»Vielleicht sollten wir Maba Kaloch um Hilfe fragen.«
»Du kennst ihn doch - er ist seltsam und würde auch Sir Juffin nur ungern helfen, obwohl die beiden befreundet sind. Aber probier es ruhig. Schaden kann es nicht, und vielleicht hat Sir Maba ja gute Laune.«
Ich meldete mich per Stumme Rede bei dem mächtigen Magier.
»Nicht so hastig, Max. Dein Problem ist eigentlich gar keins«, sagte er zu mir. »In ein paar Tagen kannst du dich davon überzeugen.«
»Wenn ich mich nicht beeile, spazieren die Zombies bald durch Echo«, meinte ich etwas gereizt. »Dieser Anblick wäre für die Einwohner unserer Hauptstadt sicher nicht angenehm.«
»Du redest schon wie Juffin«, rief Sir Maba erfreut. »Ihr liebt die Einwohner von Echo so sehr, dass schon die kleinste Irritation bei euch einen nervösen Tick bewirkt. Und wenn du überhastet reagieren willst, mach das ruhig. Wer bin ich denn, dir das Recht auf Fehler zu verbieten?«
Alsdann schwieg der unbegreifliche Mann hartnäckig. Das passte gut zu ihm. Meine früheren Erfahrungen hatten sich einmal mehr bestätigt.
»Du bist ein Hellseher, Kofa«, seufzte ich bitter. »Der großartige Maba hat mir geraten, nicht überhastet vorzugehen, da unser Problem sich demnächst von allein löse.«
»Maba Kaloch spricht immer in Rätseln«, meinte Kofa kopfschüttelnd. »Er drückt sich notorisch unverständlich aus, aber diesmal hat er sich selbst übertroffen. Ich wüsste nur gern, was er gemeint hat.«
»Vielleicht wollte er uns sagen, dass wir die Zombies gar nicht umbringen müssen«, dachte ich laut. »Wir sollten sie vielleicht durch Echo gehen lassen.«
»Ich glaube kaum, dass wir uns so ein Experiment erlauben dürfen«, sagte Kofa finster. »Außerdem klingt Mabas Rat, nicht so zu hasten, angesichts unserer Lage etwas verharmlosend.«
Wir kehrten ins Haus an der Brücke zurück, warteten, bis Melamori erschien, setzten sie auf den Platz von Sir Juffin, übertrugen ihr die Verantwortung für alles Mögliche und gingen nach Hause. Allem Anschein nach konnten Sir Kofa und ich uns nun ein wenig entspannen.
Bei Sonnenuntergang wurde ich erneut per Stumme Rede alarmiert. Diesmal leistete Melifaro uns beim Besuch des Friedhofs Gesellschaft. Die Zombies kamen uns allmählich wie gute Bekannte vor. Der tägliche Kampf wurde für uns langsam zu einer lästigen Routine, und mich überkam ein metaphysisches Entsetzen.
»Leute, ich hab eine Idee«, meinte ich. »Vielleicht sollten wir einfach mal mit diesen Gestalten reden. Warum haben wir das eigentlich noch nicht probiert?«
Melifaro lächelte nur geringschätzig, und Sir Kofa sagte achselzuckend: »Wenn du unbedingt willst, probier es aus.«
Ich kam auf die unermüdlich auferstehende Zombiegruppe zu und suchte nach dem Mann mit dem Ohrring. »Warum seid ihr so hartnäckig?«, fragte ich. »Warum tut ihr uns das immer wieder an? Was wollt ihr? Wie können wir euch helfen?«
Der Ohrringträger sah durch mich hindurch, und auch die anderen reagierten nicht auf meinen Gesprächsversuch.
Einer der Untoten öffnete den Mund, sah in meine Richtung und artikulierte etwas Unverständliches.
Ich konnte nicht umhin, sarkastisch festzustellen: »Vielen Dank für eure Mitarbeit.«
»Die erste Gesprächsrunde darfst du damit wohl als beendet ansehen«, meinte Melifaro bissig. »Und jetzt lass uns wieder an die Arbeit gehen.«
Gesagt, getan. Nach ein paar Minuten waren die Zombies erneut verschwunden - ein schöner Anblick.
Ich werde das Gefühl nicht los, für eine Sendung a la Versteckte Kamera gefilmt zu werden, dachte ich verärgert, während ich meine Kollegen aufs rechte Flussufer chauffierte. Vielleicht sollte man diese Wesen mit Weihwasser bekämpfen, überlegte ich verzweifelt.
Dieser Gedanke gefiel mir so, dass ich fast gegen einen prächtigen Wacharibaum geprallt wäre, der majestätisch am Straßenrand wuchs, und entwickelte sich rasch zur fixen Idee.
»Geht nach Hause und erholt euch«, sagte ich zu Kofa und Melifaro. »Heute schiebe ich allein Nachtdienst. Ich muss ja auch mal zu etwas nutze sein.«
»Ich will mich nicht erholen. Ich bin überhaupt nicht in Stimmung dazu«, meinte Melifaro müde.
