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»Ja«, räumte der Waffenschmied ein, »das weiß ich. Bei jedem anderen hätte ich es vielleicht geglaubt, aber bei dir nicht, Eddie. Du warst immer so ehrlich und offen bezüglich deiner Zweifel … Ich konnte es nicht glauben, als sie es mir sagten. Wollte es nicht glauben, bis sie mir sagten, ich solle die Klappe halten und tun, was man mir sagt. Etwas geht in der Familie vor, Eddie, das ich nicht verstehe. Splittergruppen, interne Kämpfe, tiefe Uneinigkeiten wegen Debatten, denen ich nicht einmal folgen kann … Und jetzt haben verschiedene Teile der Familie sogar Geheimnisse voreinander! Ich werde auch absichtlich nicht mehr auf dem Laufenden gehalten, und das hat es vorher noch nie gegeben. Mutter hätte das nie zugelassen … Sie hat meinem Urteilsvermögen immer vertraut. Aber in den Jahren, seit du weggegangen bist, haben sich die Dinge dramatisch verändert, Eddie, und das nicht zum Besseren. Muss ich dir wirklich erzählen, dass mein Rücktritt als Waffenschmied zugunsten der lieben kleinen Alexandra nicht meine Idee war? Ich hätte gedacht, nicht.«

»Ich brauche deine Hilfe, Onkel Jack«, sagte ich. »Ich brauche dein Vertrauen!«

»Das wird mir wirklich nicht gefallen, stimmt's?« Er erhob sich und klopfte mir auf die Schulter. »Du wirst vermutlich weniger Schaden anrichten, wenn ich dir helfe. Hör zu, wenn du Antworten willst, musst du in die Bibliothek gehen. Alles befindet sich da drin, irgendwo.« Er angelte einen Schlüsselbund aus seiner Kitteltasche und nahm einen kleinen Schlüssel ab, den er mir reichte. »Die Bibliothek wird sich automatisch verschlossen haben, als die Alarme losgingen, aber dieser Schlüssel wird dir alle Türen öffnen. Gib gut auf diesen Schlüssel acht, Eddie; ich will ihn wiederhaben! Und jetzt seht zu, dass ihr euch hier rausschafft, bevor jemand kommt und mich beim Reden mit euch erwischt!«

»Danke für den Schlüssel«, sagte ich. »Aber ich brauche noch etwas von dir.«

»Ach ja, natürlich! Molly ist eine entzückende junge Dame, Eddie; meinen Segen hast du.«

»Nicht das! Na ja, danke dafür, aber … Ich brauche etwas aus der Waffenkammer. Um genau zu sein, ich brauche etwas aus dem Armageddon-Kodex.«

Der Waffenschmied hörte zu lächeln auf. »Du willst, dass ich dir eine der verbotenen Waffen gebe?«

»Jawohl. Ich brauche den Eidbrecher.«

Er sah mich einen langen Moment lang an, und sein Blick war sehr kalt. »Warum in des guten Gottes Namen solltest du dieses schreckliche Ding wollen?«

»Es gibt etwas Verderbtes im Herzen der Familie«, antwortete ich und begegnete standhaft seinem Blick. »Das weißt du so gut wie ich. Ich brauche die eine Waffe, gegen die kein Mitglied der Familie anzukommen hoffen darf. Die eine Waffe, bei der sie nicht einmal auf den Gedanken kommen werden, Widerstand zu leisten. Es ist die einzige Möglichkeit, bei der ich sicher sein kann, Blutvergießen zu vermeiden, Onkel Jack.«

»Nein, Junge«, sagte der Waffenschmied mit ausdrucksloser Stimme. »Du verlangst zu viel.«

»Das muss er«, mischte Molly sich ein. »Er hat keine Zeit, subtil zu sein. Er ist mit einem Pfeil aus fremder Materie angeschossen worden, die immer noch in seinem Organismus steckt und ihn vergiftet.«

Der Waffenschmied blickte mich scharf an. »Ist das wahr, Eddie?«

Ich nickte steif. »Hat meine Rüstung mühelos durchschlagen. Ich dachte, ich hätte die Wunde mit einem Medklecks geheilt, aber die fremde Materie ist immer noch in mir. Und sie breitet sich aus.«

»Du lieber Gott … Wie lang hast du noch, Eddie?«

»Drei Tage«, antwortete ich. »Vielleicht weniger.«

»O Mannomann! … Ich habe von dem Pfeil gehört, aber ich hatte ja keine Ahnung … Fremde Materie. Verfluchtes Zeug! Ich habe die einzigen Proben, die ich hatte, vernichtet. Lass mich ein paar alte Notizen durchforsten und schauen, was ich tun kann … Es muss etwas geben, was ich tun kann …«

»Die Zeit habe ich nicht, Onkel Jack«, sagte ich. »Deshalb muss ich das hier schnell erledigen, und deshalb brauche ich den Eidbrecher. Du hast mein Wort, dass ich nichts damit machen werde, was der Familie schaden würde.«

»Ich weiß nicht …«, zögerte der Waffenschmied.

