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»Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver«, sagte ich zu Molly. »Etwas Großes und Dramatisches, um die Leute von der Vorderseite des Hauses wegzulocken.«

»Kein Problem«, versicherte Molly, ein bisschen außer Atem vom Laufen. »Schau gut zu!«

Sie murmelte und vollführte ein paar abgehackte Gebärden, und plötzlich schwebte ein riesiger Drache über dem Herrenhaus. Ein gewaltiges Geschöpf mit langem, goldgeschupptem Körper, das sich mit kraftvollen Schlägen seiner mächtigen, membranösen Schwingen in der Luft hielt. Unter entsetzlichem Kreischen ließ die Bestie sich auf das Herrenhaus herabsinken und reckte ihren scheußlichen, gehörnten Kopf, der dem Ende eines schlangengleichen Halses entsprang. Sie war unglaublich groß, halb so groß wie das Herrenhaus, und riss mit beiläufigen Schlägen ihrer klauenbewehrten Füße klaffende Löcher in die Außenmauer des Ostflügels. Sie spuckte Feuer über die Landeplätze auf dem Dach und fegte sämtliche dort befindlichen Luftfahrzeuge mit einem einzigen Flammenstoß hinweg. Sie stieß einen triumphierenden Schrei aus und krachte mit einer Schulter so heftig gegen das Herrenhaus, dass das ganze Gebäude erbebte.

»Reicht das?«, fragte Molly mich.

»Wo zum Teufel hast du einen Drachen von dieser Größe herbekommen?«, staunte ich. »Ich bin offiziell beeindruckt, Molly! Ehrlich. Aber dies ist mein Zuhause, und ich fände es nicht schlecht, wenn am Ende des Tages noch etwas davon übrig wäre! Sagt dir der Begriff Overkill etwas? Bist du sicher, dass du ihn überhaupt kontrollieren kannst?«

»Selbstverständlich!«, erwiderte Molly, »Ich hab mal einen Dorn aus seiner Pfote entfernt. Entspann dich, Eddie, es ist kein echter Drache; nur ein weiterer Zauber von meinem Kettchen.«

»Dann ist der Schaden, den er am Herrenhaus anrichtet, also auch nicht echt?«

Molly runzelte die Stirn. »Nun, ja und nein.«

»Lass uns schnell reingehen«, sagte ich, »bevor die Familie herausfindet, was los ist.«

Der Großteil der Familie war inzwischen um den rückwärtigen Teil des Hauses herumgegangen, um sich mit der offensichtlichsten Bedrohung zu befassen, wodurch die Vorderseite des Herrenhauses unverteidigt war. Nur offene Rasenflächen zwischen mir und dem Vordereingang. Und dann tauchten aus dem Nichts die Vogelscheuchen auf, von einem Augenblick auf den anderen, und stellten sich mir in den Weg. Erst eine, dann zwei und zum Schluss ein rundes Dutzend. Ich packte Molly am Arm, und rutschend kamen wir ein gutes Stück vor ihnen zum Stehen. Mit steifen Bewegungen nahmen sie Verteidigungspositionen zwischen uns und dem Vordereingang ein, und ihre behandschuhten Hände waren starr wie Krallen. Unnatürlich still, unglaublich stark. Zwölf Vogelscheuchen, die von ihren Kreuzen herabgestiegen waren und arg in Mitleidenschaft gezogene Kleider aus unterschiedlichen Zeitaltern bis zurück in siebzehnte Jahrhundert trugen. Die gehasstesten Feinde der Drood-Familie, zu Vogelscheuchen umgeändert, um das Herrenhaus zu bewachen, das sie einst bedroht hatten. Einfach weil wir es konnten. Die Gesichter der Vogelscheuchen waren verwittert, straff, braun wie Pergament und genauso spröde. Strohbüschel ragten aus ihren Ohren und Mündern, aber ihre Augen waren noch lebendig und ließen ihr endloses Leiden erahnen.

»Sind das die …?«, fragte Molly.

