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Und davon, wie du das erste Mal ins Zwielicht eintrittst - fröhlich und gut oder unglücklich und böse - hängt ab, was du wirst. Welche Kraft du zukünftig aus dem Zwielicht schöpfst - das wiederum die Kraft aus den gewöhnlichen Menschen heraussaugt. »Wenn er ein richtiger Anderer wird…«

Es gibt immer die Möglichkeit, jemandem die Initiierung aufzuzwingen. Jedoch um den Preis des Lebens, indem man ihn in eine lebendige Leiche auf zwei Beinen verwandelt. Ein Mensch kann ein Vampir oder ein Tiermensch werden - und wäre gezwungen, seine Existenz durch Menschenleben aufrechtzuerhalten. Daher können nur Dunkle diesen Weg gehen… Und selbst sie lieben ihn nicht besonders. Aber wenn man tatsächlich zum Magier werden konnte?

Wenn es für jeden x-beliebigen Menschen die Möglichkeit gab, sich in einen Anderen zu verwandeln? Ein langes, ein sehr langes Leben zu erhalten, in dem ihnen die ungewöhnlichsten Wege offen standen? Das würden viele wollen, ohne Zweifel.

Wir selbst hätten ja auch gar nichts dagegen. Es gäbe so viele Menschen, die es wert wären, Lichte zu werden!

Nur würden dann auch die Dunklen anfangen, ihre Reihen aufzustocken…

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Unglück bestand nicht darin, dass jemand den Menschen unser Geheimnis enthüllte. Das Unglück bestand nicht in der Lücke im System. Nicht darin, dass der Verräter die Adresse der Inquisition kannte.

Sondern darin, dass dies eine neue Phase in einem ewigen Krieg einleitete!

Seit Jahrhunderten sind die Lichten und die Dunklen nun durch den Großen Vertrag gebunden. Wir dürfen unter den Menschen die Anderen suchen, dürfen sie auf die jeweilige Seite ziehen, die Seite, die wir für die richtige halten. Aber wir sind gezwungen, Tonnen von Sand zu sieben, um ein Goldkorn zu finden. Auf diese Weise wird das Gleichgewicht gewahrt.

Und plötzlich tut sich die Möglichkeit auf, Tausende, Millionen von Menschen auf einen Schlag in Andere zu verwandeln.

Eine Fußballmannschaft holt sich den Pokal - und Zehntausende jubelnder Fans bekommen einen magischen Schlag, der sie in Lichte verwandelt.

Parallel dazu gibt die Tagwache den Anhängern der besiegten Mannschaft einen Befehl - und diese verwandeln sich in Dunkle.

Das schwirrte Kostja im Hinterkopf. Die gewaltige Versuchung, mit einem Mal das Gleichgewicht zugunsten der eigenen Seite zu verschieben. Natürlich können sowohl die Dunklen als auch wir die Folgen eines solchen Schritts abschätzen. Natürlich würden beide Seiten neue Bestimmungen in den Vertrag aufnehmen und für die Initiierung von Menschen akzeptable Grenzen abstecken. So wie die USA und die UdSSR das Wettrüsten bei Atomwaffen einschränken konnten…

Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Semjon hatte mir mal erzählt, das Wettrüsten sei gestoppt worden, als eine ultimative Waffe gefunden worden war. Zwei - mehr waren dazu nicht nötig - thermonukleare Sprengkörper, die eine selbstständig weiterlaufende Kettenreaktion der Kernfusion hervorrufen würden. Die amerikanische Bombe war in Texas stationiert, die russische in Sibirien. Es brauchte nur eine gezündet zu werden, und der ganze Planet würde sich in einen Feuerball verwandeln.

Dass uns ein solches Vorgehen nicht gefällt, steht hier nicht zur Debatte. Allerdings wird eine Waffe, die nie eingesetzt werden darf, auch nie funktionieren. Die Präsidenten müssen das nicht unbedingt wissen, schließlich sind sie nur Menschen…

Ob die Chefs der Wachen vergleichbare»magische Bomben«haben? Und die Inquisition, in das Geheimnis eingeweiht, deshalb so grimmig auf die Einhaltung des Vertrags achtet? Vielleicht.

Trotzdem wäre es besser, wenn man normale Menschen nicht initiieren könnte…

Selbst im Halbschlaf zuckte ich schmerzlich vor meinen eigenen Gedanken zurück. Sollte das heißen, dass ich anfing, wie ein echter Anderer zu denken? Es gibt die Anderen, und es gibt Menschen. Letztere sind zweitrangig. Nie werden sie ins Zwielicht eintreten können, nie werden sie länger als hundert Jahre leben. Da ist nichts zu machen…

Ja, genau so dachte ich allmählich. Einen guten Menschen mit Anlagen zum Anderen zu finden, ihn auf unsere Seite zu ziehen, das ist ein pures Vergnügen. Aber durchweg aus allen Andere zu machen wäre kindisch, gefährlich und verantwortungslos.

