Выбрать главу
* * *

So tranken wir und redeten und tranken noch mehr, und der Abend verstrich hinlänglich angenehm. Scharlatan-Joe nahm alles auf seine Rechnung, denn er schwelgte noch im Hochgefühl seines letzten Nepps. Janitscharen-Jane versuchte, irgendeinen Kerl in Kettenpanzer anzumachen und schoss ihm in den Arsch, als er ihr den Rücken zukehrte. Der Indigogeist bot an, mir seine geheime Höhle zu zeigen, aber ich lehnte höflich ab. Der Blaue Elf kippte um und lag schnarchend auf dem Fußboden. »Tretet nicht auf ihn«, sagte Scharlatan-Joe weise, »oder es wird vierzig Tage und vierzig Nächte lang regnen!«

An irgendeiner Stelle kam die Rede auf die jüngsten Sichtungen der berüchtigten Drood-Familie und ihrer goldenen Agenten, und ich hielt die Klappe und passte auf. Man weiß nie, wann man etwas Nützliches erfahren kann. Es gibt immer wieder Sichtungen meiner Familie bei der Arbeit, die meisten davon apokryph oder Wunschdenken. Wenn ein Drood-Agent seine Arbeit ordentlich gemacht hat, sollte niemand außer den Opfern auch nur wissen, dass er da gewesen ist. Aber wir sind ein bisschen wie Kornkreise und Viehverstümmelungen: Man gibt uns die Schuld an allen möglichen Sachen, mit denen wir überhaupt nichts zu tun haben. Die aktuellen Sichtungen beinhalteten Aktionen in Moskau, Las Vegas und Venedig. Letztere war besonders eklig; niemand schien genau zu wissen, was passiert war, aber die Stadt fischte anschließend noch stundenlang Leichen aus den Kanälen. Ich nahm mir vor, der Sache nachzugehen, obwohl das Ganze ziemlich schlampig für unsere Verhältnisse klang.

Meine Familie erhält viel Anerkennung (oder Tadel) für Dinge, die wir in Wahrheit gar nicht getan haben, aber nie bestätigen oder dementieren wir etwas. Es genügt, dass die Welt beschützt wird; sie muss nicht noch Einblick in die Familiengeschäfte haben. Außerdem ist es nur von Vorteil für den Ruf.

Das Publikum ist normalerweise gut im Wolfskopf, aber in jedem Verein gibt es immer einen. Eine große Gestalt ragte plötzlich über uns auf, fuchtelte drohend mit einem Pint Lager herum und bestand darauf, sich an unserer Unterhaltung zu beteiligen. Er war bestimmt zwei Meter zehn groß mit passenden Schultern und steckte in einer übergroßen Bikerjacke und abgewetzter Lederhose. Dies, stellte sich heraus, war Boyd, Leibwächter der Stars. Ein Neuling im Wolfskopf, jung und stark und dumm genug zu glauben, dass die Clubregeln auf ihn keine Anwendung fänden. Er war offensichtlich ein Hyde, der ein Destillat von Dr. Jekylls alter Formel benutzte. Stark genug, um ihn groß und brutal zu erhalten, jedoch so verdünnt, dass er in der Lage war, die Kontrolle zu wahren.

Er überredete uns einfach im wahrsten Sinne des Wortes, bestand darauf, uns von seiner neuen Stelle als Leibwächter einer bedeutenden Hollywoodschauspielerin zu erzählen. Die, wenn man Boyd glauben wollte, rein gar nichts tun konnte, ohne dass er da war und es überwachte. Er ließ auch plumpe Andeutungen darüber fallen, dass er ›Stichproben‹ von ihrem berühmten Körper nahm, wenn er nicht gerade darauf aufpasste.

»Wirklich?«, sagte der Indigogeist. »Ich dachte immer, sie sei eine Freundin Dorothys.«

»Weiß nicht, ob ich so weit gehen würde«, meinte ich. »Aber wenn sie knapp an Personal wären, würde sie wahrscheinlich aushelfen.«

Boyd starrte mich wütend an. »Das ist doch nur Boulevardblech! Klatsch und Gehässigkeit! Sie ist ganz und gar Frau, und ich sollte das ja wissen. Richtig?«

Er starrte uns der Reihe nach wütend an, aber ich muss wohl nicht überzeugt genug ausgesehen haben, denn Boyd kam zu dem Schluss, er müsse mich ein wenig herumschubsen, einfach um zu zeigen, dass man ihm nicht widersprach. Er stieß mir mit einem großen Finger hart in die Brust, und ich betrachtete ihn nachdenklich, während er mich anschrie.

Er brachte doppelt so viel und mehr auf die Waage wie ich, das meiste davon in Muskeln. Ich hätte es leicht mit ihm aufnehmen können, wenn ich meine Rüstung angelegt hätte, aber das konnte ich nicht machen. Strikter Familiengrundsatz: Die Rüstung wird ausschließlich für Familienangelegenheiten benutzt. Wichtiger noch, die Rüstung hätte allen verraten, dass ich ein Drood bin, und dann hätte ich nie mehr hierherkommen können. Ich mag es, einfach nur Shaman Bond zu sein, und ich hatte nicht vor, darauf zu verzichten.

