»Tja, jetzt habe ich Sir Rogro als Nachbar«, meinte ich, betrachtete die Fassade der alten Bibliothek und musste lächeln. Die Hauswand war so dicht bewachsen, dass die Fenster kaum zu erkennen waren.
»Der Bau passt gut zu deinem unrasierten Gesicht meinte Juffin. »Gefällt er dir überhaupt?«
»Aber ja. Hier ist es viel hübscher als auf Buri Rulch.«
»Das sehe ich ebenso. Früher haben sich hier sympathische Studenten mit ihren nicht weniger sympathischen Professoren zu ungemein sympathischen Gesprächen getroffen.«
»Klingt nett. Und was ist jetzt in dem Gebäude?«
»Wie gesagt - die alte Universitätsbibliothek. Aber sie ist schon seit längerem geschlossen. Darum kann man sagen, in diesem Bau befindet sich nichts.«
»Und Bücher? Gibt es hier auch keine Bücher mehr?«
»Ein paar Wälzer sicher - alte Schinken, die niemand mehr braucht.«
»Mein erster Befehl wird sein, dass keine Bücher mehr verschwinden dürfen. Mein Leben lang habe ich davon geträumt, eine alte Bibliothek zu besitzen.«
»Ach, das ist dein Problem«, meinte Juffin und nickte verständnisvoll. »Schau dich ein wenig um, wenn du willst. Ich muss ins Haus an der Brücke. Majestät werden hoffentlich nicht vergessen, heute Abend zur Arbeit anzutreten.«
»Nein, nein. Als König kann ich Ihnen versichern, dass mir diese lästige Pflicht bewusst ist. Wenn ich erst richtig König bin, werde ich meine Minister statt meiner ins Haus an der Brücke schicken. Bitte sagen Sie Melifaro, er soll nicht allzu fleißig arbeiten und ruhig abends in meine alte Wohnung gehen.«
»Das tut er sicher gern. Ich glaube, er sieht am liebsten Krimis und versucht, möglichst rasch herauszufinden, wer der Täter ist. Sein Rekord steht bei anderthalb Minuten.«
»Genial!«, rief ich begeistert. »In dem Jungen sind noch etliche Talente verborgen.«
Juffin fuhr davon, und ich blieb in meiner künftigen Residenz zurück. Inzwischen fand ich meine neue Rolle lustig. Diese Einstellung hätte ich von vornherein haben sollen.
Das Weiche Haus gefiel mir. Ich hatte das Gefühl, es im Laufe der Zeit in einen Ort verwandeln zu können, in dem es sich angenehm leben ließe.
Ich ging durch leere und dunkle Flure und landete auf einem Aussichtstürmchen. Dort roch es staubig, und ich öffnete das Fenster. Der frische Wind, der vom Churon heranwehte, wirkte Wunder.
Ich sah aus dem Fenster und war entzückt. Von dort oben bot sich mir ein erstaunlicher Blick auf Echo. Das Gebäude gehörte zu den höchsten in einer Stadt, in der fast nur zwei- bis dreistöckige Bauten errichtet wurden.
Ich setzte mich auf die Fensterbank und sah hinunter auf die Mosaikgehsteige und den silbern glitzernden Churon. Diese wunderbare große Stadt, von der ich als Kind so oft geträumt hatte, war für mich Wirklichkeit geworden. Ich hatte sie erst verlassen und wieder nach Echo zurückkehren müssen, um zu begreifen, welches Glück es war, hier zu sein.
Ich beschloss, mich bei der Stadt für mein Leben hier zu bedanken, lehnte mich aus dem Fenster und rief in alle Richtungen: »Danke!« Dann musste ich plötzlich lachen, setzte mich auf den Boden und sagte zu mir: »Alles klar, mein Freund. Und in Zukunft bitte etwas weniger Pathos.«