»Hat es Ihnen bei mir gefallen?«, fragte er gereizt.
»Und wie.«
»Dann kommen Sie ruhig öfter«, murmelte er und öffnete uns dabei die schwere Tür, als wollte er uns rauswerfen.
»Kofa«, seufzte ich müde zum Abschied, »du bist ein echter Wohltäter. Was kann ich dir als Gegenleistung bieten?«
»Befolge nächstes Mal meinen Rat und bestelle hier Kushi auf kumanische Art - das ist mir Lohn genug. Ich bin etwas verärgert darüber, dass du das heute nicht getan hast.«
In der Morgendämmerung kehrte ich ins Haus an der Brücke zurück und schlüpfte möglichst leise in meinen Todesmantel, um Kurusch nicht zu wecken. Durchs Fenster sah ich es langsam hell werden und fragte mich, warum ich mich überhaupt noch umgezogen hatte. Aber vielleicht würde ich unterwegs ja den letzten Nachtschwärmer treffen. Ein bisschen Spaß hatte ich schließlich verdient.
Ich beschloss, auf Techi zu hören und bei mir zu übernachten. Natürlich hatte ich dabei einen Hintergedanken: Ich wollte wissen, ob meine Süße mich vermisste oder Gefallen daran fand, allein zu sein. Ich hätte meine Seele darauf wetten können, dass man mich demnächst unter einem nichtigen Vorwand ins Haus an der Brücke riefe. Und Techi würde mir sicher bald erklären, sie habe sich daran gewöhnt, morgens über meine Schuhe zu stolpern, und wolle darauf nicht mehr verzichten.
Unterwegs kam mir der Gedanke, mein Haus in der Straße der gelben Steine wäre der ideale Ort für einen Horrorfilm, weil es dort still, leer und dunkel war. Selbst meine Katzen waren schon zu Techi umgezogen. Anders als ich fütterte meine Freundin die Tiere regelmäßig. Zudem hatte ich den Eindruck, dass Armstrong und Ella sich immer in dem nach ihnen benannten Wirtshaus aufhalten sollten. Das war auch die beste Werbung für das Lokal, denn inzwischen konnte man bei Techi abends keinen freien Tisch mehr finden. Es kamen immer wieder Schaulustige, um die seltsamen Katzen des nicht minder seltsamen Sir Max zu sehen. Ich nehme an, sie spekulierten vor allem darauf, mich anzutreffen. Durch meine Funktion nahm ich bei den Bewohnern von Echo einen Platz ein, der in meiner alten Heimat Politikern oder Schauspielern Vorbehalten war. Sie suchten keinen Kontakt zu mir, fanden es aber reizvoll, Freunden und Bekannten erzählen zu können, sie hätten mich dort gesehen. Dadurch florierte das Geschäft meiner Freundin, und selbst ich war mal zu etwas nutze.
Während ich über Werbetricks und meinen Status als halber Popstar nachdachte, betrat ich mein Haus, wischte Staub von den leeren Regalen, öffnete die Fenster und legte mich zufrieden schlafen.
Gegen Mittag weckte mich furchtbarer Lärm. Im Halbschlaf ging ich die Treppe runter und überlegte mir, was ich mit dem Gift machen sollte, das sich in meinem Gaumen gesammelt hatte. Sollte ich die Übeltäter anspucken oder ihnen besser einen Kugelblitz verpassen? Am besten wäre es vielleicht, mich zu beherrschen, in Ruhe zu frühstücken und zu schauen, wie es weiterging.
Im Wohnzimmer allerdings war nichts Besonderes passiert. Nur Techi saß auf dem Boden und sah empört auf meinen Sessel. Was dieses Möbelstück angeht: Wenn es reden könnte, hätte es sicher darüber geschimpft, so verlottert zu sein. Aber den Magistern sei Dank: Es blieb still.
»Max, du hast wahnsinnig eifersüchtige Möbel. Dieser Sessel hat mich umbringen wollen«, sagte Techi anklagend.
»Wieso das denn?«, fragte ich verwirrt.
»Ich hab bei dir vorbeigeschaut, um dir Guten Tag zu sagen, und gemerkt, dass ich etwas früh dran war. Ich weiß doch, dass du jeden knallhart abweist, der vormittags bei dir klingelt. Also hab ich mich entschieden, dich noch eine Stunde schlafen zu lassen, bin in dein Wohnzimmer gegangen, hab mir ein paar Zeitschriften gesucht und mich in den schrecklichen Sessel gesetzt. Er hat sehr seltsam reagiert. Der ist bestimmt verzaubert.«
Du hast Recht, und ich hab meine Ruhe, dachte ich bei diesem Gerede nur. Zu so brutaler Morgenstunde sind meine Geisteskräfte noch unterentwickelt.
