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Über eine halbe Stunde versuchte ich erfolglos, Kontakt zu Sir Maba herzustellen. Ich erreichte nur, dass ich völlig durchgeschwitzt war.

Ich gab enttäuscht auf und goss mir seufzend einen Kaffee ein. Er schmeckte mal wieder herrlich. Kaffee war das einzige Getränk, das ich im Vereinigten Königreich vermisste. Machi Ainti, dem ehemaligen Sheriff aus Kettari, hatte ich es zu verdanken, dass ich auch in Echo einige Zeit lang hatte Kaffee trinken können. Seiner Meinung nach schmeckte das Gebräu zwar grässlich, und er fragte ständig, ob es nicht lebensgefährlich sei, aber er hatte mir ein paar Mal Nachschub besorgt. Jetzt war mir klar, dass er der Einzige war, auf dessen Hilfe in Fragen des Weltenwechsels ich immer zählen konnte.

Machi war seltsam, und ich konnte ihn nicht richtig einschätzen, hatte aber keinen Zweifel daran, dass dieser ältere Mann mit rotem Schnauzbart mir stets zu Hilfe kommen würde - egal, wo ich mich aufhalten mochte. Man musste nur auf seine Stimmung achten und ihn tunlichst meiden, wenn er schlechte Laune hatte.

Ich stellte die Tasse ab und musterte mein Spiegelbild in der Mattscheibe des Fernsehers. In meinen Augen brannte ein kaltes Feuer, vor dem ich erschrak. Das fand ich gar nicht schlecht, denn ein Mensch mit dem üblichen trüben Blick schafft es nicht, Verbindungen in andere Welten herzustellen.

Ich meldete mich per Stumme Rede bei Machi Ainti und spürte gleich eine große Last, als wäre ich Atlas und trüge die Welt auf meinen Schultern. Das machte mir nicht viel aus, im Gegenteil, denn als ich mich in Kettari bemüht hatte, eine Verbindung zum Vereinigten Königreich herzustellen, hatte ich ein ähnlich lastendes Gefühl empfunden. Und das vergisst man nicht so leicht.

»Fühlst du dich überfordert?«, fragte Machi, und in seiner Stimme lag Mitleid. »Da kann man nichts machen, Max. Du hast ziemlich viel erreicht!«

»Ich muss Ihnen doch wohl nicht alles erzählen?«, begann ich.

•»Natürlich nicht. Ich merke doch, dass deine Heimat dich wieder in Beschlag genommen hat. Mach dir keine Gedanken über deinen Gesundheitszustand. Weißt du, in deiner alten Welt gibt es viele Leute, für die du ein wichtiger Teil ihres Lebens bist. Sie rechnen jede Sekunde damit, dass du auftauchst oder dass sie dich per Telefon erreichen. Und deine Landsleute wissen nicht, welche Macht sie durch ihre Gedanken auf dich ausüben. Aber lassen wir das. Glaub mir, es ist nicht weiter kompliziert, nach Echo zurückzukehren. Du wirst es schon schaffen -auch wenn es nicht leicht wird. Aber denk bitte daran, dass deine Herkunftswelt dich immer wieder rufen wird, solange du sie nicht davon überzeugst, dass es dich nicht mehr gibt. Verstehst du, was ich meine?«

»Eigentlich nicht«, antwortete ich ehrlich. »Machi, es ist wirklich anstrengend für mich, mit Ihnen zu reden. Können Sie mir nicht einfach sagen, was ich tun soll?«

»Das hab ich doch schon. Du musst die Leute in deiner Heimat davon überzeugen, dass du nicht mehr existierst. Am besten alle, die du kennst. Und was die Straßenbahn anlangt, liegst du ganz richtig. Aber achte auf den Fahrer.«

»Ach so. Sir Maba hat diesen Mann immer Doperst genannt und mir etwas über ihn erklärt, aber ich habe vergessen, was.«

»Ich kann mir gut vorstellen, was Maba dir erklärt hat. Aber das spielt keine Rolle. Hauptsache, du hast vor dem Kerl keine Angst. Es fällt dir sicher leicht, ihn zu überlisten. Doch sei bitte vorsichtig. Doperste sind bekanntlich die gefährlichsten Wesen überhaupt.«

Seine letzten Worte hallten aus großer Entfernung zu mir herüber. Meine Last wurde mir langsam unerträglich. Ich staunte, von unserem Gespräch überhaupt etwas mitbekommen zu haben. Der Einsatz der Stummen Rede unter Umständen wie diesen gehört bekanntlich nicht zu meinen Stärken.

»Danke«, sagte ich. Das war das Letzte, was ich meinem Freund ausrichten konnte. Ich dachte mir, später könnte ich immer noch ausführlicher werden.

