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Jacob und der Waffenschmied bewegten sich auf Matthew und Alexandra zu, und diese wichen rasch zurück und gaben den Weg zur Tür des Sanktums frei. Molly und ich eilten nach vorn. Eine Tür zu unserer rechten wurde aufgerissen, und eine ganze Schar von gepanzerten Droods stürmte herein. Sie sahen den Waffenschmied und den entsetzlichen Geist des alten Jacob und kamen stolpernd zum Stehen. Molly und ich öffneten die Tür zum Sanktum und liefen hindurch und zogen sie hinter uns zu.

Und während die Tür sich schloss, setzte das Schreien ein.

Kapitel Zweiundzwanzig

Herzensbrecher

Als ich dort im Sanktum stand und die Tür hinter mir zuschlug, kam ich mir wie ein Vandale vor, der in eine Kathedrale einbricht. Das Herz leuchtete vor mir und strahlte wie die Sonne, so hell, dass ich mich dazu zwingen musste, es anzusehen. Ein einzelner mächtiger, prachtvoller Diamant, so groß, dass er den größten Teil des riesigen Raums ausfüllte, den meine Familie vor all den Jahrhunderten errichtet hatte, um ihn aufzunehmen und zu beschützen. Allein in der Gegenwart des Herzens zu stehen nahm mir den Atem, bewirkte, dass ich mir klein und unbedeutend vorkam. Aber das glaubte ich nicht mehr. Ich wusste es jetzt besser. Ich starrte in die blendende Helle und weigerte mich, den Blick abzuwenden oder den Kopf zu neigen, auch wenn das schimmernde Licht durch mich hindurchzulodern und alles in meinem Verstand und meiner Seele zu sehen schien.

Und einfach so war das Gefühl der Ehrfurcht auf einmal weg. Das Licht war noch genauso hell, das Herz war noch genauso riesig, aber seine Gegenwart war nicht mehr überwältigend. Es war bloß noch ein wirklich riesiger Diamant. Ich hörte, wie Molly neben mir einen leisen, entspannten Ton von sich gab - denn sie spürte die plötzliche Veränderung auch -, und schreckte schuldbewusst zusammen, als ich merkte, dass ich vergessen hatte, dass sie überhaupt da war. Das konnte die Gegenwart des Herzens mit einem anstellen. Molly und ich rückten langsam in Richtung auf das Herz vor, bis wir fast so dicht davor standen, dass wir es berühren konnten. Die gewölbte Seite des Diamanten erhob sich vor uns wie eine viel facettierte Felswand, doch von unseren Spiegelbildern war nichts zu sehen. Das Licht, das aus dem Innern des Herzens loderte, überstrahlte alles andere. Ich konnte dieses Licht auf meiner Haut spüren, die leicht kribbelte, als ob ich in einen eiskalten Teich eingetaucht wäre. Und zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, als ob das Herz wüsste, dass ich da war, wüsste, weshalb ich gekommen war, und dass es mich direkt anblickte.

»Hallo, Eddie«, sagte das Herz. Seine Stimme war warm und freundlich, männlich und weiblich, und schien von überallher zugleich zu kommen. »Normalerweise gebe ich mir große Mühe, eine geeignete spirituelle und vergeistigte Atmosphäre hier drin aufrechtzuerhalten und die Gefühle all derer zu manipulieren, die vor mich treten, damit auch alle ein angemessen respektvolles Verhalten an den Tag legen. Aber bei dir hat das wohl keinen Zweck, nicht wahr? Du kennst mein kleines Geheimnis, und du bist wegen der Wahrheit hier. Armer Junge. Als ob dein kleiner Verstand all meine Wahrheiten aufnehmen oder voll und ganz erkennen könnte!«

»Du kannst sprechen?«, fragte ich. Ein bisschen naheliegend, ich weiß, aber ich war ehrlich schockiert. Das Herz hatte meines Wissens noch nie zu irgendeinem Drood gesprochen, nicht seit es den ursprünglichen Handel mit meinen Vorfahren eingegangen war.

»Überrascht es dich wirklich so, herauszufinden, dass ich ein lebendes, denkendes Wesen bin?«, fragte das Herz. »Nicht alle Intelligenz ist in Fleisch eingebettet.«

»Bist du wirklich aus einer anderen Dimension hierhergekommen?«, wollte Molly wissen, nur um klarzustellen, dass sie sich aus nichts ausschließen ließ.

