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Mary lachte auf. Die Situation wurde immer absurder, seine Rede immer verzweifelter.

»Bitte, lasst mich aussprechen. Mrs. Fincher wird den Hausstand auflösen und beabsichtigt, Eure Verlobung bekannt zu geben.«

»Kein Wort glaube ich Euch.« Ihr Brustkorb schien kaum noch Luft fassen zu können.

»Habt Ihr sie diesen Abend beobachtet? Was denkt Ihr, wer wird der Mann sein, den sie für Euch auswählt?«

»Nein, nein! Schweigt!« Das Schreien minderte den Druck ihrer Lunge, ein wohltuendes Gefühl.

Einen Moment warteten sie, ob sie gehört worden waren, ob die Tür sich öffnen und der Skandal seinen Anfang nehmen würde. Doch es blieb still.

Landon packte ihre Hände und verfiel in einen Flüsterton: »Von dem Geld, das sie für den Verkauf bekommt, wird die Mitgift gestellt. Sie will einen Mann auswählen. Sie will, dass Ihr Canaughy heiratet. Den Mann, der auf die Rechte und die damit verbundenen Einnahmen der Reisebücher Eures Vaters aus ist. Bitte, lasst mich um Eure Hand anhalten. Ihr werdet es gut bei mir haben. Ihr dürft zeichnen, Ihr dürft auch gern …«

»Es geht nicht ums Zeichnen. Ich bin nicht zur Ehefrau geboren. Ich bin … Ich bin Botaniker. Ich will forschen, ich will reisen und nicht einem Haushalt vorstehen.«

»Ihr würdet eine gescheite Ehefrau und reizende Mutter abgeben. Euren Söhnen könntet Ihr all das beibringen, was Ihr mir heute gezeigt habt. All diese wundersamen Dinge, die in Eurem Kopf und Herzen sind.«

Mary löste die Hände aus seinem Griff.

»Nein, das werde ich nicht! Ich weiß, dass Ihr es gut mit mir meint, aber ich muss Euch auffordern, jetzt zu gehen.«

Für einen Augenblick erinnerte er sie an einen Leutnant auf See, der begriff, dass die Schlacht verloren war. Der einsah, dass er kapitulieren musste. Bevor er die Wunderkammer verließ, drehte er sich noch einmal um: »Überlegt es Euch und denkt daran: Ich werde da sein.«

Wieder fiel die Strähne in seine Stirn. Er strich sie nicht weg.

Die Tür klappte ins Schloss, und zurück blieb Stille. Sie war nicht ehrlich gewesen. Sie wusste genau, was sie wollte. Zum Heiraten war sie nicht geboren. Diesem Joch wollte sie sich nicht beugen. Nicht einmal an der Seite dieses Mannes. Auch wenn ich eine Frau bin, muss es einen Weg geben. Nicht aufgeben. Nur nicht aufgeben. Beweg dich, beschwor sie sich. Du musst handeln. Jetzt.

Mary begann, die Schubladen der Kommoden aufzuziehen. Sie zerrte zahllose Zeichnungen hervor, hielt sie ins Licht und musterte sie kritisch, um eine Mappe mit den aufwendigsten Stücken zu schnüren. Hinzu fügte sie einige der Belege des Herbariums und ergriff das schwerste der Bücher, in denen sie mit dem Vater die Studien dokumentiert hatte. Die Auswahl der Arbeitsmaterialien trug sie in ihr Zimmer und schob sie unters Bett, weit nach hinten, in den Schutz der Dunkelheit. Noch auf dem Boden kniend, hielt sie inne. Ihre Worte zerschnitten die Stille: »Ja, Henriette, es reicht jetzt wirklich! Du zwingst mich geradezu, andere Saiten aufzuziehen.«

Plymouth, 14. Juli 1785

Sie musste sich beeilen. William war zum Markt gefahren, um einige Besorgungen zu machen, bald würde er wieder zurück sein.

In der Früh hatte Mary ihn gebeten, sie mit in die Stadt zu nehmen. Sofort hatte er nachgefragt, ob diese Ausfahrt mit Henriette abgesprochen sei, und nur widerstrebend war er ihrer Lüge gefolgt.

Vor dem Tor des Navy Board ließ sie ihn anhalten. Williams Blick wanderte zu ihr und dem Haus, zu der Mappe und ihrem Gesicht. »Was wollt Ihr hier?«, fragte er.

