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»Also doch die Bombe?«, wollte Sebulon neugierig wissen.

»Nein!«Geser schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht hier. Außerdem kann ihm das nichts anhaben… er ist vorsichtig. Man muss ihn mit Magie schlagen.«Sebulon nickte. Und lachte plötzlich leise los. »Was ist?«, fragte Geser.

»Davon träume ich schon mein ganzes Leben lang«, sagte Sebulon. »Glaubst du das, alter Feind? Ich träume davon, einmal mit dir zusammenzuarbeiten! Offenbar ist doch was dran… vom Hass zur Liebe…«

»Du bist und bleibst doch ein hoffnungsloser Fall«, bemerkte Geser leise.

»Ganz in Ordnung ist das Oberstübchen ja bei keinem von uns«, kicherte Sebulon. »Was ist? Du und ich? Oder sollen wir unsere Leute noch dazuziehen? Sollen sie uns Kraft nachliefern, während wir die Speerspitze bilden.«Geser schüttelte den Kopf.

»Nein, Sebulon. Wir brauchen uns nicht auf Konstantin zu stürzen. Ich wüsste eine Alternative…«Er sah mich an.

Ich tastete mit der Zunge nach der Zahnlücke. Wie dumm doch alles gelaufen war…»Ich bin bereit, Geser.«

»Das könnte eine Chance sein«, meinte Sebulon zustimmend. »Wenn Kostja noch irgendwelche sentimentalen Gefühle hegt… Aber wirst du auch zuschlagen können, Anton?«

Ich antwortete nicht gleich. Denn ich musste wirklich erst darüber nachdenken.

Es ging hier nicht um eine Verhaftung. Vermutlich würde ich tödlich zuschlagen müssen. Zur Spitze werden, zum Zentrum der Kraft, die Geser, Sebulon, Edgar und möglicherweise noch weitere Magier in mich hineinpumpen würden. Sicher, ich besitze weniger Erfahrung als die Großen. Doch ich hatte die Chance, mich Kostja ohne Kampf zu nähern. Wenn man von jenen»sentimentalen Gefühlen«ausgeht.

Die Alternative sähe einfach aus: Die Großen würde alle Kraft in eine Faust legen. Selbst Nadjuschkas Kraft würden sie brauchen. Geser würde von Swetlana verlangen, unsere Tochter zu initiieren…

Also gab es keine Alternative. »Ich werde Kostja umbringen«, sagte ich.

»Nicht so«, sagte Geser leise. »Rede nicht so, Wächter. »

»Ich werde einen Vampir töten«, flüsterte ich. Geser nickte.

»Denk nicht zu viel darüber nach, Gorodezki«, fügte Sebulon hinzu. »Zeig jetzt Rückgrat. Den netten Jungen Kostja, den gibt es nicht. Und es hat ihn nie gegeben. Gewiss, er hat keine Menschen umgebracht, um an ihr Blut zu kommen. Aber er ist ein Vampir. Ein Untoter.«Geser nickte zustimmend. Einen Augenblick lang schloss ich die Augen. Ein Untoter.

Der nicht über das verfügt, was wir der Einfachheit halber Seele nennen.

Über eine selbst für uns, die Anderen, nicht fassbare Komponente. Nicht einmal in der frühesten Kindheit, dafür hatten seine Eltern gesorgt. Er wuchs auf, der Bezirksarzt hörte sein Herz ab und lobte die Gesundheit des Jungen. Von einem Jungen verwandelte er sich in einen jungen Mann, und keine Frau hätte behauptet, seine Lippen seien beim Küssen kalt. Er hätte Kinder haben können - ganz normale Kinder von einer ganz normalen Menschenfrau. Aber all das ist ein Nicht-Leben. Ist Ersatz, ist gestohlen. Und Doch zumindest leben wir bis zum Tod.

»Lasst mich mit Anton allein«, sagte Geser. »Ich werde versuchen, ihn vorzubereiten.«

Ich hörte, wie Sebulon und Edgar aufstanden. Sie gingen in den Gang hinaus und schlossen die Tür hinter sich. Etwas raschelte, anscheinend schirmte Geser uns gegen jede Beobachtung ab. Dann fragte er: »Nimmt es dich mit?«

»Nein.«Ich schüttelte den Kopf, ohne jedoch die Augen zu öffnen. »Ich denke nach. Schließlich hat Kostja versucht, sich nicht wie ein Vampir zu verhalten…»

»Und zu welchem Schluss bist du gekommen?«

»Er wird es nicht aushalten.«Ich öffnete die Augen und sah Geser ins Gesicht. »Er wird es nicht aushalten, er wird zusammenbrechen. Den physischen Bedarf nach Menschenblut konnte er ersticken, aber alles andre… Er ist ein Nicht-Lebender unter Lebenden und leidet darunter. Früher oder später wird Kostja zusammenbrechen.«Geser wartete ab.

»Einmal ist das schon passiert«, fuhr ich fort. »Als er Viteszlav und die Inquisitoren ermordet hat… Einer der Inquisitoren war ein Lichter, oder?«Geser nickte.

