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Ein lautes Klopfen, das wie eine Gewehrsalve in meinen Ohren klang, brachte uns ins Hier und Jetzt zurück. Eva fuhr erschrocken herum. Wieder klopfte es an der Tür, und im nächsten Augenblick stand ein Mann mit grauem Vollbart im Raum und rief mit der übertriebenen Lautstärke eines Schwerhörigen: »Eva, da steckst du ja!«

»Mr. Ingram«, wandte sich Eva an mich, während sie gleichzeitig auf ihre Finger schaute. »Darf ich Ihnen den General vorstellen.« Sie räusperte sich verlegen und fügte etwas leiser hinzu: »Meinen Vater, William Booth.«

»Sehr erfreut, Sir«, sagte ich und reichte ihm die Hand.

»Mr. Ingram«, war alles, was er darauf antwortete. Er drückte abwesend meine Hand und wandte sich anschließend an seine Tochter: »Hast du den Text gelesen? Was hältst du von dem letzten Absatz? Kann das so bleiben?«

»Nicht gerade diplomatisch«, lautete ihre Antwort.

Während die beiden sich über Evas Korrekturen und Anmerkungen unterhielten, betrachtete ich den General neugierig und auch ein wenig eifersüchtig. William Booth war tatsächlich eine imposante Gestalt, nicht nur wegen der dunklen Uniform, die mit ihren Kordeln, Epauletten und Abzeichen tatsächlich an die eines Feldherrn erinnerte. Sein grauer Rauschebart, der bis auf die Brust reichte, erinnerte mich an denjenigen meines Vaters. Beim Anblick seiner wahrlich kolossalen Knollennase wusste ich auch, woher der einzige Makel in Evas hübschem Gesicht stammte. Ich war froh, dass sie nicht auch noch die wild wuchernden Augenbrauen und die fleischigen Ohren von ihm geerbt hatte.

»Sind Sie mit den Ingrams von den Illustrated London News verwandt?«, fragte der General, und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich gemeint war.

»Nein, Sir«, antwortete ich. »Mein Vater führt das Hatchett’s Hotel in Mayfair.«

»Oh, tatsächlich!«, rief der General erfreut. »Grüßen Sie Ihren Vater recht herzlich von mir!«

»Kennen Sie ihn?«

»Aber ja«, sagte er und wandte sich erklärend an seine Tochter. »Harvey Ingram ist ein sehr spendabler Unterstützer unserer Sache. Schon seit geraumer Zeit. Auch wenn er es, wie so viele, nur im Geheimen tut.«

»Mein Vater gibt Spenden an die Heilsarmee?«, wunderte ich mich und lachte ungläubig. »Aber er hat ein Schanklokal in seinem Hotel und verkauft bis spät in die Nacht Alkohol. Er trinkt auch selbst sehr gerne und raucht wie ein Fabrikschlot.«

»Eben drum«, beharrte der General und hob die buschigen Augenbrauen. »Besser, er erleichtert sein Gewissen, indem er den Armen und Bedürftigen gibt, als dass er Blutgeld an die Skelettarmee zahlt.« Dabei funkelte er mich tadelnd an, dass es mir durch und durch ging. Auch diesen Blick schien Eva von ihrem Vater geerbt zu haben.

»Ich bin nicht mehr in der Skeleton Army, falls Sie darauf abspielen«, sagte ich und schaute Hilfe suchend zu Eva. »Das ist ein für alle Mal vorbei. Auch dank Ihrer Tochter.«

»Unsere vortreffliche Eva«, rief der General und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Immer an vorderster Front.«

»Ja, sie ist wundervoll«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es nicht ganz das war, was ihr Vater gemeint hatte.

»Gewiss«, knurrte der General und schaute seine Tochter fragend an.

»Captain!«, meldete sich in diesem Augenblick die Stimme eines Heilsarmisten aus dem Vorzimmer. »Ich bitte um Entschuldigung, Schwester, aber unten wartet ein Mann vom Southwarker Korps, der dringend mit dir sprechen möchte.« Als er sah, dass der General im Raum war, salutierte er, indem er die rechte Hand hob und den Zeigefinger gen Himmel streckte.

»Worum geht es?«, fragte Eva.

»Um einen Betrunkenen, wenn ich es recht verstanden habe.«

»Was habe ich damit zu schaffen?«

Der Uniformierte zuckte mit den Schultern. »Major Pringle beharrt darauf, dich zu sprechen. Persönlich!«

»Major Pringle?«, rief ich. »Ist er etwa der Betrunkene?«

»Sie kennen den Major?«, wunderte sich der General.

»Flüchtig«, antwortete ich. »Ich bin ihm letztens vor einer Brauerei begegnet.« Damit erntete ich einen verständnislosen Blick.