Der Barkeeper warf bereits bedeutungsvolle Blicke in unsere Richtung und machte sich bereit, einzuschreiten, und ich zog tatsächlich in Betracht, ihn die Sache regeln zu lassen. Ungefähr ein oder zwei Sekunden lang. Aber ich bin nicht den Großteil meines Lebens dazu ausgebildet worden, den guten Kampf zu kämpfen, nur um mich dann von einem Hyde herumschubsen zu lassen. Außerdem, wenn ich ihm das durchgehen ließ, könnte ich hier niemals wieder in Frieden trinken. Selbst die Schrägen und hoffnungslos Sonderbaren haben ihre Hackordnung. Allerdings, angesichts der Tatsache, dass Boyd ein Hyde war und mehr als doppelt so massig wie ich, würde ich todsicher nicht fair kämpfen.

Also erwiderte ich sein Starren, nahm unauffällig die tragbare Tür aus der Tasche, aktivierte sie und warf sie aus dem Handgelenk geschickt unter die Füße des Hydes. Boyd blieb gerade noch genug Zeit, um überrascht dreinzuschauen, bevor er durch die neue Öffnung in den Keller unter dem Club stürzte. Er landete mit einem befriedigend lauten Krachen, dem eine Reihe von leisen Ächzlauten folgte. Ich hob meine tragbare Tür auf, und der Boden kehrte zurück und schloss Boyd im Keller ein, bis sich jemand die Mühe machen würde, runterzugehen und ihn zu retten. Der Barkeeper nickte mir dankend zu, froh, dass er sich nicht hatte einmischen müssen, und die Zuschauermenge spendierte mir eine Runde Applaus. Janitscharen-Jane und ich gaben uns fünf, wohingegen Scharlatan-Joe mich nachdenklich betrachtete.

»Wie hast du eine verbotene Vorrichtung wie diese tragbare Tür in die Finger gekriegt, Shaman?«

»Bei eBay gefunden.«

* * *

Die Zeit verstrich weiter angenehm, und um die frühen Morgenstunden herum wanderte ich ziellos durch einen Schleier der Betrunkenheit und machte eine unablässig kichernde Sexdroidin an, die aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert hereingeschneit war, um einige wissenschaftliche Untersuchungen für ihre Dissertation über sonderbare sexuelle Komplexe der Reichen und Berühmten durchzuführen. Sie war groß und drall und zu einhundert Prozent künstlich, reizend angezogen in einem klassischen kleinen Schwarzen, das im Rücken so tief ausgeschnitten war, dass es den Strichcode und den Urheberrechtsvermerk erkennen ließ, die auf ihrer prachtvollen linken Hinterbacke aufgeprägt waren. Ihr sprühendes Stahlhaar war voll Funken bildender Statik, ihre Augen waren silbern, und sie roch nach purem Moschus. Sie lief mit einer atomaren Brennstoffzelle, die sich in ihrem Unterbauch befand, was ein bisschen beunruhigend war, aber andererseits - niemand ist vollkommen.

»Nun, was führt Sie in den Wolfskopf?«, fragte ich.

»Ich versuche mich bloß als Touristin«, entgegnete sie mit einem Lächeln, das so breit war, dass selbst Julia Roberts nicht hätte mithalten können. »Ich habe so viel mehr Freizeit, seit wir endlich gewerkschaftlich organisiert wurden. Einen Applaus für Rossum's Vergewerkschaftete Roboter!«

»Nieder mit den Bossen!«, sagte ich feierlich. »Die Arbeit ist der Fluch der trinkenden Klassen!«

»Oh, ich liebe meine Arbeit«, meinte sie und blinzelte mich mit ihren enormen Wimpern an. »Es hat mehr als einen Mann gebraucht, um meinen Namen in Silikon Lily zu ändern.«

Und das war der Moment, als mein Handy klingelte. Ich war nicht erfreut. Die einzigen Leute, die diese Nummer haben, sind die Mitglieder meiner Familie, und von denen hätte ich so bald nach einem abgeschlossenen Auftrag eigentlich nichts hören dürfen. Es mussten irgendwelche schlechten Nachrichten sein, und das ganz bestimmt mehr für mich als für sie. Die Leute rings um mich sahen finster auf das Telefon in meiner Hand und warfen mir vielsagende Blicke zu; es wird erwartet, dass man sämtliche Kommunikationsmittel ausschaltet, bevor man den Wolfskopf betritt. Ich hatte nicht daran gedacht, weil die Familie mich so selten in meiner Freizeit belästigt. Ich lächelte schwach, zuckte entschuldigend mit den Achseln, warf der Sexdroidin eine flüchtige Kusshand zu und zog mich in eine mehr oder wenig private Ecke zurück, um den Anruf entgegenzunehmen.