»Ich werde tun, was nötig ist«, versprach ich. »Kostja tut mir leid, aber das ändert nichts.«

»Ich glaube dir, Anton«, sagte Geser. »Und jetzt stell mir die Frage, die du eigentlich stellen willst! »

»Was hält Sie in der Nachtwache, Chef?«, fragte ich. Geser lächelte.

»Wir haben doch alle mehr oder weniger den gleichen Dreck am Stecken«, sagte ich. »Wir kämpfen nicht gegen die Dunklen, sondern wir kämpfen gegen diejenigen, die auch von den Dunklen verachtet werden… gegen Psychopathen, Verrückte, Größenwahnsinnige. Aus verständlichen Gründen gibt es bei Vampiren und Tiermenschen mehr davon. Und das sind halt Dunkle… Die Tagwache fängt die Lichten, die mit einem Schlag die ganze Menschheit glücklich machen wollen… also letzten Endes diejenigen, die den Menschen unsere Existenz enthüllen. Die Inquisition… sie sollte irgendwie über dem Kampf stehen, achtet aber eigentlich nur darauf, dass die Wachen ihre Aufgabe nicht übertrieben ernst nehmen. Dass die Dunklen nicht nach der förmlichen Macht über die Menschenwelt streben, dass die Lichten die Dunklen nicht vollständig ausrotten… Geser, die Nachtwache und die Tagwache - das sind zwei Hälften eines Ganzen.«Geser schwieg. Sah mich an und schwieg.

»Hat… hat man das mit Absicht so gemacht?«, fragte ich. Und gab mir gleich darauf selbst die Antwort: »Vermutlich schon. Die Jugend, die frisch initiierten Anderen würden niemals eine gemeinsame Wache aus Lichten und Dunklen anerkennen. Wie sähe das denn aus, wenn es hieße: Geh mit einem Vampir auf Patrouille! Ich selbst würde mich auch darüber aufregen. Deshalb wurden zwei Wachen geschaffen. Und die unteren Ränge bekriegen sich heute mit Feuereifer, während die Chefs ihre Intrigen spinnen, aus Langweile und um die Form zu wahren. Aber über beiden Wachen steht eine gemeinsame Leitung!«

Geser seufzte und holte sich eine Zigarre raus. Schnitt das Ende ab und zündetet sie an.

»Ich bin ein Idiot, dass ich die ganze Zeit grüble«, murmelte ich, ohne den Blick von Geser zu wenden. »Wie können wir überhaupt existieren? Hier die Wache in Samara, hier die in Groß Nowgorod, hier die im Dorf Kirejewski im Tomsker Gebiet. Alle scheinen irgendwie selbstständig zu sein. Aber im Grunde kommen bei Problemen alle zu uns gerannt, nach Moskau… Freilich, de jure ist nichts festgelegt, aber de facto ist es so: Die Moskauer Nachtwache leitet die Nachtwachen in ganz Russland.«

»Und von noch drei GUS-Staaten…«, murmelte Geser. Er stieß Rauch aus. Der Qualm ballte sich in der Luft zu einer dichten, schweren Wolke, die im Abteil hängen blieb.

»Gut, und wie weiter?«, fragte ich. »Wie können denn dann die unabhängigen Wachen Russlands und beispielsweise die Litauens zusammenarbeiten? Oder die Russlands, Litauens, der USA und Ugandas? In der Menschenwelt ist das alles klar: Wer den größeren Knüppel und das dickere Portemonnaie hat, der bestellt auch die Musik. Aber die russischen Wachen sind größer als die amerikanischen! Ich glaube sogar…«

»Die stärkste Wache ist die französische«, erklärte Geser mit gelangweilter Stimme. »Stark, aber extrem faul. Ein erstaunliches Phänomen. Wir können nicht begreifen, worauf es zurückzuführen ist - doch wohl nicht auf den Genuss von trockenem Wein und Austern in unvorstellbaren Mengen…«

»Die Inquisition regiert die Wachen«, sagte ich. »Sie entscheidet keine Streitigkeiten, bestraft keine Aussteiger, sondern regiert. Sie gibt die Erlaubnis für verschiedene gesellschaftliche Experimente, bestimmt und entlässt die Chefs… versetzt jemanden von Usbekistan nach Moskau… Es gibt eine Inquisition, und die hat zwei Arbeitsorgane. Die Nachtwache und die Tagwache. Und das einzige Ziel der Inquisition besteht im Erhalt des gegenwärtigen Status quo. Deshalb wäre ein Sieg der Dunklen genauso wie einer der Lichten eine Niederlage für die Inquisition als solche.«

»Und weiter, Anton?«, fragte Geser. Ich zuckte mit den Achseln.

»Weiter? Nichts weiter. Die Menschen leben ihr kleines Menschenleben. Freuen sich an den kleinen Menschenfreunden. Ernähren uns mit ihrer Energie… und liefern neue Andere. Die Anderen, die nicht so ehrgeizig sind, führen weiterhin ein fast normales Leben. Nur dass es satter, gesünder und länger ist als das von normalen Menschen. Wer unbedingt Auseinandersetzungen und Abenteuer braucht, Ideale und Kampf in seinem Leben haben will, kommt in die Wache. Wer sein Vertrauen in die Wache verliert, geht zur Inquisition. »