«, erklärte mir Kofa und zwinkerte unserem Archivleiter zu. »Sie haben eine gute Wahl getroffen. Es ist weit angenehmer, mit Buriwuchen als mit Toten umzugehen.«
»Danke, dass Sie mich an meine Pflicht erinnern. Die Vögel warten schon auf mich.«
Lukfi Penz stand auf, stolperte über seinen Lochimantel, kippte eine leere Tasse Kamra um und lächelte uns dann so nett wie verlegen an: »Vielen Dank für das Abendessen.«
Nach diesem kurzen, aber heftigen Auftritt verschwand unser Oberster Wissenshüter im Großen Archiv.
»Von welchem Abendessen hat er denn da geredet?«, fragte ich ungläubig. »Wir haben doch gefrühstückt.«
"Man könnte meinen, du hättest Sir Lukfi gerade erst kennen gelernt«, meinte Melamori kichernd.
Melifaro kehrte nach anderthalb Stunden zurück und strahlte wie ein frisch geprägter Taler.
»Alles läuft bestens«, rief er, kaum dass er mein Büro betrat. »Die Polizisten gehen stillvergnügt im Lochimantel auf dem Friedhof spazieren. Diesen seltsamen, aber ungemein beruhigenden Anblick solltet ihr euch nicht entgehen lassen. Ich kann euch nur raten, hinzufahren.«
»Das werden wir schon noch«, seufzte ich. »Ich fürchte, wir müssen den Friedhof noch mehrmals auf suchen.«
»Übertreib nicht so, Max. Und mach dir keine Sorgen, ehe etwas passiert ist«, sagte Kofa und sah gedankenverloren aus dem Fenster. »Übrigens kann ich dich heute nicht vertreten.«
»Ich werde es überleben. Schließlich faulenze ich nachts eigentlich immer nur in Juffins Büro herum.«
Sir Kofa strich durch die Stadt und vollführte dabei ungeheure Taten. Auf eigene Faust und eher zufällig gelang es ihm, einen bärtigen Taschendieb zu fassen, obwohl so etwas gar nicht ins Ressort des Kleinen Geheimen Suchtrupps fällt. Der arme Mann wurde General Bubuta Boch vorgeführt, und wir hörten eine Schimpfkanonade aus dem Verhörzimmer dringen. Diesmal leistete ich keinen Widerstand gegen diesen Umgang mit Festgenommenen. Langsam spürte ich sogar eine Art Sehnsucht nach Bubuta.
»Du siehst aus wie ein Provinzler, der sein Leben lang davon geträumt hat, Eki Balbalao live zu hören, und nun in diesen Genuss kommt.«
»Ich bin tatsächlich ein Provinzler, denn ich weiß nicht, wer dieser Eki ist.«
»Der beste Tenor des Vereinigten Königreichs!«, rief Melifaro und schüttelte schockiert den Kopf. »Ich bin zwar nicht der leidenschaftlichste Musikliebhaber, aber dass du so etwas nicht weißt, wundert mich doch. Was machst du eigentlich in deiner Freizeit, mein Freund?«
»Ich besuche Wirtshäuser und amüsiere mich im Gespräch mit Unbekannten«, meinte ich rasch und fügte hinzu: »Außerdem habe ich nicht viel Zeit - ich arbeite nämlich viel. Singt dieser Eki wirklich so hübsch?«
»Ich glaube schon«, antwortete Melifaro recht kleinlaut. »Ich kenne ihn leider auch nicht, da ich meine Freizeit sehr ähnlich verbringe wie du. Darum dringt die süße Stimme von Sir Balbalao nur selten an mein Ohr.«
»Wir sind also beide nur scheinbar kulturbeflissen«, seufzte ich.
Mein Freund brach unser Kunstgespräch ab, da er nach Hause wollte. Ich betrachtete den dunkelnden Himmel und dachte daran, wie schnell der Tag vergangen war. Mich erwartete eine lange, langweilige und einsame Nacht. Lukfi ging - wie stets - kurz nach Sonnenuntergang, und Melamori war schon Stunden zuvor verschwunden, ohne sich zu verabschieden.
Um Mitternacht, als ich es mir schon im Sessel bequem machen wollte, erreichte mich Techi per Stumme Rede.
»Max, das ist schlimm! Dein Freund, dieser Journalist Ande Pu, redet die ganze Zeit auf mich ein. Er ist betrunken wie immer und versucht ständig, meine Hände zu küssen. Weißt du, langsam ist meine Geduld erschöpft. Wer weiß - vielleicht werde ich seinetwegen noch im Cholomi-Gefängnis landen. Ich bin so sauer, dass ich ihn in Asche verwandeln könnte.«
»Ich finde sicher einen rettenden Paragrafen im Strafgesetzbuch für dich, Liebste. Versuch trotzdem, kühlen Kopf zu bewahren. Kannst du wirklich jeden in Asche verwandeln, oder habe ich mich da verhört?«
»Natürlich kann ich das. Warum fragst du?«
»Ich suche jemanden mit dieser Fähigkeit. Weißt du, gestern und heute sind auf einem Friedhof ganze Horden von Zombies aufgetaucht, und wir müssen sie immer aufs Neue töten. Unser Spezialist für das Verkohlen von Angreifern hält sich leider mit Sir Juffin im Cholomi-Gefängnis auf.«
»Na ja, was Untote angeht, kann ich dir auch nicht helfen«, gab Techi zu. »Solche Wesen bekommt man nicht mal mit dem Weißen Feuer klein.«
»Mit dem Weißen Feuer?«, fragte ich erstaunt.
»Dem einfachsten und schnellsten Weg, jemanden in Asche zu verwandeln. Dieses Feuer verlangt allerdings weiße Magie 137. Grades und ist einer der Lieblingstricks meines Vaters«, erklärte Techi rasch. »Vielleicht sollte ich diesen lallenden Säufer ins Haus an der Brücke schicken. Was hältst du davon?«