»Aus einer höheren Dimension«, erwiderte das Herz. »Was soll ich sagen; ich habe schon immer wahnsinnig gern aus Neugier die Slums besucht.«

»Warum hast du vorher noch nie gesprochen?«, fragte ich.

»Habe ich«, antwortete das Herz. »Aber immer nur zur herrschenden Matriarchin eures Stammes. Es ist eine lange Tradition, dass jede Matriarchin zustimmen muss, unseren alten Handel fortzuführen. Ihre Familie an mich zu binden mit Leib und Seele. Und im Gegenzug gewähre ich euch allen ein kleines bisschen meiner Macht. Ich spreche jetzt nur deshalb zu dir, Eddie, weil du den Eidbrecher trägst. Unangenehmes kleines Ding. Ich versuche deine Familie schon seit Generationen dazu zu überreden, es loszuwerden.«

»Weil es dich vernichten könnte«, sagte Molly.

»Natürlich«, sagte das Herz.

»Wieso bist du hierhergekommen?«, fragte ich schroff. Ich war jetzt den Antworten so nahe, dass ich es kaum noch ertragen konnte. Ich wollte alles wissen. Ich war so weit gekommen, hatte so viel verloren und konnte spüren, wie der Tod persönlich mir auf die Schulter tippte, während die fremde Materie sich in mir ausbreitete … aber was immer hier auch geschah, ich war entschlossen, endlich die Wahrheit zu erfahren. »Du warst auf der Flucht, nicht wahr? Wurdest von etwas, was dich in Panik versetzte, durch die Dimensionen gejagt. Also was hast du getan, dass du dich in diese kleine, primitive Dimension herunterladen musstest?«

»Ich hatte bloß ein bisschen Spaß«, sagte das Herz. Seine Stimme hatte sich fast unmerklich verändert; sie klang immer noch warm und freundlich und einschmeichelnd, aber darunter hörte sie sich an, als fände es Vergnügen daran, Fliegen die Flügel auszureißen oder auf Schmetterlinge zu treten, einfach weil es das konnte. »Ich spiele gern. Und wenn ich manchmal etwas zu grob spiele und mein Spielzeug kaputt mache - na ja, es gibt immer anderes Spielzeug.«

»Spielzeug?«, fragte ich. »Ist das alles, was wir für dich sind?«

»Was könntet ihr sonst sein? Solch beschränkte, kurzlebige Wesen; ihr kommt und geht so schnell, dass ich kaum mitkomme. Ich lebe schon seit Jahrtausenden!«

»Und da fällt dir nichts Besseres ein, als mit Spielzeug zu spielen?«, fragte Molly.

»Ohne Fragen geliebt und verehrt zu werden und Gehorsam zu erfahren«, sagte das Herz glücklich. »Was könnte es Wichtigeres geben?«

»Und wenn es deine Spielzeuge einmal wagen sollten, zu rebellieren?«, fragte ich.

»Dann zerquetsche ich sie«, sagte das Herz. »Spielzeuge müssen wissen, wo sie hingehören. Aus diesem Grund habe ich dich hier hereingelassen, Eddie. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist. Ich habe dir das Geschenk meines goldenen Halsbands gemacht, und du hast es jahrelang getragen wie das brave kleine Hündchen, das du bist. Aber es ist immer noch mein Halsband.«

Der Torques um meinen Hals brannte eiskalt, als das goldene, lebende Metall binnen eines Moments über und um mich schwappte, obwohl ich es nicht gerufen hatte. Die Rüstung umgab mich wie eine Gefängniszelle, isolierte mich von der Welt und sperrte mich hilflos in ihrem Innern ein. Wieder und wieder sprach ich die aktivierenden Worte, doch nichts geschah. Ich drückte Arme und Beine gegen das umhüllende Metall, aber die Rüstung hielt mich unbeweglich fest. Ich hatte keine Kontrolle mehr; das Herz hatte sie. Ich war jetzt nur noch eine glänzende goldene Puppe, in deren Inneren ein Mann gefangen war.

»Töte die Frau!«, sagte das Herz fröhlich, gierig, und die Rüstung rührte sich, um zu gehorchen, und rückte in Mollys Richtung vor trotz allem, was ich tun konnte, um sie davon abzuhalten.