Выбрать главу

»Na, das da – an deiner Hose.«

Sie schaute an sich herunter. Die helle Hose des Vaters. Ausgeleierte Baumwolle, ein wenig zu groß und angeschmutzt, aber ansonsten gut in Schuss.

»Nein, ich meine hinten. Da ist Blut.«

»Ach, das ist sicherlich von gestern«, erwiderte Mary leichthin, »hoffentlich bekomme ich das ausgespült, wenn es jetzt schon getrocknet ist.«

Franklin schüttelte den Kopf. »Es ist frisches Blut an deiner Hose«, sagte er bedrohlich leise, »ein recht großer Fleck.«

Mary warf den Kopf herum, zerrte am Stoff und sah den Fleck in leuchtendem Rot.

»Siehst du es? Du blutest.«

Du blutest.

Zwei Wörter, die kürzer kaum sein konnten.

Drei Silben, die schlimmer schmerzten als Schläge.

Dagegen war Edisons Faustschlag ein Windhauch gewesen.

Ich bin enttarnt.

Ich habe verloren.

Nein!

Nein, gib nicht auf, versuche es. Versuche es wenigstens.

»Du musst wissen …«, sie stockte. »Mein Gesäß, der harte Stuhlgang …«, setzte sie erneut an, doch die Gedanken zerfielen in ihrem Kopf.

»Komm mir nicht damit«, brüllte Franklin auf. Sein Blick hing an ihrem Gesicht, tastete sich von den Augenbrauen über die Nase zu den Lippen herab.

Sie sah, dass er sah. Dass die Haut zu zart, das Kinn zu weich war. Sie zitterte und schrak zusammen, als er nach ihrem Arm griff und den Hemdsärmel in die Höhe schob.

»Ich hätte es viel früher bemerken müssen.« Seine Stimme war ein Flüstern geworden, gequält und verzweifelt, eine Ansprache an sich selbst. »Ich hätte es bemerken müssen! Nicht ein einziges Mal hast du dich in den letzten Wochen rasiert, und auch auf deinem Arm wächst kaum ein Haar.« Er packte Marys Halstuch, doch der Knoten gab nicht nach, und ihr Kopf wurde nach vorne gerissen. Jetzt griff Franklin in den Stoff, zerrte am Knoten und zog das Tuch mit einer Kraft herab, dass seine zur Faust geballte Hand auf ihren Brustkorb schlug.

Ihr Hals lag frei, und die Luft strich kühl über die Haut. Nackt kam sie sich vor.

»Wie recht ich habe: Du hast auch keinen Adamsapfel, du bist eine Frau.« Er ließ das Tuch fallen, langte an die Knöpfe ihres Hemdes und öffnete es. Gräulich, fast bräunlich bedeckte der Wickel die Brust.

Mary schämte sich wie nie zuvor. Dafür, dass der Stoff speckig war und stank, dafür, dass sie ihn nicht ein einziges Mal hatte abnehmen und waschen können. Dafür, dass sie ein schmutziges, dummes Weib war und mehr nicht.

Franklin trat zwei Schritte zurück. Mehrfach flüsterte er: »Eine Frau habe ich verpflichtet, eine Frau.« Mit jedem Satz raufte er sein Haar, wobei seine rotblonden Locken hin- und hersprangen. Breitbeinig sank er auf die Seemannskiste, die zwischen ihren Kojen stand. Still saß er da, während sein Blick noch einmal alles an ihr abtastete. Hals, Brust, Hüfte, Beine.

Mary stand vor ihm und ertrug das Flackern in seinen Augen. Nicht ein Gedanke in ihrem Kopf wollte sich fügen, kein Wort wollte sich lösen. Die Zunge lag schwer in ihrem Mund, stumm starrte sie ihn an.

Jetzt spürte sie das Ziehen in ihrem Unterleib.

Zu spät.

»Alle werden annehmen, dass ich mir ein Liebchen an Bord geholt habe. Direkt in meine Kajüte. Du hast mich ruiniert, meinen Ruf ruiniert. Was hast du dir dabei gedacht?« Er sprang auf. Packte sie am Hemd und stieß sie gegen die Tür. Drückte den Arm auf ihren Kehlkopf, und der dumpfe Schmerz erschien ihr wie eine wohlverdiente Strafe.

Die Luft wurde ihr knapp, doch sie wehrte sich nicht. Ob er mich umbringt, fragte sie sich kurz. Er ist außer sich. Komplett außer sich.

Abrupt ließ Franklin ihren Hals los, stieß sie zur Seite und verließ die Kajüte. Wortlos und ohne seine Weste.

