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Das Halbdunkel in der Hütte ließ sie blinzeln, doch kaum konnte sie die Umrisse im Inneren erkennen, schreckte sie zurück.

Vor ihr stand Carl. Er wankte, seine Augen waren verdreht und halb geschlossen, sichtbar nur das Weiß seiner Augäpfel. Langsam kippte sein Oberkörper nach vorne, und die linke Gesichtshälfte schlug auf die Kante einer der Kisten. Es krachte, derb und dumpf. Mit der rechten Hand riss er im Fallen seine Instrumententasche herunter, aus der sie gestern Schere und Messer genommen hatte. Sein Kopf rutschte am Holz herab, bis er im Sand liegenblieb.

Mary schrie, fiel auf die Knie und schob ihre Hand unter seinen Kopf. Vorsichtig tastete sie nach Blut und drehte sein Gesicht zu sich. Bis auf einige Schrammen konnte sie nichts entdecken. Carl stöhnte, dann öffnete er die Augen.

»Tut dir etwas weh? Wage nicht noch einmal aufzustehen«, flüsterte sie und raffte die Instrumente um ihn herum zusammen.

Auf allen Vieren krabbelte Carl zur Matte und zog die Decke über seinen zitternden Leib.

Derweil riss Mary den Deckel der Medikamentenkiste auf. Irgendwo musste es einen letzten Rest Tee geben, vereinzelte Pastillen, die aus den Tiegeln gefallen waren und von den Büchern zerdrückt auf dem Boden lagen. Vielleicht hatte sie etwas übersehen.

»Was brauchst du?«

»Ich schaue nach, ob wir nicht doch noch irgendwo fiebersenkende Medikamente haben. Ein wenig Tee, ein paar vergessene Pastillen, irgendetwas.«

»Davon gibt es nichts mehr. Komm, setz dich zu mir.«

Sie ließ den Deckel der Kiste zufallen, ergriff eine Mangofrucht und schnitt sie auf. Ihre Hände bebten noch immer, als sie Carl die Schnitzchen reichte. Sein Arm streifte ihre Finger. Die Haut glüht, stellte sie fest und spürte das Entsetzen, das in ihr aufstieg. Das Fieber steigt wieder, so früh am Tag, das ist ein schlechtes Zeichen.

Er rang nach Luft, und Mary fasste seine Hand. »Ich werde meine Kleidung holen, sie liegt noch am Strand«, flüsterte sie und küsste seine Fingerspitzen. »Bitte, bleib liegen, ja?«

Carl nickte und rollte sich zusammen, ein kraftloser Rundrücken unter einer Decke aus Maulbeerbaumrinde.

Nackt rannte sie den Strand entlang und unterdrückte das Bedürfnis, laut aufzuschreien. Erst als sie ihre Kleidungsstücke erreichte, sank sie in die Knie, riss das Hemd an sich, presste es an ihre Brust, biss in den Stoff und begann haltlos zu schluchzen.

***

Der letzte Funken Optimismus, den die Sonne am Tag geweckt und den der Schrecken sich vielleicht noch nicht zurückerobert hatte, zerfiel mit der heraufziehenden Dunkelheit. Mary zündete die Öllampe an, und Carl fragte sich, ob sie heute überhaupt etwas zu sich genommen hatte. Ob er sie inzwischen angesteckt hatte? Angst stieg in ihm auf, und er schob den Gedanken beiseite. Langsam löste er die Arme, die schweißnass auf seinem Brustkorb lagen und festgewachsen schienen. Der Schmerz ließ ihn die Luft anhalten. Noch hatte Mary nicht bemerkt, dass er wach war, dass sein Blick ihr folgte. Sehr gut, er wollte ihr die Zeit geben, sich zu erholen. Sobald sie entdecken würde, dass er nicht mehr schlief, würde sie sich wieder selbst vergessen. Sie würde ihn mit ihrer Fürsorge überschütten und die Krankheit noch unerträglicher machen. Eine Windböe schüttelte die Blätter des Daches, und das Geräusch ließ ihn erschrocken auffahren, sodass der Rücken sich verkrampfte. Hastig spannte er die Muskulatur an, doch der Schmerz blieb.

Ein Wimmern.

Er war es, der wimmerte.

Carl schloss die Augen und sank auf die Matte zurück. Himmel, ich klinge wie ein altes Weib. Der Verschluss der Tasche klickt, sie hat gehört, dass ich wach bin.

Ihr Gesicht tauchte über seinem auf, die Augen waren dunkel vor Sorge.