»Hier hat das Navy Board seinen Sitz. Es stattet die Schiffe der Navy mit allem aus, was für die langen Reisen vonnöten ist.«

»Das ist mir bekannt, aber was wollt Ihr hier? Beim Navy Board?«

»Hier ist auch Sir Carl Belham, der Leiter des naturwissenschaftlichen Stabes der kommenden Expedition, untergebracht.«

William wurde blass. »Es ist nicht, was ich befürchte, oder?«

»Doch, das ist es. Ich werde mit Sir Belham sprechen, denn ich bin gut ausgebildet. Warum sollte ich nicht einen Versuch wagen?«

»Frauen machen so etwas nicht. Auf Schiffen mitfahren. Frauen können das nicht«, sagte William und schnalzte mit der Zunge. Die Pferde trabten wieder an.

Mary hatte in die Zügel gegriffen und die Kutsche zum Stehen gebracht. Sie war vom Bock gesprungen und energisch, ohne sich umzuwenden, auf das Holzportal zugeschritten. Der schwere Rock hatte das Zittern ihrer Beine verborgen.

Hinter einem der Fenster musste er sitzen. Sir Carl Belham. Vielleicht in ein Gespräch vertieft, vielleicht über Listen gebeugt, in denen er notierte, was für die Fahrt benötigt wurde. Kennengelernt hatte sie ihn nie, aber der Vater hatte ihn in London getroffen. Begeistert hatte er berichtet, dass Sir Belham, wie er selbst, auf Insekten und auch auf Völkerkunde spezialisiert sei. Ein reger Briefwechsel war zwischen den Männern entstanden, in dem sie sich über die zukünftigen Aufgaben in der Erforschung der Lebensgewohnheiten der Südsee-Eingeborenen ausgetauscht hatten. Sir Belham galt als fortschrittlicher Forscher, der sich der Linnéschen Systematisierung verschrieben hatte, die der Vater ebenfalls bei seinen Niederschriften angewandt hatte. Ob sie ihm erzählen sollte, dass sie den Briefwechsel stets mitverfolgt hatte?

Mary verlangsamte ihren Schritt und beobachtete, wie der Regen den Wollmantel silbrig benetzte. Hineingehen und vorsprechen, so schwer konnte es nicht sein.

In der Mitte der Halle, die sich kuppelförmig in die Höhe wölbte, saß der Portier. Überall glänzte grauweißer Marmor, und zwei im Rundbogen geschwungene Treppen führten hinauf in das obere Stockwerk. Sie straffte die Schultern und steuerte auf den Portier zu, der durch ein messingfarbenes Namensschild als Ebenezer Stone vorgestellt wurde. Der Name Ebenezer Water hätte besser gepasst, befand sie und musterte die Schweißperlen auf der Stirn des Mannes, den milchigen Blick wie auch die Mundwinkel mit den weißen Speichelrändern.

»Entschuldigt bitte die Störung, ich möchte bei Sir Belham vorsprechen.«

»Der Sir ist außer Haus.«

Wie konnte sie auf die einfältige Idee kommen, dass ein derart beschäftigter Mann auf sie warten würde? Nicht einen Gedanken hatte sie daran verschwendet, doch aufgeben wollte sie nicht. Sie konnte jetzt nicht nach nur einer Frage alles hinwerfen.

»Würdet Ihr mir sagen, wann er wieder anzutreffen ist?«

Der Wässrige lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

»Wenn Ihr etwas abgeben möchtet«, er nickte in Richtung der Mappe, die Mary auf dem Tisch abgelegt hatte, »könnt Ihr es mir anvertrauen. Ich leite es weiter.«

»Nein, danke, ich möchte die Mappe gern selbst vorzeigen.«

»Was, sagtet Ihr, ist das?«

Sie rang sich ein Lächeln ab. »Das ist meine Arbeitsmappe, die möchte ich Sir Belham persönlich vorstellen und erläutern.«

Inzwischen hatte sich hinter ihr eine Traube Männer gebildet, und jeder von ihnen lauschte. Unauffällig stützte sie sich mit der freien Hand auf dem Tisch ab und fühlte die grobe Maserung des Holzes. Nicht die Nerven verlieren, beschwor sie sich, verliere nur nicht die Nerven!

»Warum wollt Ihr«, Ebenezer Stone zog das letzte Wort in die Länge, »Sir Belham diese Mappe zeigen?«

»Ich möchte mich als botanischer Mitarbeiter für die Forschungsfahrt der Sailing Queen vorstellen.«

Es war ausgesprochen. Laut und deutlich.

»Was wollt Ihr denn da? Blümchen pflücken?«

Die wartenden Männer stimmten in Ebenezer Stones Gelächter mit ein.