***

Gebetbücher hatten gefehlt. Woher sollte er denn wissen, dass die kleinen Scheuersteine auch Gebetbücher genannt wurden? Eine Frage zu viel, und schon hätte sich Vater wieder aufgespielt. Einen Eimer hatte er ihm in die Hand gedrückt und ihn losgeschickt, neuen Scheuersand aus dem Ladedeck zu holen. Eine sinnlose Aufgabe. Die Reinigung des Decks war abgeschlossen, und niemand brauchte mehr einen Eimer Sand, er würde nur tagelang im Weg herumstehen.

Misstrauisch beäugte Seth den Eimer. Er hatte eine beachtliche Größe. Damit blieb ihm die Wahclass="underline" sich totzuschleppen oder sich vom Vater zur Sau machen zu lassen, wenn er einen halbvollen Eimer zurückbringen würde. Wie er neben dem Sand noch kleine Scheuersteine tragen sollte, war ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich musste er mehrmals laufen.

Seth seufzte. Er ahnte, was kommen würde, sobald der gefüllte Sandeimer und ausreichend Gebetbücher von ihm an Deck geschafft worden waren: Sicher durfte er dann wieder alles ins Ladedeck hinabschleppen.

»Langsamer, langsamer.«

Abrupt blieb Seth stehen, wartete und lauschte. Ein leises Schmatzen war zu hören. Er hielt den Atem an, duckte sich hinter zwei gestapelte Vorratskisten, stellte sachte den Eimer ab und lugte über den Rand der oberen Kiste.

Ein Mann.

Ein Rücken.

Ein Hintern, der sich vor- und zurückbewegte.

Vor dem Mann kniete ein zweiter Mann. Ein Mann mit einer schiefen Nase. Den Mund geöffnet.

Seth ging in die Hocke. Ihm wurde übel. Lieber Gott, hilf mir, flehte er stumm. Was soll ich machen? Wenn die beiden mich hier finden, bin ich dran. Und wenn man die beiden entdeckt, werden sie mit der Peitsche totgeschlagen. Ich kann nichts machen. Ich muss abwarten, und vor allem muss ich still sein. Ganz still.

Einer der Männer begann zu stöhnen. Das Schmatzen wurde lauter. Seth presste die Hände auf die Ohren. Und wenn ich nicht bald wieder an Deck erscheine, werde ich von Vater totgeschlagen. Tränen brannten in seinen Augen. Er hasste das Schiff, und er hasste die Männer. Alle. Immer ging es um Sex, um Mösen, Titten und Ficken und nichts anderes.

Das Stöhnen und das Schmatzen endeten.

»Großartig, du machst das großartig. Aber das nächste Mal bin ich zuerst dran.«

Edison. Das war Edisons Stimme. Seth kroch noch ein Stück weiter hinter die Kiste.

Der Matrose kam auf seinem Weg zum Niedergang zuerst an der Kiste vorbei. Er zog noch an seiner Hose herum.

Der Mann mit der schiefen Nase folgte ihm. Fassungslos schaute Seth den beiden hinterher. Der zweite Mann war Randy Hall, ein angehender Offizier, ein Midshipman.

Es dauerte, bis die Übelkeit nachließ und er sich traute, sein Versteck zu verlassen.

***

Als sich Franklins Kopf durch den Türspalt der Kajüte schob, hob Carl die Augenbraue. Sein Gehilfe war augenfällig blass, und, was ihn erst recht aufmerken ließ, er hatte angeklopft. Mit einem Nicken bedeutete Carl ihm, dass er auf der Koje Platz nehmen solle. Er legte die Feder beiseite, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beschloss, Franklin nicht zu drängen.

Mit einer fahrigen Geste wischte dieser sich über die Augen, faltete dann die Hände im Schoß und rückte vor bis zur äußersten Kante der Koje. Seine Weste war zerknittert und schief geknöpft. Erst jetzt hob er den Blick und schaute auf. »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er.

Die Kraftlosigkeit seiner Stimme verursachte Carl ein Unbehagen, ein deutliches Signal, dass ein ernsthaftes Problem vorlag. »Probleme sind zum Lösen da«, entgegnete er und ärgerte sich im selben Moment über die leere Worthülse.

»Dieses Problem werden wir nicht so schnell lösen können.«

»Franklin, bitte, nun sag mir, um was es geht.«

»Wir haben eine Frau an Bord.«

Fast hätte Carl aufgelacht ob der Absurdität des Gehörten, doch sein Gehilfe fuhr fort: »Die Frau ist leider im naturwissenschaftlichen Stab, es ist Marc Middleton. Er … sie ist eine Frau.«