Nimmermehr!
Graefin.
Nein! Das ist nicht zu raten! Gib's nicht zu!
Wallenstein.
Warum willst du ihn sprechen, meine Tochter?
Thekla.
Ich bin gefasster, wenn ich alles weiss.
Ich will nicht hintergangen sein. Die Mutter
Will mich nur schonen. Ich will nicht geschont sein.
Das Schrecklichste ist ja gesagt, ich kann
Nichts Schrecklichers mehr hoeren.
Graefin und Herzogin
(zu Wallenstein)
Tu es nicht!
Thekla.
Ich wurde ueberrascht von meinem Schrecken,
Mein Herz verriet mich bei dem fremden Mann,
Er war ein Zeuge meiner Schwachheit, ja,
Ich sank in seine Arme-das beschaemt mich.
Herstellen muss ich mich in seiner Achtung,
Und sprechen muss ich ihn, notwendig, dass
Der fremde Mann nicht ungleich von mir denke.
Wallenstein.
Ich finde, sie hat recht-und bin geneigt,
Ihr diese Bitte zu gewaehren. Ruft ihn.
(Fraeulein Neubrunn geht hinaus.)
Herzogin.
Ich, deine Mutter, aber will dabei sein.
Thekla.
Am liebsten spraech' ich ihn allein. Ich werde
Alsdann um so gefasster mich betragen.
Wallenstein. (zur Herzogin)
Lass es geschehn. Lass sie's mit ihm allein
Ausmachen. Es gibt Schmerzen, wo der Mensch
Sich selber nur helfen kann, ein starkes Herz
Will sich auf seine Staerke nur verlassen.
In ihrer, nicht an fremder Brust muss sie
Kraft schoepfen, diesen Schlag zu ueberstehn.
Es ist mein starkes Maedchen; nicht als Weib,
Als Heldin will ich sie behandelt sehn.
(Er will gehen.)
Graefin. (haelt ihn)
Wo gehst du hin? Ich hoerte Terzky sagen,
Du denkest morgen frueh von hier zu gehn,
Uns aber hierzulassen.
Wallenstein.
Ja, ihr bleibt
Dem Schutze wackrer Maenner uebergeben.
Graefin.
O nimm uns mit dir, Bruder! Lass uns nicht
In dieser duestern Einsamkeit dem Ausgang
Mit sorgendem Gemuet engegenharren.
Das gegenwaert'ge Unglueck traegt sich leicht,
Doch grauenvoll vergroessert es der Zweifel
Und der Erwartung Qual dem weit Entfernten.
Wallenstein.
Wer spricht von Unglueck? Bessre deine Rede.
Ich hab ganz andre Hoffnungen.
Graefin.
So nimm uns mit. O lass uns nicht zurueck
In diesem Ort der traurigen Bedeutung,
Denn schwer ist mir das Herz in diesen Mauern,
Und wie ein Totenkeller haucht mich's an,
Ich kann nicht sagen, wie der Ort mir widert.
O fuehr uns weg! Komm, Schwester, bitt ihn auch,
Dass er uns fortnimmt! Hilf mir, liebe Nichte.
Wallenstein.
Des Ortes boese Zeichen will ich aendern:
Er sei's, der mir mein Teuerstes bewahrte.
Neubrunn. (kommt zurueck):
Der schwed'sche Herr!
Wallenstein.
Lasst sie mit ihm allein.
(Ab.)
Herzogin. (zu Thekla)
Sieh, wie du dich entfaerbtest! Kind, du kannst ihn
Unmoeglich sprechen. Folge deiner Mutter.
Thekla.
Die Neubrunn mag denn in der Naehe bleiben.
(Herzogin und Graefin gehen ab.)
Zehnter Auftritt
Thekla. Der schwedische Hauptmann. Fraeulein Neubrunn.
Hauptmann. (naht sich ehrerbietig)
Prinzessin-ich-muss um Verzeihung bitten,
Mein unbesonnen rasches Wort-Wie konnt' ich-
Thekla. (mit edelm Anstand)
Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn,
Ein ungluecksvoller Zufall machte Sie
Aus einem Fremdling schnell mir zum Vertrauten.
Hauptmann.
Ich fuerchte, dass Sie meinen Anblick hassen,
Denn meine Zunge sprach ein traurig Wort.
Thekla.
Die Schuld ist mein. Ich selbst entriss es Ihnen,
Sie waren nur die Stimme meines Schicksals.
