Als ich eintrat, mich orientierte und auf die Wanne zuging, starrte Timur Borissowitsch mich an und runzelte die Stirn. Machte aber keine abrupten Bewegungen.
»Ihre Bodyguards schlafen«, setzte ich ihn in Kenntnis. »Ich vermute, Sie könnten jetzt den Knopf einer Alarmanlage drücken oder eine Pistole ziehen. Das brauchen Sie nicht, es würde Ihnen ohnehin nichts nützen.«
»Es gibt hier keinen solchen Alarmknopf«, brummte Timur Borissowitsch, und seine Stimme erinnerte schmerzhaft an die Stimme Gesers. »Ich bin nicht paranoid… Sie sind vermutlich ein Anderer?«
Aha. Legen wir die Karten also auf den Tisch…»Ja«, meinte ich lächelnd. »Schön, dass ich auf lange Erklärungen verzichten kann.«
Timur Borissowitsch schnaubte empört. »Was kommt jetzt?«, fragte er. »Muss ich aus der Wanne steigen? Oder können wir das so aushandeln? »
»Es geht auch so«, versicherte ich. »Darf ich mich setzen?«
Der Sprössling des großen Magiers nickte, ich zog einen Sessel heran und nahm Platz, wobei ich erbarmungslos seinen teuren Anzug zerknautschte. »Wissen Sie, warum ich gekommen bin?«, fing ich an.
»Sie sehen nicht wie ein Vampir aus«, meinte Timur Borissowitsch. »Sie sind ein Magier, oder? Ein Lichter?«Ich nickte.
»Sie sind gekommen, um mich zu initiieren«, vermutete Ti-mur Borissowitsch. »Wäre es so kompliziert gewesen, vorher anzurufen?«
Ach du meine Güte… Nichts verstand er.
»Wer hat Ihnen versprochen, Sie zu initiieren?«, fragte ich scharf.
Timur Borissowitsch runzelte die Stirn. »Also… bringen wir es hinter uns«, murmelte er. »Weshalb sind Sie gekommen?«
»Ich untersuche einen Fall, bei dem es um eine nicht sanktionierte Weitergabe von geheimen Informationen geht«, antwortete ich.
»Aber Sie sind ein Anderer? Sie sind nicht von der Staatssicherheit?«, wollte Timur Borissowitsch nervös wissen.
»Zu Ihrem großen Unglück bin ich nicht von der Staatssicherheit. Erzählen Sie mir in aller Offenheit, wer Ihnen wann das Versprechen gegeben hat, Sie zu initiieren.«
»Eine Lüge würden Sie eh spüren«, erwiderte Timur Borissowitsch nur.
»Natürlich.«
»Mein Gott, ich wollte einfach nur ein paar Stunden meine Ruhe haben!«, rief Timur Borissowitsch mit schmerzerfüllter Stimme. »Hier gibt es Probleme, da Schwierigkeiten… Und wenn ich mich in der Wanne entspannen will, platzt ein seriöser junger Mensch herein und verlangt Erklärungen!«
Ich wartete ab. Wies ihn nicht darauf hin, dass ich kein»junger Mensch«war.
»Vor einer Woche hat sich jemand mit mir getroffen…«, begann Timur Borissowitsch stockend. »Unter recht seltsamen Umständen… ein Herr…«
»Wie sah er aus?«, wollte ich wissen. »Sie brauchen ihn mir nicht zu beschreiben. Stellen Sie ihn sich einfach kurz vor.«
In Timur Borissowitschs Augen flackerte Neugier auf. Er starrte mich an.
»So?«, fragte ich irritiert. Was seinen Grund hatte.
Wenn ich dem Bild glauben durfte, das der Geschäftsmann sich eben ins Bewusstsein gerufen hatte (und ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben), dann hatte der heute kaum noch bekannte, früher jedoch ausgesprochen populäre Filmschauspieler Oleg Strishenow mit ihm gesprochen.
»Oleg Strishenow«, schnaubte Timur Borissowitsch. »Jung und schön. Ich habe schon geglaubt, mit meinem Kopf stimme irgendetwas nicht. Doch er hat mir mitgeteilt, das sei bloß eine Maskierung… eine Maske…«
Natürlich. Geser hatte noch so viel Verstand besessen, sich zu maskieren. Hm… das erhöhte vielleicht unsere Chancen!
Ich wurde wieder etwas zuversichtlicher. »Fahren Sie fort«, verlangte ich. »Was passierte dann? »
»Dieser Tiermensch«, berichtete Timur Borissowitsch, unfreiwillig all unsere Begriffe verwechselnd, »hat mir bei einer Sache sehr geholfen. Ich war da in eine unangenehme Geschichte hineingeraten… durch puren Zufall. Wenn er mir nicht bestimmte Dinge gesagt hätte, läge ich jetzt nicht hier. »
»Er hat Ihnen also geholfen?«, hakte ich nach.
