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Sie hatten sich in meiner Abwesenheit offenbar befreundet - und das, obwohl Lady Melamori zu einem Clan gehörte, der seit Jahrhunderten dem Orden des Siebenzackigen Blattes verbunden war, während Lady Techis Vater der alte Hauptfeind dieser Organisation und obendrein Großer Magister des Ordens der Wasserkrähe war. Es ist wie weiland in Verona mit den verfeindeten Geschlechtern der Montague und Capulet, dachte ich.

Als Melamori meinen erstaunten Blick bemerkte, schüttelte sie den Kopf und sagte: »Wir sind schon lange befreundet, Max. Ich bin schon ein paar Mal bei Sonnenuntergang eilig aus dem Haus an der Brücke verschwunden und habe dich deinen Dienst allein antreten lassen. Was meinst du, warum?«

»Und warum ist mir das nicht aufgefallen?«, fragte ich baff.

»Das hat uns auch gewundert«, meinte Techi lächelnd. »Und wir waren gespannt, wie lange du brauchen würdest, bis du etwas merkst.«

»Tja, das dauert mitunter lange. Schließlich bin ich ein Tagträumer«, räumte ich ein.

»Ich hätte nie gedacht, dass du deine Schwächen so offen zugeben würdest«, sagte Schürf mit professoralem Orgelton.

Melifaro musste daraufhin so lachen, dass er sich kaum auf seinem Hocker halten konnte. Ich brauchte ihn nur am Hosenbein zu zupfen, und er fiel um. Schimpfend erhob er sich und setzte sich neben den unerschütterlichen Lonely-Lokley.

»Vielen Dank, mein Freund. Du bist der Einzige, der ab und an ein Lob für mich hat«, sagte ich zu meinem Kollegen im schneeweißen Lochimantel.

»Von mir bekommst du Kamra - das ist auch nicht zu verachten«, gab Techi zu bedenken und schob mir eine dampfende Tasse hin.

»Leute«, begann ich und fasste alle ins Auge, »wenn ich für euch sterben müsste, würde ich es bedenkenlos tun ...«

Erst gegen Morgen fand ich etwas Schlaf, doch schon mittags weckte mich Sir Juffin per Stumme Rede.

»Komm sofort zu mir«, befahl mein Chef. »Such mich aber nicht im Haus an der Brücke.«

»Für wen halten Sie mich? Sie sind natürlich in der Straße der alten Münzen - wo sonst?«

»Sehr scharfsinnig, Max! Warum bist du so gereizt? Hast du nicht genug geschlafen?«

»Wenn man mit den Kollegen feiert, ist es kaum möglich, genug Schlaf zu bekommen«, sagte ich gähnend und machte mich auf die Suche nach meinem Kachar-Balsam. »Gut, in einer Stunde bin ich bei Ihnen.«

»In dreißig Minuten, Max - verstanden? Ich weiß doch, wie schnell du fahren kannst, wenn du nur willst.«

Ich stöhnte verärgert und rappelte mich auf. Selbst im Römischen Kaiserreich hatte es Tyrannen vom Format eines Sir Juffin nur selten gegeben. Vielleicht hatte er sich ja meine Caligula-DVD angesehen und sich von diesem als wahnsinnig und sadistisch geltenden Kaiser etwas abgeguckt.

Im nächsten Moment kam Techi ins Schlafzimmer. Sie brachte mir Kamra, und zwar in meiner Lieblingstasse.

»Womit habe ich das verdient?«, fragte ich begeistert.

»Sir Juffin hat sich per Stumme Rede gemeldet und mich vorgewarnt.«

»Weißt du was? Mach dein Lokal doch zu und begleite mich in die Straße der alten Münzen!«

»Warum nicht? Schließlich hast du selber gesagt, um diese Zeit trinken anständige Menschen noch nichts.«

»Habt ihr beschlossen, überall zu zweit auf zu tauchen?«, begrüßte uns Sir Juffin und lächelte listig.

Allem Anschein nach hatte er in der Nacht kein Auge zugetan. Neben ihm döste Sir Kofa. Auf dem Bildschirm war das Gesicht von Agent Cooper zu sehen, der meinen Chef gerade nach Twin Peaks entführte.

»Was ist das, Max?«, fragte Techi und klammerte sich ängstlich an meinen Ellbogen.

»Das ist ein großes Wunder, das ganz ohne verbotene Magie auskommt«, sagte ich lächelnd.

