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»Und da macht man nie einen Fehler?«, fragte Geser skeptisch. »Das gibt es nicht. Trotzdem ist in unserer Geschichte kein Fall bekannt, wo ein Inquisitor den Großen Vertrag verletzt hätte…«

»Vermutlich kennen sie die Folgen einer Vertragsverletzung nur allzu genau. Ein Inquisitor in Prag hat mir mal gesagt: »Uns leitet das Entsetzen.«

»Viteszlav…«Geser runzelte die Stirn. »Er liebt eloquente Formulierungen… Gut, zerbrich dir darüber nicht weiter den Kopf. Die Situation ist einfach. Es gibt einen Anderen, der entweder den Großen Vertrag verletzt oder die Wachen und die Inquisition zum Besten hält. Die Inquisition wird eine Fahndung einleiten, dito die Dunklen. Von uns verlangt man ebenfalls einen Mitarbeiter. »

»Darf ich eine Frage stellen? Warum ausgerechnet ich?«

»Aus mehreren Gründen.«Geser breitete die Arme aus. »Erstens wird es im Zuge der Fahndung wohl zu einer Konfrontation mit Vampiren kommen. Und du bist unser Spezialist für die niederen Dunklen.«

Nein, ich hatte nicht den Eindruck, dass er lachte…

»Zweitens«, fuhr Geser fort, wobei er wie ein Deutscher die Finger der geschlossenen Faust nacheinander ausstreckte. »Seitens der Inquisition wurden mit der Untersuchung offiziell deine beiden Bekannten betraut. Viteszlav und Edgar.«

»Edgar ist in Moskau?«, fragte ich erstaunt. Ich konnte nicht gerade behaupten, dass ich den Dunklen Magier, der vor drei Jahren der Inquisition beigetreten war, sonderlich mochte. Aber… aber ich konnte immerhin sagen, dass er mir nicht unsympathisch war.

»Ja. Vor vier Monaten hat er seine Ausbildung abgeschlossen und ist zu uns gekommen. Da du dich während der Arbeit mit den Inquisitoren in Verbindung setzen musst, ist jede persönliche Beziehung von Vorteil.«

»Unsere persönlichen Begegnungen zählen aber nicht zu meinen angenehmsten Erinnerungen«, gab ich zu bedenken.

»Habe ich dir vielleicht eine Thai-Massage während der Arbeitszeit versprochen?«, fragte Geser hämisch. »Der dritte Grund, weshalb ich ausgerechnet dich auf diese Sache ansetzen möchte…«Er verstummte. Ich wartete.

»Auf Seiten der Dunklen leitet die Untersuchung ebenfalls ein alter Bekannter von dir.«

Den Namen brauchte Geser gar nicht erst zu nennen. Trotzdem fuhr er fort: »Konstantin. Der junge Vampir… dein ehemaliger Nachbar. Ich meine mich zu erinnern, dass ihr recht gut miteinander ausgekommen seid.«

»Ja, stimmt«, räumte ich bitter ein. »Solange er noch ein Kind war, nur Schweineblut getrunken und davon geträumt hat, seinem»Fluch«zu entgehen… Solange er noch nicht verstanden hatte, dass sein Bekannter, der Lichte Magier, solche wie ihn mit Haut und Haar verbrennt. »

»So ist das Leben«, konstatierte Geser.

»Er hat ja schon Menschenblut getrunken«, sagte ich. »Bestimmt! Wenn er sich in der Tagwache hochgedient hat.«

»Er ist ein Hoher Vampir geworden«, informierte mich Geser. »Der jüngste Hohe Vampir in ganz Europa. Wenn du das auf uns überträgst, ist er…«

»Zweite oder dritte Kraftstufe«, flüsterte ich. »Fünf oder sechs zerstörte Leben.«

Kostja, Kostja… Damals war ich ein junger und unerfahrener Magier. In der Nachtwache konnte ich keine Freunde finden, die Beziehungen zu meinen alten Bekannten gingen alle ziemlich schnell den Berg runter… Andere und Menschen können nicht miteinander befreundet sein… Und dann fand ich heraus, dass meine Nachbarn Dunkle waren. Eine Vampirfamilie. Mutter und Vater waren Vampire und hatten ihr Kind initiiert. Was wirklich nicht schlimm war. Sie gingen nachts nicht auf Jagd, beantragten keine Lizenzen. Gesetzestreu tranken sie nur Schweine- und Spenderblut. Mich Idioten hat das beruhigt. Ich habe mich mit ihnen angefreundet. Sie sogar besucht. Sie sogar eingeladen! Sie aßen das Essen, das ich für sie gekocht hatte, und lobten es… Und ich Hohlkopf begriff nicht, dass das Essen der Menschen für sie nach nichts schmeckt, dass sie ein alter, ewiger Hunger quält. Der kleine Vampir wollte sogar Biologe werden und herausfinden, wie man Vampirismus heilt… Dann tötete ich meinen ersten Vampir.