»Gern geschehen. Und keine Sorge - du schaffst das schon. Aber vergiss nicht, dass Was Machi noch hatte sagen wollen, blieb mir verborgen. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich wieder in meiner alten Küche war. Während des Gesprächs mit Machi hingegen schien ich in einem Zwischenreich gewesen und dort klatschnass geworden zu sein.

Ich ging ins Badezimmer, nahm eine Dusche und warf meine Sachen gleichgültig in den Wäschekorb. Auch wenn der alte Sheriff aus Kettari nicht der leichteste Gesprächspartner war, hatte unsere Unterhaltung mir doch einen Stein vom Herzen fallen lassen. Wenn er sagte, mein hiesiges Abenteuer werde gut enden, dann stimmte das sicher.

Ich fühlte mich wie ein Mensch, der gerade ein Flugticket gekauft hat und dem eine Reise ins Paradies bevorsteht, von der er kurz zuvor noch nicht einmal zu träumen gewagt hat. Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich allmählich auf den Rückweg machen musste.

Natürlich brauchte ich für diese Reise keine Koffer. Und Souvenirs würde ich auch keine einpacken! Hoffentlich würde mich dieser Ausflug nicht in meinen Alpträumen verfolgen. Ich hatte nicht mal den Wunsch, Kaffee mitzunehmen. Schließlich hatte ich mich an Kamra gewöhnt.

Aber es gab etwas, das ich unbedingt in meine neue Heimat mitnehmen wollte. Ich dachte dabei weniger an mich als an Sir Juffin und meine Kollegen. Ich hatte ihnen schon lange einen guten Film zeigen wollen und konnte mir das überraschte Gesicht meines Chefs lebhaft vorstellen, wenn ihm der MGM-Löwe röhrend entgegenbrüllte.

In meiner alten Heimat gab es viele Videotheken, Fernsehgeräte und angenehm dünne DVDs. Zudem konnte ich zwischen Daumenballen und Zeigefinger meiner linken Hand alles Mögliche transportieren - sogar die Freiheitsstatue.

Ich stellte mir vor, diverse Videotheken auszuräumen, doch eigentlich brauchte ich das nicht, denn es gab einen Ort, an dem sich eine anständige Filmsammlung befand, als deren Miteigentümer ich mich fühlte. Diese Sammlung war etwa ein Jahr vor meiner Reise nach Echo verschwunden - mit meiner Exfreundin.

Ich trank den letzten Kaffee, rauchte noch eine Zigarette und versank in Gedanken. Unsere Trennung war für mich eine ziemlich schlimme Geschichte, wie sie unter Menschen leider gang und gäbe ist. Inzwischen kam mir die damalige Katastrophe recht lächerlich vor - auch weil mir seither viel schlimmere Dinge widerfahren waren. Und ich war begeistert von der Aussicht, für Gerechtigkeit sorgen zu können.

Ich sah erst auf die Uhr, dann in meinen Kalender. Es war Samstagabend, kurz vor sechs - genau der passende Moment! Um diese Zeit saß Julia für gewöhnlich zu Hause und lernte Französisch. Später würde sie Weggehen, aber sicher nicht vor acht. Es hatte eine Zeit gegeben, da mir ihr Tagesablauf in Fleisch und Blut übergegangen war. Das Finale unserer Geschichte aber war sehr schlimm gewesen.

Am Anfang unserer Affäre hatte ich meinen Augen nicht trauen wollen. Lebten wirklich so fantastische Frauen auf unserem Planeten? Julia verstand all meine Scherze - sogar die gewagtesten - sofort. Deshalb lachten wir am Anfang wie die Verrückten. Damals hatte sie wunderbar gestrahlt, wenn sie mir die Tür öffnete, und war stinksauer gewesen, wenn ich mal für ein paar Tage verschwunden war. Obendrein hatte sie ein bezauberndes Gesicht, kluge Augen und einen starken Charakter.

Alles lief wunderbar, und ich glaubte, mein Leben sei ein Traum. Ich begann sogar vorsichtig zu hoffen, wir könnten die traurige menschliche Existenz in ein Wunderwerk verwandeln. Langsam kam ich wirklich zu der Überzeugung, das sei möglich.

Plötzlich aber sagte meine Freundin aus heiterem Himmel, es sei zwar sehr nett mit mir, aber ... So erfuhr ich, sie sei an den Punkt gekommen, sich einen anständigen Ehemann zu wünschen. Eine offene Liebesbeziehung sei wunderbar, aber nun müsse sie allmählich an Kinder und Familie denken. Wir könnten uns gern weiter treffen, allerdings viel seltener als bisher, denn sie müsse ihr Eheglück ins Visier nehmen.