Er wandte seinen Blick von mir ab, um sie triumphierend anzufunkeln, und mehr brauchte ich nicht. In diesem Moment der Ablenkung riss ich den Eidbrecher aus dem Gürtel und brachte ihn in einem schnellen Bogen herum. Er schickte sich an, wieder in Mollys und meine Richtung zu sehen und die Salem Special zu heben, aber der lange Eisenholzstock löste die Bindezauber an der alten Pistole und sie explodierte, und das ganze aufgespeicherte Höllenfeuer brach auf einmal aus. Übernatürlich helle Flammen verzehrten Alistairs Hand und Arm und verbrannten binnen Augenblicken das Fleisch bis auf die Knochen. Der Gestank nach Schwefel und verbranntem Fleisch erfüllte die Luft. Heulend und kreischend wich Alistair zurück; wild ruderte er mit dem Arm, als ob er die Flammen abschütteln könnte. Was von seiner rechten Hand noch übrig war, löste sich von seinem Unterarm, als das Höllenfeuer die kleinen Verbindungsknochen in seinem Handgelenk verzehrte. Es fiel auf den Boden, wo es liegen blieb, immer noch das umklammernd, was von der Salem Special noch übrig war.
Alistair brüllte entsetzlich, während die Flammen hochsprangen und seine rechte Schulter ergriffen. Martha schlug mit bloßen Händen nach ihnen, und obwohl sie vor Schmerzen schrie, versuchte sie zu helfen. Ich rüstete hoch und ging schnell zu Alistair hin, um die Flammen mit meinen goldenen Händen zu ersticken, aber auch wenn die Flammen mich nicht verbrennen konnten, ausschlagen konnte ich sie nicht. Am Ende trat Molly vor und rasselte etwas auf Latein herunter, und im Nu waren sämtliche Flammen verschwunden. Alistairs Schreie wichen schockiertem Stöhnen, und plötzlich setzte er sich auf den Boden und starrte dumpf auf das Wenige, was von seinem rechten Arm noch übrig war. Martha setzte sich neben ihn, nahm ihn in die Arme und versuchte, ihn zu trösten. Ich rüstete herunter und sah Molly an.
»Das war Höllenfeuer … Wie hast du -«
»Bitte!«, schnitt sie mir das Wort ab. »Vergiss nicht, mit wem du sprichst!«
Alistairs Stöhnen hörte auf, als ihn endlich eine gnädige Ohnmacht umfing. Weniger als die Hälfte seines rechten Oberarms war noch übrig, verkohlt bis auf die geschwärzten Knochen. Heilen würde er nie; er würde abgenommen werden müssen. Martha wiegte ihn hin und her und summte ihm wie einem schlafenden Kind vor. Sie weinte. Ich hatte sie vorher noch nie weinen gesehen. Ich versuchte, Mitleid für Alistair aufzubringen, aber das hier war das, was er meiner Molly angetan hätte, wenn ich ihn nicht daran gehindert hätte.
»Martha …«, setzte ich an.
»Nicht! Tu nicht so, als ob es dich kümmerte, du abnormes Kind!«
»So viele Tränen«, sagte ich. »Für Onkel James, für Alistair. Aber wie viele Tränen hättest du über meinen Tod vergossen, Großmutter, wenn ich auf jener Autobahn gestorben wäre? Oder wenn Onkel James mich getötet hätte, wie er den Befehl von dir hatte? Hast du meinen Zwillingsbruder beweint, als er dem Herzen geopfert wurde? Auch er war dein Enkel - wie hast du zwischen uns gewählt? Eine Münze geworfen vielleicht? Oder hast du es einfach dem Herzen überlassen, damit du dich nicht verantwortlich fühlen musstest?«
Doch sie hörte nicht zu. Alles, worum sie sich sorgte, war ihr Alistair und was ich ihm angetan hatte. Sanft zog Molly mich weg.
»Wir müssen gehen, Eddie. Du weißt, dass noch mehr kommen werden.«
Ich ließ sie ans andere Ende des Zimmers vorangehen. Ich hatte immer gedacht, am Ende würde Alistair sich als der Verräter in der Familie entpuppen. Weil er nie wirklich einer von uns gewesen war. Ich wollte, dass er der Verräter war. Aber am Ende … hatte er gut gekämpft und die Frau, die er liebte, tapfer vor meinem Zorn beschützt. Ich bewunderte ihn dafür. Der arme verdammte Narr! Die nächste Wand brauchte ich nicht zu zertrümmern; ich öffnete einfach die Tür und betrat das nächste Zimmer und ließ Martha und Alistair zurück.