Sein Herz zog sich zusammen. Wenn sie doch nur Medikamente hätte, dachte er, wenn sie doch die Chance hätte, mir die Schmerzen zu nehmen, bis ich gehen kann.

Tahiti, 13. Juli 1786

Wenn es keine Medikamente mehr gab, musste sie auf die alten Mittel zurückgreifen. Die Kiste mit den Schröpfkugeln, das Reisig, den Ölkrug, das Instrumententäschchen, die brennende Öllampe. Sie hatte alles zusammengetragen, was sie benötigte, und beugte sich vor.

Vorsichtig packte sie Carl an der Schulter und drehte ihn auf den Bauch. Ob sie die Haut anritzen und dann die Kugeln setzen sollte? Sie durchwühlte das Instrumententäschchen. Weder ein Aderlassmesser noch einen Schnepper hatten sie dabei. Es reichte, die Haut zu ölen, entschied sie, und den Aderlass später vorzunehmen. Sie wölbte die linke Handfläche und goss Öl hinein, wärmte es an und zog mit der rechten Hand die Decke ein wenig beiseite. In kreisenden Bewegungen rieb sie Carls Schultern ein.

Ihr Rücken warf einen Schatten, sodass sie die Öllampe ein Stück näher heranzog. Die Schröpfkugeln glänzten im Licht, als sie die Kiste öffnete. Nie hatten sie die Kugeln benutzt, genaugenommen verstand Mary nicht einmal, warum sie welche bei sich hatten. Ob sie zur Standardausrüstung der Sailing Queen gehört hatten? Oder waren die Kugeln noch aus Doc Havenports Nachlass? Sie zuckte die Schultern, nahm eine heraus, zündete ein Ästchen an und hielt die Flamme in das Glas. Die Wölbung füllte sich mit Rauch. Schnell zog sie Carl die Decke zur Hüfte herunter, drehte die Kugel, um sie unter dem Schulterblatt senkrecht anzusetzen. Und entdeckte den Fleck.

Ein blauroter Schatten, der sich auf der weißen Haut abzeichnete.

Faustgroß und auf Höhe der linken Niere.

Sie ließ den Arm sinken, die Kugel fiel in den Sand.

Carl verblutet. Er verblutet innerlich.

Eine Leere breitete sich in ihr aus, die alles überdeckte: die Angst, die Einsamkeit, die Möglichkeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Und niemand war da, den sie fragen konnte, ob man diesen Prozess ausheilen lassen konnte.

Plötzlich hob Carl den Kopf und schaute sie über die Schulter hinweg an: »Engel, was ist los?«

»Nichts, nichts, ich bin nur sehr müde. Ich habe dir den Rücken geölt und wollte die Schröpfkugeln ansetzen, um die Muskulatur zu lockern.«

»Danke, das ist lieb von dir. Können wir das auf morgen verschieben? Ich würde gern schlafen.«

Lautlos weinend räumte Mary die Schröpfkugeln wieder in die mit Samt ausgeschlagene Kiste. Nichts konnte sie für ihn tun, und diese Hilflosigkeit trieb sie fast in den Wahnsinn. Sie nahm die letzte Kokosnuss und goss das Wasser in die große Schale, wrang den Lappen aus und begann, Carls Rücken zu waschen. Langsam kreisende Bewegungen auf blau-roter Haut. Ob ich es ihm sagen soll? Mich mit ihm beratschlagen soll, wie weiter vorzugehen ist? Wenn ich nichts sage und ihn nicht beunruhige, solange ich ruhig bleibe, wird er mich gewähren lassen. Der Gedanke tröstete sie. Nein, beschwor sie sich, ich werde es ihm nicht sagen.

Carl wand sich auf der Matte. Seine Augäpfel bewegten sich unter den geschlossenen Lidern ruckartig hin und her. Plötzlich riss er die Augen auf, drehte sich auf den Rücken und starrte sie an. »Die Schüssel, gib mir die Schüssel«, flehte er mit gepresster Stimme.

Sie schaute auf den Lappen, den sie immer noch in den Händen hielt, warf ihn neben sich, ergriff die Schüssel mit dem Wasser und kippte sie aus. Direkt neben die Matte.

Kaum, dass sie ihm die Schüssel gereicht hatte, verließ sie die Hütte. »Wenn du mich brauchst, sage mir Bescheid«, rief sie ihm zu und schaute in den wolkenlosen Himmel hinauf. Gab es dort oben Mächte oder vielleicht wirklich einen Gott und seinen Sohn, die darüber entschieden, was sie gleich zu sehen bekommen würde? Gab es ein Schicksal, dem zu entrinnen unmöglich war?