Mein Schrecken unterbrach den angefangnen
Bericht. Ich bitte drum, dass Sie ihn enden.
Hauptmann. (bedenklich)
Prinzessin, es wird Ihren Schmerz erneuern.
Thekla.
Ich bin darauf gefasst-Ich will gefasst sein.
Wie fing das Treffen an? Vollenden Sie.
Hauptmann.
Wir standen, keines Ueberfalls gewaertig,
Bei Neustadt schwach verschanzt in unserm Lager,
Als gegen Abend eine Wolke Staubes
Aufstieg vom Wald her, unser Vortrab fliehend
Ins Lager stuerzte, rief: der Feind sei da.
Wie hatten eben nur noch Zeit, uns schnell
Aufs Pferd zu werfen, da durchbrachen schon,
In vollem Rosseslauf dahergesprengt,
Die Pappenheimer den Verhack; schnell war
Der Graben auch, der sich ums Lager zog,
Von diesen stuerm'schen Scharen ueberflogen.
Doch unbesonnen hatte sie der Mut
Vorausgefuehrt den andern, weit dahinten
War noch das Fussvolk, nur die Pappenheimer waren
Dem kuehnen Fuehrer kuehn gefolgt.-
(Thekla macht eine Bewegung. Der Hauptmann haelt einen Augenblick inne, bis sie ihm einen Wink gibt, fortzufahren.)
Von vorn und von den Flanken fassten wir
Sie jetzo mit der ganzen Reiterei
Und draengten sie zurueck zum Graben, wo
Das Fussvolk, schnell geordnet, einen Rechen
Von Piken ihnen starr entgegenstreckte.
Nicht vorwaerts konnten sie, auch nicht zurueck,
Gekeilt in drangvoll fuerchterliche Enge.
Da rief der Rheingraf ihrem Fuehrer zu,
In guter Schlacht sich ehrlich zu ergeben,
Doch Oberst Piccolomini-
(Thekla schwindelnd, fasst einen Sessel.)
ihn machte
Der Helmbusch kenntlich und das lange Haar,
Vom raschen Ritte war's ihm losgegangen-
Zum Graben winkt er, sprengt, der erste, selbst
Sein edles Ross darueber weg, ihm stuerzt
Das Regiment nach-doch-schon war's geschehen!
Sein Pferd, von einer Partisan durchstossen, baeumt
Sich wuetend, schleudert weit den Reiter ab,
Und hoch weg ueber ihn geht die Gewalt
Der Rosse, keinem Zuegel mehr gehorchend.
(Thekla, welche die letzten Reden mit allen Zeichen wachsender Angst begleitet, verfaellt in ein heftiges Zittern, sie will sinken, Fraeulein Neubrunn eilt hinzu und empfaengt sie in ihren Armen.)
Neubrunn.
Mein teures Fraeulein-
Hauptmann. (geruehrt)
Ich entferne mich.
Thekla.
Es ist vorueber-Bringen Sie's zu Ende.
Hauptmann.
Da ergriff, als sie den Fuehrer fallen sahn,
Die Truppen grimmig wuetende Verzweiflung.
Der eignen Rettung denkt jetzt keiner mehr,
Gleich wilden Tigern fechten sie, er reizt
Ihr starrer Widerstand die Unsrigen,
Und eher nicht erfolgt des Kampfes Ende,
Als bis der letzte Mann gefallen ist.
Thekla. (mit zitternder Stimme)
Und wo-wo ist-Sie sagten mir nicht alles.
Hauptmann. (nach einer Pause)
Heut frueh bestatteten wir ihn. Ihn trugen
Zwoelf Juenglinge der edelsten Geschlechter,
Das ganze Heer begleitete die Bahre.
Ein Lorbeer schmueckte seinen Sarg, drauf legte
Der Rheingraf selbst den eignen Siegerdegen.
Auch Traenen fehlten seinem Schicksal nicht,
Denn viele sind bei uns, die seine Grossmut
Und seiner Sitten Freundlichkeit erfahren,
Und alle ruehrte sein Geschick. Gern haette
Der Rheingraf ihn gerettet, doch er selbst
Vereitelt' es; man sagt, er wollte sterben.
Neubrunn. (geruehrt zu Thekla, welche ihr Angesicht verhuellt hat).
Mein teures Fraeulein-Fraeulein, sehn Sie auf!
O warum mussten Sie darauf bestehn!