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Kapitän Taylor, Carl und Mary wurden in die Hütte geschoben, die zu einer Seite hin offen war. Ein Feuer brannte, und nackte Kinder sprangen herum. Zwei Frauen spießten Fisch auf und hielten ihn über die Flammen. Die rundlichere der beiden hatte mit Bändern einen Säugling auf ihren Rücken gebunden.

Der Mann setzte seinen Korb ab. Die Kinder beugten sich darüber, langten nach dem Fisch und brachten ihn zum Feuer. Von der Decke hingen Tierblasen. Die Frau mit dem Säugling auf dem Rücken griff nach einer, füllte sie mit Wasser und überreichte sie Carl, wobei sie demütig den Kopf beugte und ihn nicht ansah. Sie war dunkelhaarig, ihre Haut von tiefer Bronzefarbe.

Immer mehr Männer der Mannschaft wurden zur Laubhütte geführt. Angewidert beobachtete Mary, dass einige von ihnen versuchten, im Gedränge die Leiber der Frauen zu berühren. Doch die schoben die Hände der Männer kichernd von sich und wiesen in die Reisighütte.

Besorgt musterte Mary die Wilden, die sich jedoch am Verhalten der Fremden nicht zu stören schienen. Bis auf wenige Ausnahmen hatten die Männer bemalte Gesichter. Waagerechte Streifen in schwarzer und roter Farbe, die pastos auf der Haut lag und ihnen etwas Bedrohliches verlieh. An den Hand- und Fußgelenken trugen sie Muschelreife, die bei jedem Schritt leise aneinanderschlugen und einen eigenwilligen Kontrast zur Bemalung bildeten.

»Hast du es gesehen?«, flüsterte Carl. »Sie haben keine Boote.«

Mary trat an die Öffnung der Hütte. An der Küste und auch auf dem Wasser war kein Boot auszumachen. Nirgends. Und Kapitän Taylor schien darauf vorbereitet gewesen zu sein, er ließ die Beiboote mit doppelter Wachmannschaft sichern.

»Du hast recht«, entgegnete sie und zuckte zusammen, als sie sich umwandte. Carl war ihr gefolgt, er stand dicht hinter ihr und ließ seinen Blick über die Bucht und das Meer schweifen. Sie räusperte sich. »Mir ist aufgefallen«, setzte sie erneut an, »dass wir hier wahrscheinlich nicht die ersten Besucher sind. Einer der Männer zeigte vorhin auf eine Muskete und bellte auf. Sicherlich, um ein Schussgeräusch zu imitieren. Sie kennen die Kraft unserer Waffen.«

Carl nickte und rührte sich nicht.

Kyle Bennetter zog Marys Aufmerksamkeit auf sich. Er betrat die Hütte, einen schweren Beutel auf dem Rücken, den er behutsam absetzte und öffnete.

Bevor Kapitän Taylor hineinlangen konnte, hielt ihm der Gastgeber die offene Hand entgegen.

Taylor brachte rote Glasperlen zum Vorschein und reichte sie seinem Gegenüber.

Der Mann schaute nicht einmal hin und gab die Perlen an die Männer neben sich weiter. Erneut streckte er die geöffnete Hand vor.

»Sie erwarten Geschenke.« Mary wusste sich nicht zu fassen und schüttelte den Kopf.

Carls Miene blieb ernst, selbst die Jauchzer der Kinder, die erklangen, als der Kapitän ihnen Glasperlen zuwarf, änderten nichts daran.

Nachdem die Fische verspeist und die Tierblasen geleert waren, erhoben sich drei der Männer. Der älteste von ihnen wurde in die Mitte genommen und von den beiden anderen gestützt. Sie verließen die Hütte und hielten auf das Schiff zu, die Kinder und Hunde tollten auf ihrem Weg um sie herum. Als die Männer mit den Füßen im Wasser standen, blickten sie den Kapitän auffordernd an, der umgehend das Beiboot heranwinkte.

An Bord bewegten sich die Eingeborenen ruhig und sicher, ließen sich führen und sich alles zeigen. Unter dem Hauptmast hielt der Älteste inne. Er schloss die Augen und sprach leise vor sich hin, bis seine Stimme ein weicher Singsang wurde, der an Kraft und Lautstärke gewann.

»Er vollzieht Rituale, die der Vertreibung böser Geister dienen.« Carl trat einen Schritt zurück, um dem Mann genügend Platz zu lassen. Der hob die Arme in die Höhe, drehte sich in alle Himmelsrichtungen, verneigte sich, ließ die Arme sinken und verharrte einen Atemzug. Als er die Augen wieder aufschlug, war seine Konzentration einer Neugier gewichen.