»Ich aber«, sagte eine sehr vertraute Stimme hinter mir. »Du bekommst nichts, Verräter, außer das, was auf dich zukommt.«

Wir blickten uns alle um, und da stand Alexandra, groß und stolz wie immer. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und hielt etwas Schreckliches in ihren Händen. Molly wollte auf sie zugehen, aber ich ergriff ihren Arm und hielt sie zurück. Der Waffenschmied ergriff ihren anderen Arm.

»Nicht bewegen, Molly!«, sagte er ruhig. »Sie trägt eine unserer gefährlichsten Waffen: der Torquesschneider.«

»Was zum Teufel ist das?«, fragte Molly, versuchte jedoch nicht, gegen uns anzukämpfen.

»Genau das, wonach es sich anhört«, sagte ich. »Hallo, Alexandra. »Du siehst … ganz wie du selbst aus. Was machst du mit dem Torquesschneider?«

»Ich habe ihn nur für dich aus dem Sicherheitsfach genommen, Eddie«, sagte sie. Ihre Stimme war beinah neckend, doch sie lächelte nicht, und ihre Augen waren sehr kalt. »Die Zeit ist abgelaufen, Eddie. Das Spiel ist vorbei.«

»Würde mir bitte mal jemand verraten, warum sich alle immer so dramatisch aufführen müssen?«, sagte Molly.

»Die Schere, die sie hält, ist das Einzige, was den Torques eines Droods durchtrennen kann«, erklärte der Waffenschmied ihr. »Sie zerreißt die lebenslange Verbindung zwischen einem Drood und seiner Rüstung. Die Operation verläuft immer tödlich. Der Torquesschneider ist eine sehr alte Waffe, älter noch als die Familiengeschichte. Sie sollte, wenn überhaupt, nur als letzte Zuflucht benutzt werden, um einen Vogelfreien zur Strecke zu bringen, der die gesamte Familie gefährdet, und das auch nur, wenn alles andere fehlgeschlagen ist. Sie ist seit Jahrhunderten nicht mehr eingesetzt worden.«

»Sieht aus wie eine Gartenschere«, und da war was Wahres dran. Die Schere bestand aus unbeschichtetem Eisen, nicht aus Stahl, und sah nach dem aus, was sie war: ein einfaches Schneidewerkzeug. Ode und funktional, aber in den Augen jedes Droods hässlich durch ihre bösartige Bedeutsamkeit. Eines der wenigen Dinge, die einen Drood absolut garantiert töten konnten. Ich stand sehr still da und sorgte dafür, dass Molly es mir gleichtat. Alexandra würde nicht zögern, den Torquesschneider zu benutzen. Bei diesem Gedanken fragte ich mich, warum sie ihn nicht schon längst benutzt hatte - ich an ihrer Stelle hätte es. Vielleicht … war es möglich, dass ein Teil von ihr wollte, dass ich es ihr ausredete? Wir hatten uns einmal nahegestanden - einst.

»Tu das nicht, Alex!«, sagte ich vorsichtig. »Du weißt, dass das alles Scheiße ist. Du weißt, dass ich niemals ein Verräter sein könnte. Du warst es doch, die mich einmal am besten von allen kannte.«

»Das dachte ich auch«, entgegnete sie. »Aber dann gingst du fort, und du hast mich nicht mitgenommen.«

»Ich habe dich gefragt«, sagte ich.

»Du wusstest, dass ich nicht gehen konnte! Ich musste mir hier im Herrenhaus mein eigenes, neues Leben schaffen. Ein Leben, in dem ich sehr mächtig geworden bin, Eddie. Und du bist ganz eindeutig ein Verräter, ein Verräter am wahren Geist der Familie! Du bist eine Bedrohung für die Zukunft der Familie, Eddie. Und das kann, das werde ich nicht zulassen.«

Sie trat vor und hob den Torquesschneider, und der Waffenschmied bellte ein einziges Wort. Die hässliche schwarze Schere sprang geradewegs aus Alexandras Händen und in die des Waffenschmieds. Aus ihrem Blick sprach etwas wie Erschütterung, als er die Schere unbekümmert und mit selbstgefälligem Lächeln in seine Kitteltasche stopfte.

»Ich habe ein sicheres Wort in alles eingeflochten, was durch mein Labor kommt, nur für den Fall, dass die Sachen in die falschen Hände geraten. Und die tödlichsten Waffen haben alle erst vor Kurzem die Waffenkammer passiert, dank der Anweisungen der Matriarchin. Mutter war schon immer ein wenig paranoid, und glücklicherweise hat sie eine gesunde Portion dieser Paranoia an ihre Kinder weitergegeben.« Nach diesen Worten zog er einen Nadelrevolver aus der anderen Tasche und schoss Alexandra damit in den Hals. Sie hatte gerade noch Zeit, eine Hand auf die Einschussstelle zu schlagen, dann fiel sie wie ein nasser Sack zu Boden, aus wie ein Licht. Der Waffenschmied blies imaginären Rauch vom Lauf seines Revolvers und steckte ihn danach wieder weg. »Den hab ich immer griffbereit, falls meine Laborassistenten mal ein bisschen überdreht sind. Sie wird ungefähr eine Stunde lang schlafen. Leg sie irgendwohin, wo sie es bequem hat, Eddie; ich gehe derweil den Schlüssel für den Kodex holen.«