Wallenstein.
Zeit, und wozu? Steht auf-Ich will's, steht auf.
Gordon. (steht auf)
Der Rheingraf ist noch fern. Gebieten Sie,
Und diese Festung soll sich ihm verschliessen.
Will er uns dann belagern, er versuch's.
Doch sag ich dies: Verderben wird er eher
Mit seinem ganzen Volk vor diesen Waellen,
Als unsres Mutes Tapferkeit ermueden.
Erfahren soll er, was ein Heldenhaufe
Vermag, beseelt von einem Heldenfuehrer,
Dem's Ernst ist, seinen Fehler gutzumachen.
Das wird den Kaiser ruehren und versoehnen,
Denn gern zur Milde wendet sich sein Herz,
Und Friedland, der bereuend wiederkehrt,
Wird hoeher stehn in seines Kaisers Gnade,
Als je der Niegefallne hat gestanden.
Wallenstein. (betrachtet ihn mit Befremdung und Erstaunen und schweigt eine Zeitlang, eine starke innre Bewegung zeigend)
Gordon-des Eifers Waerme fuehrt Euch weit,
Es darf der Jugendfreund sich was erlauben.
-Blut ist geflossen, Gordon. Nimmer kann
Der Kaiser mir vergeben. Koennt' er's, ich,
Ich koennte nimmer mir vergeben lassen.
Haett' ich vorher gewusst, was nun geschehn,
Dass es den liebsten Freund mir wuerde kosten,
Und haette mir das Herz wie jetzt gesprochen-
Kann sein, ich haette mich bedacht-kann sein
Auch nicht-Doch was nun schonen noch? Zu ernsthaft
Hat's angefangen, um in nichts zu enden.
Hab' es denn seinen Lauf!
(Indem er ans Fenster tritt.)
Sieh, es ist Nacht geworden, auf dem Schloss
Ist's auch schon stille-Leuchte, Kaemmerling.
(Kammerdiener, der unterdessen still eingetreten und mit
sichtbarem Anteil in der Ferne gestanden, tritt hervor, heftig
bewegt, und stuerzt sich zu des Herzogs Fuessen.)
Du auch noch? Doch ich weiss es ja, warum
Du meinen Frieden wuenschest mit dem Kaiser.
Der arme Mensch! Er hat im Kaerntnerland
Ein kleines Gut und sorgt, sie nehmen's ihm,
Weil er bei mir ist. Bin ich denn so arm,
Dass ich den Dienern nicht ersetzen kann?
Nun! Ich will niemand zwingen. Wenn du meinst,
Dass mich das Glueck geflohen, so verlass mich.
Heut magst du mich zum letztenmal entkleiden
Und dann zu deinem Kaiser uebergehn-
Gut Nacht, Gordon!
Ich denke einen langen Schlaf zu tun,
Denn dieser letzten Tage Qual war gross.
Sorgt, dass sie nicht zu zeitig mich erwecken.
(Er geht ab. Kammerdiener leuchtet. Seni folgt. Gordon bleibt in der Dunkelheit stehen, dem Herzog mit den Augen folgend, bis er in dem aeussersten Gang verschwunden ist; dann drueckt er durch Gebaerden seinen Schmerz aus und lehnt sich gramvoll an eine Saeule.)
Sechster Auftritt
Gordon. Buttler, anfangs hinter der Szene.
Buttler.
Hier stehet still, bis ich das Zeichen gebe.
Gordon. (faehrt auf)
Er ist's, er bringt die Moerder schon.
Buttler.
Die Lichter
Sind aus. In tiefem Schlafe liegt schon alles.
Gordon.
Was soll ich tun? Versuch ich's, ihn zu retten?
Bring ich das Haus, die Wachen in Bewegung?
Buttler. (erscheint hinten)
Vom Korridor her schimmert Licht. Das fuehrt
Zum Schlafgemach des Fuersten.
Gordon.
Aber brech ich
Nicht meinen Eid dem Kaiser? Und entkommt er,
Des Feindes Macht verstaerkend, lad ich nicht
Auf mein Haupt alle fuerchterlichen Folgen?