»Das wäre wunderbar, wenn er das könnte. Von bösen Geistern hatten wir in letzter Zeit genug. Sie haben zu viel Raum beansprucht«, antwortete Mary und fühlte Carls Blick auf ihrem Gesicht.

Feuerland, 7. Dezember 1785

Das Schlagen der Äxte, das Krachen fallender Bäume, das Gebrüll der See, das Kläffen der Hunde – ein nicht endender Geräuschereigen erfüllte die Luft. Carl legte die Botanisiertrommel um, lauschte noch einmal dem Lärm, bis er in ihm nachklang, und ergriff das Netz.

Mary trat neben ihn und wies auf zwei Männer in seiner Begleitung. »Diese beiden Herren werden uns begleiten. Da wäre Midshipman Randy Hall. Der Kapitän hat ihn für die Exkursion freigestellt.«

Carl erkannte den angehenden Offizier mit der schiefen Nase, der bei dem Unglück mit den Bierfässern resolut durchgegriffen hatte, und nickte ihm zu.

»Das ist«, fuhr Mary fort und wandte sich einem hochgewachsenen Dunkelhaarigen mit freundlichem Gesicht zu, »Bartholomäus Kellington. Ich denke, du kennst beide.«

»Mr. Hall, Mr. Kellington, ich freue mich, dass wir so tatkräftige Unterstützung erhalten und dass eine Freistellung einzurichten war. Ich würde vorschlagen, dass wir sofort aufbrechen, um jede Minute des Tageslichtes zu nutzen.« Für einen Moment glaubte Carl, seiner Gewohnheit folgend, noch auf Franklin warten, ihn zur Eile und zum Aufbruch treiben zu müssen. Unmerklich schüttelte er den Kopf. Sie waren vollständig. Er schritt aus.

Nach einem mühseligen Aufstieg erwartete sie ein berauschender Ausblick auf die Ebene. Vor ihnen lag ein Streifen Grasland, kniehoch die Halme, flaches Buschwerk mit vereinzelten Buchen, deren Stämme sich unter dem Druck des Windes bogen. Die Sonne, die im Zenit stand, brach durch die Wolkenwand.

Der Ausblick und der Abstieg in die Ebene beschwingten Carl und ließen ihn zügig ausschreiten. Doch schon bald darauf wurde der Weg beschwerlich: Die Schuhe sackten ein, und der Boden schmatzte auf, sobald er den Fuß hineinsenkte. Sumpfland. Dunkler, weicher Morast, der die Waden ermüdete und nach kurzer Wegstrecke vor Hitze brennen ließ.

Die Ebene schien sich zu weiten und mit einem Mal kein Ende mehr zu nehmen. Mehrfach hielt Carl inne und orientierte sich aufs Neue. Immer noch lag der Berghang zum Greifen nah, so als wären sie auf der Stelle gelaufen.

Bartholomäus und Randy waren zurückgefallen, mit gesenkten Köpfen staksten sie inzwischen erschöpft hinterher. Sie haben die Kraft von Bullen, aber keine Ausdauer, dachte Carl. Er seufzte.

Auch Mary lief mit gebeugtem Rücken, derweil sie mit dem Blick ihre nähere Umgebung absuchte. Kurz warf sie das Netz aus, und ein Käfer verschwand in einem der Sammelgläser. Die Tasche mit dem Zeichengerät hing über die schmale Schulter und schlug mit jedem Schritt an ihren Schenkel, doch es schien ihr nichts anzuhaben. Sie hat einen eisernen Willen, das muss man ihr lassen. Sie läuft, schleppt, klagt nicht und arbeitet ohne Verdruss. Wie sie wohl im Kleid mit langem, hochgestecktem Haar aussieht? Überrascht von diesem Gedanken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Wie oft willst du dich das noch fragen? Reiß dich zusammen, es ist kaum der richtige Zeitpunkt für solche Vorstellungen, ermahnte er sich und blickte sich noch einmal um.

Randy Hall saß inzwischen im Gras, und sein Hinterteil versank, selbst auf die Entfernung erkennbar, im Morast.

»Gut, lasst uns eine Rast machen«, rief Carl und breitete eine ölgetränkte Plane aus.

Stirnrunzelnd erhob sich Randy und versuchte, den Morast von seiner Hose zu wischen. Alsbald gab er auf und folgte den anderen, um mit ihnen Reisig für ein Feuer zusammenzutragen. Kaum erreichte der Midshipman die Plane, ließ er das gesammelte Geäst fallen und ging in die Hocke, die Augen geschlossen, das Gesicht blass und angestrengt.