»Da wäre ich mir nicht so sicher«, mischte Juffin sich ein. »Der Zeiger meiner Pfeife schlägt nämlich ab und zu aus. Aber sprechen wir über etwas anderes. Ich habe dich gerufen, Max, weil du mich neulich so bravourös vertreten hast.«

»Jetzt, da der Kleine Geheime Suchtrupp vollzählig im Anmarsch ist, kann ich wirklich zeigen, was ich kann. Ich möchte aber, dass auch Techi einen Platz vor dem Fernseher bekommt.«

»Das kriegen wir schon hin«, sagte Juffin. »Aber jetzt überzeuge dich bitte davon, dass der Orden der Langen Reise unsere Stadt wirklich ordnungsgemäß verlässt.«

»Bis heute Abend, Liebste«, verabschiedete ich mich von Techi. Dann wandte ich mich an Sir Kofa: »Apropos Abend - kannst du mich nachher ein paar Stunden vertreten?«

»Kein Problem.«

Die nächsten vierzehn Tage verliefen nach dem immer gleichen Muster: Sir Juffin setzte seinen Fuß nie ins Haus an der Brücke, und auch meine übrigen Kollegen wechselten sich in der Straße der alten Münzen vor dem Fernseher ab. Nur Lonely-Lokley verhielt sich anders, da sein Pflichtgefühl es ihm nicht erlaubte, sich dem Vergnügen zu überlassen. Außerdem wusste er, dass nur Maßhalten einen Genuss über längere Zeit zu erhalten vermochte.

Erstaunlicherweise beschloss sogar Techi, sich in ihrem Lokal von ihrer Nachbarin vertreten zu lassen. Als ich sie früher mal darum gebeten hatte, war sie kategorisch davon überzeugt gewesen, niemand könne sie als Wirtin ersetzen.

Nach zwei Wochen kehrte das Leben allmählich in seine alten Bahnen zurück. Man konnte natürlich noch immer jemanden in meinem alten Schlafzimmer antreffen - mitunter sogar Lonely-Lokley, der einen Plan erstellt hatte, um im Lauf der Zeit alle Filme zu sehen, die ich aus meiner alten Heimat angeschleppt hatte. Sir Schürf gönnte sich allerdings nur jeden dritten Tag einen Film, und die Kollegen waren von seinem eisernen Willen schwer beeindruckt.

Schließlich kehrte die Arbeitsmoral unseres Suchtrupps zurück, und Sir Juffin belohnte mein cineastisches Engagement mit drei sorgenfreien Tagen, die ich mit Techi verbringen wollte, doch meine liebe Freundin war viel mehr an dem Geschehen auf der Mattscheibe als an mir interessiert.

Drei Tage später erwachte ich bei Sonnenuntergang und ging hinunter ins Lokal, um die Gäste des Armstrong und Ella mit meiner finsteren Miene zu erschrecken.

Dort erwartete mich nicht nur eine Überraschung, sondern gleich zwei. Erstens sah ich Techi, die ich - wie üblich - vor dem Fernseher vermutet hatte, hinter der Theke stehen, und zweitens saß Sir Juffin am Tresen. Er war der einzige Gast. Offenbar wollte kein Normalsterblicher mit dem Leiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps im gleichen Lokal sitzen.

»Erzählen Sie mir bitte nicht, dass Sie sich nach mir gesehnt haben!«, rief ich schon von der Türschwelle. »Es ist etwas passiert, oder?«

»Nur eine Kleinigkeit«, sagte mein Chef achselzuckend.

Techi warf mir einen verschwörerischen Blick zu und schob meinem Chef ein paar Schnapsgläser mit verschiedenfarbigen Getränken hin. Juffin nickte zufrieden und goss sie in einen Krug, machte mit der Rechten einige beschwörende Gesten, bis die Flüssigkeit mit roter Flamme brannte, und verschluckte sie dann. Aus seinen Ohren drang Dampf, und sein Turban vibrierte wie ein Topfdeckel beim Kochen.

»Das ist ein hübscher Effekt, was?«, fragte er stolz.

»Sie haben offenbar zu viele Filme gesehen«, meinte ich lächelnd.

»Ich halte sie für sehr realistisch. Wenn ich Menschen in Raumschiffen durchs All flitzen sehe, denke ich mir allerdings, sie könnten viel bequemer die Ritze zwischen den Welten nehmen - die kennt hier schließlich jeder. Und gestern hab ich mir eine tragische Liebesgeschichte angesehen. Der Mann war zuerst eine Art Polizist, aber genau habe ich das nicht verstanden. Danach hat er sich eine Nachtarbeit gesucht und irgendwann seine alte Liebe getroffen, doch ich habe absolut nicht begriffen, warum die beiden einander so gequält haben. Erstaunlicherweise sahen sie dabei aber sehr zufrieden aus. Am Ende war ich gar nicht überrascht, dass sie erschossen wurden. Ihr Leben roch irgendwie nach verbotener Magie.«

Angesichts dieser Zusammenfassung von Der Nachtportier konnte ich mich vor Lachen kaum mehr beherrschen.