Danach trat Kostja in die Tagwache ein. Ich weiß nicht, ob er sein Biologiestudium abgeschlossen hat, aber von seinen Kinderträumen ist er mit Sicherheit kuriert…

Und er hat Lizenzen zum Töten bekommen. Wie sonst hätte er es geschafft, in nur drei Jahren zum Hohen Vampir aufzusteigen? Jemand muss ihm geholfen haben. Muss alle Möglichkeiten der Tagwache genutzt haben, damit Kostja, einst ein prima Kerl, wieder und wieder das Recht bekam, seine Eckzähne in den Hals eines Menschen zu schlagen… den?«

Ich zog das Handy aus meiner Tasche und wählte Swetlanas Nummer.

Zwei

Wir arbeiten nur selten verdeckt.

Erstens müssen wir unsere Natur als Andere dann vollständig verbergen. Damit deine Aura, die Kraftströme, die Erschütterung im Zwielicht dich nicht verraten. Diesbezüglich hast du es mit einer recht einfachen Konstellation zu tun. Wenn du ein Magier fünften Grades bist, bemerken dich schwächere Magier, also die mit dem sechsten oder siebten Grad, nicht. Als Magier ersten Grades bist du vor allen vom zweiten Grad abwärts geschützt. Wenn du ein Magier außerhalb der Kategorie bist… kannst du darauf hoffen, dass dir niemand auf die Schliche kommt.

Geser selbst sorgte für meine Tarnung. Sofort nach dem Gespräch mit Swetlana. Diesem kurzen, aber beklemmenden Gespräch. Wir stritten nicht, das nicht. Sie war nur sehr enttäuscht.

Zweitens brauchst du eine Legende. Am besten sicherst du die Legende auf magische Weise ab. Unbekannte Menschen sind dann schnell bereit, in dir einen Bruder zu sehen, einen Schwiegervater oder Freund aus der Armeezeit, mit dem sie sich von ihrer Truppe davongestohlen haben, um irgendwo was zu picheln. Aber jede magische Deckung hinterlässt Spuren, die ein mehr oder weniger starker Anderer erkennen kann.

Deshalb verzichteten wir bei meiner Legende auf jede Magie. Geser drückte mir die Schlüssel von einer Wohnung im Assol in die Hand. Hundertfünfzig Quadratmeter im siebten Stock. Die Wohnung lief auf meinen Namen, gekauft hatte ich sie vor einem halben Jahr. Als ich große Augen machte, erklärte Geser mir, dass die Papiere heute Morgen ausgestellt, dabei aber zurückdatiert worden waren. Für eine hübsche Stange Geld. Und dass wir die Wohnung später zurückgeben müssten.

Als Dreingabe bekam ich den Schlüssel für einen BMW. Das Auto war nicht neu, auch nicht besonders luxuriös - aber meine Wohnung war ja auch klein.

Dann betrat ein Schneider das Zimmer, ein trauriger alter Jude, ein Anderer siebten Grades. Er nahm meine Maße und versprach, bis zum Abend würde der Anzug fertig sein, in dem»dieser Junge endlich wie ein Mensch«aussehen werde. Geser behandelte den Schneider mit ausgesuchter Höflichkeit, öffnete ihm die Tür, begleitete ihn ins Vorzimmer und fragte beim Abschied schüchtern, was denn sein»Mäntelchen«mache. Worauf der Schneider erwiderte, der Chef brauche sich keine Sorgen zu machen, denn bis die Kälte einsetze, sei der Mantel, der dem Helllichten Geser zur Ehre gereiche, fertig.

Nach diesen Worten behagte mir die Entscheidung, mir einen ganzen Anzug anfertigen zu lassen, nicht mehr so wahnsinnig. Richtige grandiose Sachen nähte der Schneider offenbar nicht an einem halben Tag.

Um meine Krawatten kümmerte sich Geser persönlich. Er brachte mir sogar bei, wie ich einen besonders modischen Knoten hinbekam. Danach drückte er mir ein Bündel Geldscheine in die Hand, nannte mir die Adresse eines bestimmten Geschäfts und befahl mir, alles zu kaufen, was sonst noch nötig war, inklusive Unterwäsche, Taschentücher und Socken. Als Berater schlug er mir Ignat vor, unsern Magier, der in der Tagwache garantiert als Inkubus durchgegangen wäre. Oder Sukkubus. Ihm war das mehr oder weniger egal.

Der Streifzug durch die Boutiquen, in denen sich Ignat wie ein Fisch im Wasser fühlte, machte mir Spaß. Der Besuch beim Friseur, genauer gesagt, in einem Schönheitssalon, raubte mir dagegen den letzten Nerv. Nacheinander taxierten mich zwei Frauen und ein Mann, der einen auf Tunte machte, aber nicht schwul war. Die drei seufzten lange und wünschten meinem Friseur sonst was an den Hals. Sollten diese Flüche wahr werden, müsste mein armer Coiffeur während der ihm noch verbleibenden Jahre glatzköpfige Hammel scheren. Und zwar irgendwo in Tadschikistan. Anscheinend gehörte das zum Schlimmsten, was man einem Friseur wünschen konnte… Ich nahm mir vor, nachher bei meinem zweitrangigen Friseur vorbeizuschauen, der mir das letzte Jahr die Haare geschnitten hatte, und zu prüfen, ob sie dem Mann nicht doch einen Höllenstrudel angehängt hatten.