Wallenstein.
Was bringst du, Terzky?
Zwanzigster Auftritt
Vorige. Terzky kommt zurueck.
Terzky.
Botschaft von unsern treuen Regimentern.
Ihr Mut sei laenger nicht zu baendigen,
Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen,
Vom Prager-und vom Muehl-Tor sind sie Herr,
Und wenn du nur die Losung wolltest geben,
So koennten sie den Feind im Ruecken fassen,
Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge
Der Strassen leicht ihn ueberwaeltigen.
Illo.
O komm! Lass ihren Eifer nicht erkalten.
Die Buttlerischen halten treu zu uns,
Wir sind die groessre Zahl und werfen sie
Und enden hier in Pilsen die Empoerung.
Wallenstein.
Soll diese Stadt zum Schlachtgefilde werden
Und bruederliche Zwietracht, feueraugig,
Durch ihre Strassen losgelassen toben?
Dem tauben Grimm, der keinen Fuehrer hoert,
Soll die Entscheidung uebergeben sein?
Hier ist nicht Raum zum Schlagen, nur zum Wuergen;
Die losgebundnen Furien der Wut
Ruft keines Herrschers Stimme mehr zurueck.
Wohl, es mag sein! Ich hab es lang bedacht,
So mag sich's rasch und blutig denn entladen.
(Zu Max gewendet.)
Wie ist's? Willst du den Gang mit mir versuchen?
Freiheit zu gehen hast du. Stelle dich
Mir gegenueber. Fuehre sie zum Kampf.
Den Krieg verstehst du, hast bei mir etwas
Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht schaemen,
Und keinen schoenern Tag erlebst du, mir
Die Schule zu bezahlen.
Graefin.
Ist es dahin
Gekommen? Vetter! Vetter! koennt Ihr's tragen?
Max.
Die Regimenter, die mir anvertraut sind,
Dem Kaiser treu hinwegzufuehren, hab ich
Gelobt; dies will ich halten oder sterben.
Mehr fordert keine Pflicht von mir. Ich fechte
Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann,
Denn auch dein feindlich Haupt ist mir noch heilig.
(Es geschehn zwei Schuesse. Illo und Terzky eilen ans Fenster.)
Wallenstein.
Was ist das?
Terzky.
Er stuerzt.
Wallenstein.
Stuerzt! Wer?
Illo.
Die Tiefenbacher taten
Den Schuss.
Wallenstein.
Auf wen?
Illo.
Auf diesen Neumann, den
Du schicktest-
Wallenstein. (auffahrend).
Tod und Teufel! So will ich-
(Will gehen.)
Terzky.
Dich ihrer blinden Wut entgegenstellen?
Herzogin und Graefin.
Um Gotteswillen nicht!
Illo.
Jetzt nicht, mein Feldherr.
Graefin.
O halt ihn! halt ihn!
Wallenstein.
Lasst mich!
Max.
Tu es nicht,
Jetzt nicht. Die blutig rasche Tat hat sie
In Wut gesetzt, erwarte ihre Reue-
Wallenstein.
Hinweg! Zu lange schon hab ich gezaudert.
Das konnten sie sich freventlich erkuehnen,
Weil sie mein Angesicht nicht sahn-sie sollen
Mein Antlitz sehen, meine Stimme hoeren-
Sind es nicht meine Truppen? Bin ich nicht
Ihr Feldherr und gefuerchteter Gebieter?
Lass sehn, ob sie das Antlitz nicht mehr kennen,
Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht.
Es braucht der Waffen nicht. Ich zeige mich
Vom Altan dem Rebellenherr, und schnell
Bezaehmt, gebt acht, kehrt der empoerte Sinn
Ins alte Bette des Gehorsams wieder.
(Er geht. Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.)
Einundzwanzigster Auftritt
Graefin. Herzogin. Max und Thekla.
Graefin. (zur Herzogin)
Wenn sie ihn sehn-Es ist noch Hoffnung, Schwester.
Herzogin.
Hoffnung! Ich habe keine.
Max. (der waehrend des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf
von ferne gestanden, tritt naeher).
Das ertrag ich nicht.
Ich kam hierher mit fest entschiedner Seele,
Ich glaubte, recht und tadellos zu tun,
Und muss hier stehen, wie ein Hassenswerter,
Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,
Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,
Unwuerdig schwer bedraengt die Lieben sehn,
Die ich mit einem Wort begluecken kann-
Das Herz in mir empoert sich, es erheben
Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,
In mir ist Nacht, ich weiss das Rechte nicht zu waehlen.
O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,
Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz,
Ich stehe wankend, weiss nicht, was ich soll.
Graefin.
Sie wissen's nicht? Ihr Herz sagt's Ihnen nicht?
So will ich's Ihnen sagen!
Ihr Vater hat den schreienden Verrat
An uns begangen, an des Fuersten Haupt
Gefrevelt, uns in Schmach gestuerzt, daraus
Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen:
Gutmachen, was der Schaendliche verbrochen,
Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,
Dass nicht der Name Piccolomini
Ein Schandlied sei, ein ew'ger Fluch im Haus
Der Wallensteiner.
Max.
Wo ist eine Stimme
Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle
Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft. Dass jetzt
Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,
Das Rechte mir, das unverfaelschte, schoepfte
Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!
(Indem seine Augen auf Thekla fallen.)
Wie? Such ich diesen Engel noch? Erwart ich
Noch einen andern?
(Er naehert sich ihr, den Arm um sie schlagend.)
Hier, auf dieses Herz,
Das unfehlbare, heilig reine will
Ich's legen, deine Liebe will ich fragen,
Die nur den Gluecklichen begluecken kann,
Vom unglueckselig Schuldigen sich wendet.
Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?
Erklaere, dass du's kannst, und ich bin euer.
Graefin. (mit Bedeutung)
Bedenkt-
Max. (unterbricht sie)
Bedenke nichts. Sag, wie du's fuehlst.
Graefin.
An Euren Vater denkt-
Max. (unterbricht sie)
Nicht Friedlands Tochter,
Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!
Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen,
Das moechtst du mit klugem Geist bedenken.
Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glueck
Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,
Die seine Tat zum Muster nehmen werden.
Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwoeren?
Soll ich ins Lager des Octavio
Die vatermoerderische Kugel senden?
Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,
Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,
Ein Geist faehrt in sie, die Erinnyen
Ergreifen sie, des Frevels Raecherinnen,
Und fuehren tueckisch sie den aergsten Weg.
Thekla.
O Max-
Max. (unterbricht sie)
Nein, uebereile dich auch nicht.
Ich kenne dich. Dem edeln Herzen koennte
Die schwerste Pflicht die naechste scheinen. Nicht
Das Grosse, nur das Menschliche geschehe.
Denk, was der Fuerst von je an mir getan;
Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten,
O auch die schoenen, freien Regungen
Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue
Sind eine heilige Religion dem Herzen,
Schwer raechen sie die Schauder der Natur
An dem Barbaren, der sie graesslich schaendet.
Leg alles, alles in die Waage, sprich
Und lass dein Herz entscheiden.
Thekla.
O das deine
Hat laengst entschieden. Folge deinem ersten
Gefuehl-
Graefin.
Unglueckliche!
Thekla.