Das nächste Zimmer war riesig: vom Boden bis zur Decke glänzend weiß gekachelt, die hygienisch sauberen Oberflächen vollgepackt mit Computern und anderer fortschrittlicher Technologie, das Ganze in einer streng kontrollierten Umgebung. Ein ganzer Raum voller Maschinen, nur um die Bedingungen im Innern des Sanktums zu überwachen und zu regulieren. Sie schützten das Herz vor allen äußeren Einflüssen und diejenigen, die im Herrenhaus lebten, vor den verschiedenartigen zerstörerischen Energien und gefährlichen Kräften, die vom Herzen ausgingen. Normalerweise wäre in dem gewaltigen Raum ein halbes Hundert Techniker verstreut gewesen, die sorgfältig die Apparaturen bedienten und ständig kleine, aber notwendige Veränderungen und Einstellungen am empfindlichen Gleichgewicht des Herzens vornahmen … aber der Raum lag wie ausgestorben da. Vermutlich hatten sie ihn evakuiert, sobald klar war, dass ich hierherkommen würde. Ich schlängelte mich durch die sperrigen Maschinen und steuerte die Tür am anderen Ende an. Hinter dieser Tür lag das Sanktum, und das Herz, und meine Rache.
Molly und ich waren fast da, als die Tür plötzlich aufging und Matthew und Alexandra hindurchtraten. Ich blieb abrupt stehen, und Molly stellte sich wieder dicht neben mich. Matthew sah aalglatt und todschick wie immer aus, der Liebling der Familie in seinem tadellosen Armani-Anzug. Er lächelte mich strahlend an. Alexandras Lächeln war kalt, und dasselbe traf auf ihre Augen zu. Ich nickte beiden knapp zu und tat mein Bestes, gänzlich unbeeindruckt zu wirken.
»Matthew!«, sagte ich. »Ich hätte mir denken können, dass du aufkreuzt. Du konntest es noch nie ertragen, etwas Wichtiges zu verpassen. Aber dass ich erwartet hätte, dich wiederzusehen, Alex, kann ich ehrlich nicht behaupten.«
»Gerade du müsstest wissen, dass ich nicht so leicht aufgebe.« Alexandras Stimme war scharf und schneidend. »Und Matty und mich hier zusammen anzutreffen, damit hättest du nun wirklich rechnen können. Aber du warst ja noch nie besonders schnell, wenn es darum ging, zu kapieren, was tatsächlich los ist, stimmt's nicht?«
Ich blickte zuerst sie und dann Matthew finster an. An ihrem Lächeln, ihrem ungezwungenen Selbstvertrauen, ihren Mienen war so etwas von Ich weiß etwas, was du nicht weißt. Irgendetwas war mir entgangen. Und ich konnte es mir nicht leisten, Fehler zu machen - nicht nachdem ich dem Herzen und seiner Zerstörung so nahe gekommen war … Was konnte ich übersehen haben? Weder Matthew noch Alexandra trugen die Rüstung, obwohl sie beide guten Grund hatten, mich als Bedrohung anzusehen. Hier ging etwas von Bedeutung vor sich, das konnte ich spüren. Sie mussten irgendetwas vorhaben … Ich riskierte einen schnellen Blick mit meinem Blick: Sowohl Matthew als auch Alexandra trugen versteckte Waffen, die enorme Mengen an Macht ausstrahlten, aber das taten Molly und ich auch. Ich überprüfte den Raum um uns herum: keine Sprengfallen, keine versteckten Mörder. Nur Matthew und Alexandra mit ihrem kalten, berechnenden Lächeln. Ich sah Alexandra direkt an.
»Was hast du dem Waffenschmied angetan, Alex?«
Sie zuckte lässig die Schulter. »Du hast doch nicht wirklich geglaubt, man könnte mich so leicht ausschalten, oder? Ich unterhalte einen ständig auf dem neuesten Stand befindlichen Schutz gegen alle Arten von Giften - eine elementare Sicherheitsmaßnahme. Und er hätte wirklich nicht so dumm sein dürfen, mir den Rücken zuzukehren … Aber er ist alt und weich geworden, wie heutzutage so viele in der Familie. Das alles werden wir ändern.«
Und mit diesem wir fiel endlich der Groschen. »Du und Matthew … ihr seid Teil der Null-Toleranz-Fraktion! Die Hardcore-Familienfanatiker, die alles ändern wollen! Bringt alle Bösen um und scheißt auf die Konsequenzen!«