»Jawohl«, antwortete ich. »Jemand im Herrenhaus ist in Panik geraten und hat die Vogelscheuchen losgelassen. Unsere erbittertsten Feinde, besiegt und benutzt. Die Körper ausgehöhlt und mit Stroh gefüllt, während sie noch am Leben waren, und dann durch unbrechbare Pakte verpflichtet, das Herrenhaus zu verteidigen, nötigenfalls bis zu ihrer eigenen Vernichtung. Keiner von ihnen ist tot - sie könnten nicht mehr leiden, wenn wir sie sterben ließen. Wenn man die richtige übernatürliche Frequenz abhört, kann man sie schreien hören.«

»O mein Gott!«, sagte Molly. »Das da ist Lore Ley, der Wasserelementargeist, die Attentäterin, die sie einst die Liquidatorin nannten! Und da ist Mad Frankie Phantasma! Ich habe mich immer gefragt, was aus ihnen geworden ist.«

»Niemand greift die Familie in ihren eigenen Mauern an und kommt ungestraft davon«, erklärte ich. »Wir nehmen das persönlich. Und ein Spritzer Ironie bei unserer Rache hat uns schon immer gefallen. Jetzt weißt du also, was uns erwartet, wenn wir das hier vermasseln.«

»Warum kümmert sich das Confusulum nicht um sie?«, wollte Molly wissen.

»Gute Frage. Ich denke … weil die Vogelscheuchen auf der Grenze zwischen Leben und Tod existieren und weder in dem einen noch in dem anderen Zustand sind. Ihre Natur ist bereits so verwirrt, dass das Confusulum es nicht schlimmer machen könnte, selbst wenn es es versuchte.«

»Stecken wir da etwa in Schwierigkeiten?«, fragte Molly vorsichtig.

»Definitiv!«, antwortete ich. »Wegen dem, was sie sind und was ihnen angetan wurde, können die Vogelscheuchen weder verletzt noch aufgehalten noch abgewendet werden.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Wir nehmen sie gnadenlos auseinander«, sagte ich. »Denn schließlich sind sie nur Vogelscheuchen, wohingegen wir Eddie Drood und Molly Metcalf sind!«

»Verdammt richtig!«, sagte Molly.

Ich rüstete hoch, und das lebende Metall glitt über mich, und ich ging, um den Vogelscheuchen entgegenzutreten, während sie vorwärtstorkelten. Die goldene Rüstung machte mich wieder stark, trotz der Schmerzen, die jetzt meine ganze linke Seite durchwühlten. Ich knallte gegen die erste Vogelscheuche und nahm sie mit roher gepanzerter Gewalt auseinander. Ich riss ihr die Arme ab, zerschmetterte ihren Brustkorb und riss ihr dann den Kopf geradewegs von den Schultern und schleuderte ihn fort. Die anderen Vogelscheuchen drängten sich um mich und schlugen mit ihren steinharten Fäusten nach mir und zerrten an meinen Schultern, aber selbst ihre unnatürliche Kraft war meiner Rüstung nicht gewachsen.

(Es war nie beabsichtigt gewesen, dass sie in der Lage sein sollten, einen Drood auseinanderzunehmen. Wir gehen niemals das Risiko ein, dass unsere eigenen Waffen gegen uns eingesetzt werden könnten.)

Sie zogen an meinen goldenen Beinen und versuchten mich umzukippen und bedrängten mich von allen Seiten, aber ich stand sicher und wollte nicht fallen. Ich riss sie in Stücke, Glied um Glied, und zu keinem Moment floss Blut, nur noch mehr Stroh stand aus ausgefransten Gelenkpfannen heraus. Ich zerfetzte ihre hohlen Körper und schleuderte die Stücke hierhin und dorthin. Köpfe rollten übers Gras, die Augen noch lebendig, immer noch leidend und hassend.

Wenn das hier vorbei war, würde die Familie sie einfach wieder zusammensetzen. Keine Ruhe für diejenigen, die es gewagt hatten, böse zu uns zu sein.

Molly ließ sich beim Kampf gegen die Vogelscheuchen nicht lumpen. Sie schlug mit den vier Elementen auf sie ein, mit allen zugleich. Wirbelstürme zogen aus dem Nichts auf, ergriffen die Vogelscheuchen, schleuderten sie hoch in den Himmel und ließen sie wieder auf die Erde krachen. Plötzliche Platzregen wählten sich einzelne Vogelscheuchen zum Ziel und durchtränkten sie so heftig, dass sie sich kaum noch bewegen konnten. Andere gingen in Flammen auf, die so wild brannten, dass die strohgefüllten Körper in Sekundenschnelle von ihnen verzehrt wurden. Und schließlich tat die Erde selbst sich auf, verschluckte alle Vogelscheuchen, die noch standen, und schlug über ihnen wieder zu und sperrte sie in ihrem Innern ein. Molly blickte sich um und nickte einmal befriedigt.

»Verdammt, wir sind gut!«

»Ja«, stimmte ich ihr zu, »das sind wir.«

Ich hätte das Confusulum benutzen können, um die Kräfte zu verwirren, die die Vogelscheuchen am Laufen hielten. Ich hätte es benutzen können, um die gefangenen Geister aus ihren