Ich hatte Grund, stolz zu sein. Keine zehn Jahre hatte ich gebraucht, um endgültig aufzuhören, ein Mensch zu sein.

Mein Morgen begann mit der Erkundung der Geheimnisse der Dusche. Mein Verstand trug den Sieg über das seelenlose Metall davon, ich duschte, sogar bei Musik, und stellte mir dann ein Frühstück aus Zwieback, Wurst und Joghurt zusammen. Durch den Sonnenschein stieg meine Laune gleich, ich setzte mich aufs Fensterbrett und frühstückte mit Blick auf die Moskwa. Aus irgendeinem Grund fiel mir ein, dass Kostja zugegeben hatte, Vampire könnten nicht in die Sonne gucken. Sonnenlicht verbrannte sie nicht, sie mochten es einfach nicht.

Allerdings hatte ich keine Zeit, lange über das traurige Schicksal meiner alten Bekannten nachzugrübeln. Ich musste jemanden suchen. Aber wen? Einen Anderen, der zum Verräter geworden war? Da befand ich mich nicht gerade in der besten Ausgangsposition. Seinen menschlichen Auftraggeber? Eine lange und mühevolle Angelegenheit.

Gut, beschloss ich, gehen wir nach den strengen Gesetzen des klassischen Kriminalromans vor. Was haben wir in der Hand? Einen Hinweis. Einen Brief, der aus dem Assol abgeschickt worden ist. Was bringt uns das? Nichts! Es sei denn, jemand hat gesehen, wer den Brief vor drei Tagen eingesteckt hat. Die Chancen, dass er sich daran erinnerte, standen natürlich nicht gerade gut…

Ich Idiot! Ich schlug mir sogar gegen die Stirn. Natürlich denkt ein Anderer nicht an die moderne Technik, denn die Anderen lieben komplizierte Technik nicht. Aber ich bin immerhin ein Computerfreak!

Das gesamte Territorium des Assol wird durch Videokameras überwacht!

Ich zog meinen Anzug an und band mir die Krawatte um. Bespritzte mich mit dem Eau de Cologne, das Ignat gestern für mich ausgesucht hatte. Steckte das Handy in die Innentasche…»Nur kleine Jungs und Verkäufer tragen das Handy am Gürtel!«So hatte Geser es mir beigebracht.

Das Handy war auch neu, ungewohnt. Mit irgendwelchen Spielen, eingebautem Player, einem Diktiergerät und weiterem in einem Telefon absolut überflüssigen Kram.

In der angenehm kühlen Stille des funkelnagelneuen Otis fuhr ich ins Vestibül hinunter. Und stieß als Erstes auf meinen nächtlichen Bekannten. Der jetzt noch seltsamer aussah…

Lass, in einem neuen Blaumann mit dem stolzen Aufdruck»Assol«auf dem Rücken, erklärte einem bedripsten älteren Mann, der genau so einen Overall trug, etwas. »Das ist kein Besen, verstehst du das denn nicht?«, klang es zu mir herüber. »Da ist ein Computer, der dir das Niveau der Verschmutzung des Asphalts anzeigt und dir sagt, welchen Druck das Spülwasser haben muss… Ich zeig's dir einfach…«Meine Beine trugen mich den beiden von selbst hinterher.

Vor dem Hauseingang standen zwei grell orangefarbene Kehrfahrzeuge. Mit Wasserbehälter, Tellerbürsten und kleiner Glaskabine für den Fahrer. Die Wagen beschworen die Erinnerung an ein Spielzeug herauf, als kämen sie direkt aus einem Märchenland, wo kleine Jungen und Mädchen fröhlich ihre Miniaturboulevards säuberten.

Geschickt kroch Lass in das Fahrerhäuschen eines der Wagen, der ältere Mann zwängte sich ebenfalls halb hinein. Er ließ sich von Lass etwas erklären, nickte und ging zu dem zweiten orangefarbenen Fahrzeug.

»Wenn du eine ruhige Kugel schieben willst, solltest du dein Leben lang irgendwo schwarz als Hausmeister arbeiten!«, vernahm ich Lass' Worte. Sein Fahrzeug setzte sich in Bewegung, die Bürsten kreisten munter, und er drehte seine Runden über den Asphalt. Der Hof, ohnehin sauber, nahm im Handumdrehen ein steriles Aussehen an. Hast du Töne! Was bedeutete das? Arbeitete Lass als Hausmeister im Assol?