Zweiter Auftritt
Buttler und Gordon.
Gordon.
Seid Ihr's? O wie verlangt mich, Euch zu hoeren.
Der Herzog ein Verraeter! O mein Gott!
Und fluechtig! Und sein fuerstlich Haupt geaechtet!
Ich bitt Euch, General, sagt mir ausfuehrlich,
Wie alles dies zu Pilsen sich begeben?
Buttler.
Ihr habt den Brief erhalten, den ich Euch
Durch einen Eilenden vorausgesendet?
Gordon.
Und habe treu getan, wie Ihr mich hiesst,
Die Festung unbedenklich ihm geoeffnet,
Denn mir befiehlt ein kaiserlicher Brief,
Nach Eurer Ordre blindlings mich zu fuegen.
Jedoch verzeiht! als ich den Fuersten selbst
Nun sah, da fing ich wieder an, zu zweifeln.
Denn wahrlich! nicht als ein Geaechteter
Trat Herzog Friedland ein in diese Stadt.
Von seiner Stirne leuchtete wie sonst
Des Herrschers Majestaet, Gehorsam fordernd,
Und ruhig, wie in Tagen guter Ordnung,
Nahm er des Amtes Rechenschaft mir ab.
Leutselig macht das Missgeschick, die Schuld,
Und schmeichelnd zum geringern Manne pflegt
Gefallner Stolz herunter sich zu beugen;
Doch sparsam und mit Wuerde wog der Fuerst
Mir jedes Wort des Beifalls, wie der Herr
Den Diener lobt, der sein Pflicht getan.
Buttler.
Wie ich Euch schrieb, so ist's genau geschehn.
Es hat der Fuerst dem Feinde die Armee
Verkauft, ihm Prag und Eger oeffnen wollen.
Verlassen haben ihn auf dies Geruecht
Die Regimenter alle bis auf fuenfe,
Die Terzkyschen, die ihm hieher gefolgt.
Die Acht ist ausgesprochen ueber ihn,
Und ihn zu liefern, lebend oder tot,
Ist jeder treue Diener aufgefordert.
Gordon.
Verraeter an dem Kaiser-solch ein Herr!
So hochbegabt! O was ist Menschengroesse!
Ich sagt' es oft: das kann nicht gluecklich enden;
Zum Fallstrick ward ihm seine Groess' und Macht
Und diese dunkelschwankende Gewalt.
Denn um sich greift der Mensch, nicht darf man ihn
Der eignen Maessigung vertraun. Ihn haelt
In Schranken nur das deutliche Gesetz
Und der Gebraeuche tiefgetretne Spur.
Doch unnatuerlich war und neuer Art
Die Kriegsgewalt in dieses Mannes Haenden;
Dem Kaiser selbst stellte sie ihn gleich,
Der stolze Geist verlernte, sich zu beugen.
O schad um solchen Mann! denn keiner moechte
Da feste stehen, mein ich, wo er fiel.
Buttler.
Spart Eure Klagen, bis er Mitleid braucht,
Denn jetzt noch ist der Maechtige zu fuerchten.
Die Schweden sind im Anmarsch gegen Eger,
Und schnell, wenn wir's nicht rasch entschlossen hindern,
Wird die Vereinigung geschehn. Das darf nicht sein!
Es darf der Fuerst nicht freien Fusses mehr
Aus diesem Platz, denn Ehr' und Leben hab ich
Verpfaendet, ihn gefangen hier zu nehmen,
Und Euer Beistand ist's, auf den ich rechne.
Gordon.
O haett' ich nimmer diesen Tag gesehn!
Aus seiner Hand empfing ich diese Wuerde,
Er selber hat dies Schloss mir anvertraut,
Das ich in seinen Kerker soll verwandeln.
Wir Subalternen haben keinen Willen;
Der freie Mann, der maechtige allein
Gehorcht dem schoenen menschlichen Gefuehl.
Wir aber sind nur Schergen des Gesetzes,
Des grausamen; Gehorsam heisst die Tugend,
Um die der Niedre sich bewerben darf.
Buttler.
Lasst Euch das enggebundene Vermoegen
Nicht leid tun. Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum,
Doch sicher ist der schmale Weg der Pflicht.
Gordon.
So hat ihn alles denn verlassen, sagt Ihr?
Er hat das Glueck von Tausenden gegruendet,
Denn koeniglich war sein Gemuet, und stets
Zum Geben war die volle Hand geoeffnet-
(Mit einem Seitenblick auf Buttlern.)