»Das hast du davon, mich in meine Wohnung geschickt zu haben«, meinte ich dann. »So bist du gezwungen, hierherzukommen und dein Leben zu riskieren.«
»Ich wollte schon längst auf deine Kosten frühstücken«, erklärte Techi. »Und jetzt hab ich einen wunderbaren Grund dazu. Weißt du, was in der neuesten Ausgabe der Königlichen Stimme steht? Das wird dich interessieren.«
»Was steht denn da?«, fragte ich desinteressiert.
»Deine Untertanen proben den Aufstand.«
»Gegen wen?«, fragte ich baff.
»Ach, das sind interne Konflikte - Auseinandersetzungen innerhalb des Stamms. Ein Teil deines Volkes meint, man solle dich auch gegen deinen Willen zum König krönen. Die anderen bestehen darauf, dein Wunsch habe Gesetzeskraft.«
»Das finde ich auch«, sagte ich lächelnd. »Wenn alle Welt das doch so sehen würde!«
»Ach ja?«, meinte Techi und zog amüsiert eine Braue hoch. »Das kann ich mir vorstellen. Wie auch immer: Deine Untertanen kämpfen gegeneinander. Ist dir das wirklich egal?«
»Eigentlich ja«, seufzte ich. »Und würden sie keinen Gefallen daran finden, hätten sie sicher längst damit aufgehört. Wichtig ist, dass Seine Majestät König Gurig nicht auf die Idee kommt, ich solle dorthin reisen und Ordnung schaffen. Ich habe bessere Pläne für meine Zukunft.«
»Welche denn?«, fragte Techi kokett.
»Ach, nichts Besonderes. Gestern Abend hat mir Sir Kofa ein bezauberndes Plätzchen gezeigt, und jetzt möchte ich es auch in deiner Gesellschaft besuchen.«
»In meiner Gesellschaft? Aber ...«
»Es gibt kein Aber«, sagte ich streng. »Meine Wünsche sind Gesetz. Willst du etwa einen Konflikt herauf -beschwören?«
»Lieber nicht. Doch ich habe ein eigenes Wirtshaus, das abends geöffnet sein sollte. Wer wird mich dort vertreten? Deine Katzen etwa?«
»Bist du noch nie auf die Idee gekommen, dein Lokal einen Tag pro Woche geschlossen zu halten?«
»Eigentlich nicht. Soll ich das ausprobieren? Aber das ginge frühestens morgen. Schließlich müssen meine Kunden Bescheid wissen.«
»Na gut, morgen klingt besser als nächstes Jahr«, sagte ich gnädig. »Hoffentlich kommt Sir Juffin nicht auf geniale Ideen, was meine Person anlangt. Dagegen nämlich bin selbst ich machtlos.«
»Na schön, um den morgigen Tag mache ich mir jetzt noch keine Sorgen. Willst du mir nicht etwas zu essen anbieten?«, fragte Techi. »Schließlich hätte ich meinen Besuch bei dir fast mit dem Leben bezahlt.«
Ich bemühte mich also, weder meine Erwartungen noch die meiner Freundin zu enttäuschen. Das war nicht leicht, doch ich schaffte es.
Um auch die Ansprüche meines Chefs zu erfüllen, tauchte ich kurz nach Sonnenuntergang im Haus an der Brücke auf. Eigentlich hatte ich kaum Verspätung -höchstens anderthalb Stunden.
»Seid Ihr beschäftigt, Majestät?«, fragte mich Sir Juffin spöttisch. »Grübelt Ihr womöglich über das traurige Schicksal Eures armen Volkes nach?«
Natürlich las auch mein Chef Zeitung.
»Mein Herz blutet«, rief ich wie ein erfahrener Demagoge. »Mein kleines Volk hat den letzten Rest seines gesunden Menschenverstands verloren«, seufzte ich und warf mich theatralisch in meinen Sessel. Endlich konnte ich leidenschaftlich Trübsal blasen. »Ich mache mir Sorgen und verteidige meine Freiheit. Und was meinen Sie,
Juffin? Was könnte passieren, wenn die Anhänger der Monarchie gewinnen? Könnten mich diese netten Leute gegen meinen Willen zum König erklären? Werden sie meinetwegen in Echo einmarschieren? Oder schicken sie mir einen Killer und stopfen meine Leiche wie eine Trophäe aus? Oder haben sie womöglich vor, mich erneut zu entführen?«
»Warum so nervös, Max?«, fragte Juffin verständnislos. »Das ist doch eine lustige Geschichte, findest du nicht?«
»Meistens bin ich Ihrer Meinung, aber nicht immer. Ich fürchte schon den ganzen Tag, Sie und der König könnten mich in die Leeren Länder schicken, um diese armen Menschen zu versöhnen.«