»Nein, Sir«, sagte der Uniformierte in meine Richtung. »Major Pringle ist nicht betrunken. Es geht anscheinend um einen Soldaten seines Korps. Einen jungen Mann namens Bedford.«

»Adam Bedford?«, murmelte Eva, seufzte leise und setzte ihre Haube auf. »Sag dem Major, dass ich komme.« Dann wandte sie sich an mich und setzte hinzu: »Die Feuerwehr im Einsatz. Wollen Sie mich nach unten begleiten, Rupert?«

»Feuerwehr?«, fragte der General verwirrt. Er wirkte zunehmend verärgert.

»Sehr gerne«, sagte ich, verabschiedete mich vom finster dreinschauenden General und folgte Eva hinaus.

Major Pringle wartete im Empfangsraum und stürzte sogleich auf Eva los, als wir durch die Pendeltür traten. Er bedachte mich mit einem überraschten Seitenblick und rief: »Danke, dass du Zeit für mich hast, Schwester! Bruder Adam lässt sich einfach nicht beruhigen und verlangt nach dir. Mit niemandem sonst will er reden. Ich wusste mir keinen anderen Rat, als ihn herzubringen.«

»Wo ist er?«, fragte sie und schaute suchend in den Warteraum.

»Draußen«, antwortete Major Pringle. »Ich hab ihn in der Kutsche gelassen. Er kann nicht mehr gerade stehen und krakeelt ganz schändlich herum.«

»Wer ist dieser Adam Bedford?«, wollte ich wissen, obwohl ich ahnte, dass ich diesem Bruder Adam in den letzten Tagen bereits begegnet war.

»Eine arme Seele«, sagte der Major und öffnete die Eingangspforte.

»Eine traurige Geschichte«, sagte Eva, entzündete eine Laterne und ging hinaus. »Dabei hatte ich gehofft, dass sie ein gutes Ende nehmen würde. Aber wie es scheint, hat der Teufel wieder einmal die Oberhand behalten.«

Draußen war es bereits dunkel. Es nieselte, und der aufkommende Nebel zog in Schwaden durch die Queen Victoria Street. Direkt vor dem Hauptquartier stand ein Tilbury mit Klappverdeck quer auf dem Gehsteig und versperrte den Passanten den Weg. Als Eva die Laterne in die kleine Kutsche hielt, stieß sie einen leisen Schrei aus. Auf der schmalen Bank lag ein junger Mann, dessen schmutziges Gesicht von Kratzern, Wunden und blauen Flecken übersät war und dessen Uniform vor Dreck starrte. Er lag rücklings auf der Bank, die Beine angewinkelt, und wirkte wie ohnmächtig.

»Ein Glück!«, rief Major Pringle und hielt das Pferd an der Kandare. »Der Bruder schläft. So kann er wenigstens nicht herumschreien. Er hat vorhin fürchterlich gewütet.«

»Was ist mit seinem Gesicht?«, fragte Eva und hielt dem Schlafenden die Laterne vor die Nase. Es war offensichtlich, dass die Wunden bereits verkrustet waren und die blauen Flecken ins Grünlichgelbe übergingen.

»So sah er auch schon vor zwei Tagen aus«, sagte ich und half Major Pringle, das unruhige Pferd über den Gehsteig in Richtung Hofeinfahrt des Hauptquartiers zu lenken. »Die Striemen hat er sich letzten Freitag bei der Kundgebung vor dem Ten Bells geholt. Das hat er zumindest behauptet.«

»Sie kennen Bruder Adam?«, wunderte sich Eva und öffnete mit einem Schlüssel das Gittertor. »Sie erstaunen mich ein ums andere Mal, Rupert.«

»Der gute Adam scheint ein echter Heißsporn zu sein«, erinnerte ich mich an meine Begegnungen mit diesem jähzornigen jungen Mann in Southwark. Und ich musste an seinen sehnsüchtigen Blick auf mein Bier im George Inn denken. »Ohne Uniform würde man ihn niemals für einen Heilsarmisten halten«, setzte ich hinzu. »Mir scheint er ein recht aufbrausender und wütender Hitzkopf zu sein, den ich eher in den Reihen der Skeleton Army vermutet hätte.«

»Ja«, bestätigte Eva und schloss das Tor hinter der Kutsche wieder ab. »Genau das ist sein Problem. Als ich ihm vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnete, sah Bruder Adam ganz ähnlich aus wie heute. Er war auf dem besten Weg, sich zu Tode zu trinken oder als Raufbold im Gefängnis zu landen.« Sie schüttelte mitleidig den Kopf, während Major Pringle den Tilbury zu einem Unterstand im hinteren Teil des Hofes brachte, und seufzte tief. »Ich hatte gehofft, wir hätten seine arme Seele gerettet und zu Gott geführt. Er schien mir auf einem guten Weg zu sein und wollte sich sogar zum Offizier ausbilden lassen. Ich verstehe das nicht. Was mag nur plötzlich in ihn gefahren sein?«