Vom Staube hat er manchen aufgelesen,
Zu hoher Ehr' und Wuerden ihn erhoeht
Und hat sich keinen Freund damit, nicht einen
Erkauft, der in der Not ihm Farbe hielt!
Buttler.
Hier lebt ihm einer, den er kaum gehofft.
Gordon.
Ich hab mich keiner Gunst von ihm erfreut.
Fast zweifl' ich, ob er je in seiner Groesse
Sich eines Jugendfreunds erinnert hat-
Denn fern von ihm hielt mich der Dienst, sein Auge
Verlor mich in den Mauern dieser Burg,
Wo ich, von seiner Gnade nicht erreicht,
Das freie Herz im stillen mir bewahrte.
Denn als er mich in dieses Schloss gesetzt,
War's ihm noch Ernst um seine Pflicht; nicht sein
Vertrauen taeusch ich, wenn ich treu bewahre,
Was meiner Treue uebergeben ward.
Buttler.
So sagt, wollt Ihr die Acht an ihm vollziehn,
Mir Eure Hilfe leihn, ihn zu verhaften?
Gordon. (nach einem nachdenklichen Stillschweigen kummervoll).
Ist es an dem-verhaelt sich's, wie Ihr sprecht-
Hat er den Kaiser, seinen Herrn, verraten,
Das Heer verkauft, die Festungen des Landes
Dem Reichsfeind oeffnen wollen-Ja, dann ist
Nicht Rettung mehr fuer ihn-Doch es ist hart,
Dass unter allen eben mich das Los
Zum Werkzeug seines Sturzes muss erwaehlen.
Denn Pagen waren wir am Hof zu Burgau
Zu gleicher Zeit, ich aber war der aeltre.
Buttler.
Ich weiss davon.
Gordon.
Wohl dreissig Jahre sind's. Da strebte schon
Der kuehne Mut im zwanzigjaehr'gen Juengling.
Ernst ueber seine Jahre war sein Sinn,
Auf grosse Dinge maennlich nur gerichtet.
Durch unsre Mitte ging er stillen Geists,
Sich selber die Gesellschaft; nicht die Lust,
Die kindische, der Knaben zog ihn an;
Doch oft ergriff's ihn ploetzlich wundersam,
Und der geheimnisvollen Brust entfuhr,
Sinnvoll und leuchtend, ein Gedankenstrahl,
Dass wir uns staunend ansahn, nicht recht wissend,
Ob Wahnsinn, ob ein Gott aus ihm gesprochen.
Buttler.
Dort war's, wo er zwei Stock hoch niederstuerzte,
Als er im Fensterbogen eingeschlummert,
Und unbeschaedigt stand er wieder auf.
Von diesem Tag an, sagt man, liessen sich
Anwandlungen des Wahnsinns bei ihm spueren.
Gordon.
Tiefsinn'ger wurd'er, das ist wahr, er wurde
Katholisch. Wunderbar hatt' ihn das Wunder
Der Rettung umgekehrt. Er hielt sich nun
Fuer ein beguenstigt und befreites Wesen,
Und keck wie einer, der nicht straucheln kann,
Lief er auf schwankem Seil des Lebens hin.
Nachher fuehrt' uns das Schicksal auseinander
Weit, weit! Er ging der Groesse kuehnen Weg,
Mit schnellem Schritt, ich sah ihn schwindelnd gehn,
Ward Graf und Fuerst und Herzog und Diktator,
Und jetzt ist alles ihm zu klein, er streckt
Die Haende nach der Koenigskrone aus
Und stuerzt in unermessliches Verderben!
Buttler.
Brecht ab. Er kommt.
Dritter Auftritt
Wallenstein im Gespraech mit dem Buergermeister von Eger. Die Vorigen.
Wallenstein.
Ihr wart sonst eine freie Stadt? Ich seh,
Ihr fuehrt den halben Adler in dem Wappen.
Warum den halben nur?
Buergermeister.
Wir waren reichsfrei,
Doch seit zweihundert Jahren ist die Stadt
Der boehm'schen Kron' verpfaendet. Daher ruehrt's,
Dass wir nur noch den halben Adler fuehren.
Der untre Teil ist kanzelliert, bis etwa
Das Reich uns wieder einloest.
Wallenstein.
Ihr verdientet
Die Freiheit. Haltet euch nur brav. Gebt keinem
Aufwieglervolk Gehoer. Wie hoch seid ihr