»Gut, dann bleib hier. Ich kann dir ja etwas Leckeres aus dem Fressfass kommen lassen. Und du, Kofa - was ist mit dir?«
»Ich besuche ein paar Gasthäuser und finde heraus, welche Gerüchte in der Stadt umlaufen. Die Zombies sind zwar wichtig, aber das Leben geht weiter.«
»Tja«, seufzte ich. »Ohne dich ist es sicher nicht mehr so lustig, aber gegen dienstliche Verpflichtungen kann man nichts machen.«
Sir Kofa fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Sein neues Antlitz blieb ein paar Sekunden reglos. Dann zog er seine diesmal roten Brauen hoch.
»Lasst es euch schmecken, Jungs. Und weint mir bitte keine Träne nach.«
»Wir werden uns alle Mühe geben, aber wahrscheinlich wird uns doch die Rührung übermannen«, meinte Melifaro und lächelte schwach. In diesem Moment hatte ich erneut eine Erleuchtung.
»Skulpturen«, sagte ich gedankenverloren. »Woraus macht man die in Echo eigentlich?«
»Kommt drauf an«, sagte Kofa achselzuckend. »Aber ich muss gestehen: Ich hab mich schon für vieles interessiert, für die Schönen Künste allerdings noch nie.«
»Hast du vor, dir ein Denkmal zu errichten?«, frotzelte Melifaro. »Dazu ist es wirklich höchste Zeit.«
»Ja, meine Herren«, sagte ich entschieden. »Kofa, dein Wirtshaus kann warten. Wir müssen etwas besprechen. Kommt.«
»Wie ich es sehe, sind wir nicht verpflichtet, die Gäste aus dem Jenseits zu vernichten«, sagte ich im Gehen. »Wir müssen allerdings darauf achten, dass sie sich nicht in der Stadt aufhalten, sondern auf dem Friedhof bleiben. Hab ich Recht?«
»Natürlich«, sagte Kofa ungerührt. »Ich dachte, das wäre dir auch ohne meine Anwesenheit klar.«
»Jetzt warte doch ab«, schnauzte ich ihn ungeduldig an. »Das war erst der Anfang. Hört mir bitte genau zu: Wir könnten unsere aufdringlichen Gäste in eine Skulptur verwandeln, indem wir sie mit Metall übergießen oder sie mit einem anderen Material überziehen. Bei der Wahl des Werkstoffs können uns sicher Bildhauer helfen. Und dann warten wir, bis Sir Schürf zurück ist.«
»Genial!«, rief Melifaro und kicherte laut. »Warum lassen wir das großartige Kunstwerk nicht einfach stehen? Es ist sicher eine Zier des linken Flussufers. Und wer weiß - vielleicht können wir es mal versteigern.«
»Sachte, mein hitzköpfiger Freund«, bat ich. »Erst mal würde ich gern mit einem vernünftigen Menschen darüber reden. Was meinst du, Kofa - ist mein Plan realisierbar? «
»Dein Vorschlag klingt zwar verrückt, aber man sollte auf alle Fälle versuchen, so eine Skulptur zu schaffen.«
Die nächsten Stunden fühlte ich mich, als wäre ich im Haus an der Brücke so richtig der Chef. Meine Kollegen zogen durch Echo, suchten nach interessierten Künstlern und schleppten sogar Lukfi Penz mit, dessen Wirkungskreis sich normalerweise auf das Große Archiv beschränkte. Ich faulenzte währenddessen im Büro, denn Sir Kofa hatte erklärt, mein Todesmantel werde es gewiss erschweren, freundschaftliche Kontakte zu den Bildhauern von Echo aufzubauen.
Immerhin fand sich auch für mich eine Aufgabe. Melamori ließ Leleo - ihr spinnenartiges Geschenk aus Arwaroch - in meiner Obhut, denn auch der Anblick dieses Wesens hätte den Erfolg der Mission beeinträchtigen können. Die ersten zwei Stunden war Leleo traurig und weigerte sich, von mir Brotkrümel zu nehmen, doch langsam gewann ich seine Gunst, und irgendwann schnurrte er freundlich. Dieser kleine Erfolg stimmte mich froh.
Langsam kehrte auch die Idee, im Kampf gegen die Zombies Weihwasser einzusetzen, wieder in mein Bewusstsein zurück. Allerdings ist es schwer, in Echo an Weihrauch zu kommen, da es hier weder Kirchen noch religiöse Überzeugungen gibt.
»Wenn die Idee mit den Skulpturen scheitert, könnte ich es ja mit der Ritze zwischen den Welten versuchen«, überlegte ich halblaut. »Oder vielleicht schaue ich mal kurz bei mir zu Hause vorbei. Dort haben sich schließlich etliche religiöse Gegenstände angesammelt. Wozu habe ich den Trick mit der Ritze zwischen den Welten schließlich gelernt? Immerhin habe ich ein ganzes Jahr gebraucht, um ihn sicher zu beherrschen, und all die Mühe muss doch zu etwas gut gewesen sein.«