»Und wie«, nickte Timur Borissowitsch. »Natürlich wurde dadurch meine Neugier geweckt. Irgendwann haben wir uns unterhalten… ganz offen. Wir haben uns an das alte Taschkent erinnert, über alte Filme geplaudert… Dann hat mir dieser falsche Strishenow von den Anderen erzählt. Er hat behauptet, mit mir verwandt zu sein. Deshalb würde er mir gern jeden nur denkbaren Gefallen erweisen. Einfach so, ohne jede Gegenleistung. »
»Und?«, wollte ich weiter wissen.
»Ich bin schließlich kein Dummkopf.«Timur Borissowitsch zuckte mit den Schultern. »Einen goldenen Fisch sollte man nicht um drei Wünsche bitten, sondern um Allmacht. Oder schlimmstenfalls um ein Bassin mit goldenen Fischen. Ich habe ihn gebeten, aus mir ebenfalls einen Anderen zu machen. Daraufhin fing der so genannte Strishenow an herumzudrucksen und wand sich wie ein Fisch in der Pfanne. Er behauptete, das ginge nicht. Doch ich spürte, dass er log. Es ging! Deshalb habe ich ihn gebeten, sich etwas einfallen zu lassen und mich doch zu einem Anderen zu machen…«
Er log nicht. Nicht bei einem Wort. Sondern sagte einfach nicht alles.
»Sie können kein Anderer werden«, erklärte ich. »Sie sind ein gewöhnlicher Mensch. Es tut mir leid, aber Sie werden nie ein Anderer.«Timur Borissowitsch schnaubte erneut.
»Das ist… Das ist eine Frage der Gene, wenn Sie so wollen«, erklärte ich. »Timur Borissowitsch, ist Ihnen klar, dass Ihr Verhandlungspartner aus bestimmten Gründen in eine Fallegeraten war? Dass er seinen Vorschlag unglücklich formuliert hat und jetzt gezwungen ist, etwas Unmögliches zu vollbringen?«
Daraufhin konnte mein selbstsicheres Gegenüber nur schweigen.
»Sie haben es gewusst«, schlussfolgerte ich. »Ich sehe doch, dass Sie es gewusst haben. Und trotzdem haben Sie diese Forderung gestellt?«
»Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass es möglich ist, das zu machen!«, widersprach Timur Borissowitsch mit erhobener Stimme. »Das spüre ich! Ich spüre nicht schlechter als Sie, wenn jemand lügt! Und ich habe niemanden bedroht, sondern nur um etwas gebeten!«
»Vermutlich ist Ihr Vater an Sie herangetreten!«, sagte ich. »Ist Ihnen das klar?«
Timur Borissowitsch erstarrte in seiner sprudelnden Jacuzzi zur Salzsäule.
»Er wollte Ihnen in der Tat helfen«, sagte ich. »Aber das kann er nicht. Ihre Forderung bringt ihn im wörtlichen Sinne um. Begreifen Sie das?«Timur Borissowitsch schüttelte den Kopf.
»Er hat Ihnen ein viel zu vage formuliertes Versprechen gegeben«, sagte ich. »Sie haben ihn jedoch beim Wort genommen. Wenn er das gegebene Wort nicht einhält, stirbt er. Ist Ihnen das klar? »
»Ist das bei Ihnen so üblich?«
»Das hängt mit der Kraft zusammen«, erwiderte ich. »Jedenfalls bei den Lichten.«
»Wo war er denn früher, mein Papa…«, fragte Timur Borissowitsch mit deutlicher Wehmut in der Stimme. »Er ist doch noch immer jung, oder? Warum kommt er erst jetzt, wo meine Enkel schon verheiratet sind? »
»Glauben Sie mir, er konnte nicht«, versicherte ich. »Und vermutlich wusste er gar nichts von Ihnen. Das kann vorkommen. Aber jetzt bringen Sie ihn um. Ihren eigenen Vater.«Timur Borissowitsch schwieg.
Während ich triumphierte. Denn dieser in der Jacuzzi liegende Geschäftsmann war kein ausgemachtes Schwein. Und das Wort»Vater«bedeutete für ihn, der er im Orient aufgewachsen war, viel. Trotz allem.
»Sagen Sie ihm, dass ich… meine Bitte zurückziehe…«, murmelte Timur Borissowitsch. »Wenn er nicht will… ach, zum Teufel mit ihm… Er hätte doch einfach vorbeikommen und offen mit mir über alles sprechen können. Es gibt doch keinen Grund, dafür einen seiner Angestellten zu schicken.«
»Sind Sie sicher, dass ich einer seiner Angestellten bin?«, hakte ich neugierig nach.
»Ja. Ich weiß nicht, wer mein Vater ist. Aber in Ihrer Wache wird er schon nicht das kleinste Rädchen sein.«
Ich hatte es geschafft! Ich hatte das Damoklesschwert, das über Geser hing, abgenommen.
Ob er mich deswegen ins Assol geschickt hatte? Ob er wusste, dass mir das gelingen würde?