Buttler. (etwas naeher kommend)
Still! Horch! Wer spricht da?
Gordon.
Ach, es ist doch besser,
Ich stell's dem Himmel heim. Denn was bin ich,
Dass ich so grosser Tat mich unterfinge?
Ich hab ihn nicht ermordet, wenn er umkommt,
Doch seine Rettung waere meine Tat,
Und jede schwere Folge muesst' ich tragen.
Buttler. (herzutretend)
Die Stimme kenn ich.
Gordon.
Buttler!
Buttler.
Es ist Gordon.
Was sucht Ihr hier? Entliess der Herzog Euch
So spaet?
Gordon.
Ihr tragt die Hand in einer Binde?
Buttler.
Sie ist verwundet. Dieser Illo focht
Wie ein Verzweifelter, bis wir ihn endlich
Zu Boden streckten-
Gordon. (schauert zusammen)
Sie sind tot!
Buttler.
Es ist geschehn.
-Ist er zu Bett?
Gordon.
Ach Buttler!
Buttler. (dringend)
Ist er? Sprecht!
Nicht lange kann die Tat verborgen bleiben.
Gordon.
Er soll nicht sterben. Nicht durch Euch! Der Himmel
Will Euren Arm nicht. Seht, er ist verwundet.
Buttler.
Nicht meines Armes braucht's.
Gordon.
Die Schuldigen
Sind tot; genug ist der Gerechtigkeit
Geschehn! Lasst dieses Opfer sie versoehnen!
(Kammerdiener kommt den Gang her, mit dem Finger auf dem Mund Stillschweigen gebietend.)
Er schlaeft! O mordet nicht den heil'gen Schlaf!
Buttler.
Nein, er soll wachend sterben.
(Will gehen.)
Gordon.
Ach, sein Herz ist noch
Den ird'schen Dingen zugewendet, nicht
Gefasst ist er, vor seinen Gott zu treten.
Buttler.
Gott ist barmherzig!
(Will gehen.)
Gordon. (haelt ihn)
Nur die Nacht noch goennt ihm.
Buttler.
Der naechste Augenblick kann uns verraten.
(Will fort.)
Gordon. (haelt ihn).
Nur eine Stunde!
Buttler.
Lasst mich los! Was kann
Die kurze Frist ihm helfen?
Gordon.
O die Zeit ist
Ein wundertaet'ger Gott. In einer Stunde rinnen
Viel tausend Koerner Sandes, schnell wie sie
Bewegen sich im Menschen die Gedanken.
Nur eine Stunde! Euer Herz kann sich,
Das seinige sich wenden-Eine Nachricht
Kann kommen-ein beglueckendes Ereignis
Entscheidend, rettend, schnell vom Himmel fallen-
O was vermag nicht eine Stunde!
Buttler.
Ihr erinnert mich,
Wie kostbar die Minuten sind.
(Er stampft auf den Boden.)
Siebenter Auftritt
Macdonald, Deveroux mit Hellebardierern treten hervor. Dann Kammerdiener. Vorige.
Gordon. (sich zwischen ihn und jene werfend).
Nein, Unmensch!
Erst ueber meinen Leichnam sollst du hingehn,
Denn nicht will ich das Graessliche erleben.
Buttler. (ihn wegdraengend).
Schwachsinn'ger Alter!
(Man hoert Trompeten in der Ferne.)
Macdonald
und Deveroux.
Schwedische Trompeten!
Die Schweden stehn vor Eger! Lasst uns eilen!
Gordon.
Gott! Gott!
Buttler.
An Euren Posten, Kommendant!
(Gordon stuerzt hinaus.)
Kammerdiener. (eilt herein.)
Wer darf hier laermen? Still, der Herzog schlaeft!
Deveroux. (mit lauter, fuerchterlicher Stimme.)
Freund! Jetzt ist's Zeit, zu laermen!
Kammerdiener. (Geschrei erhebend)
Hilfe! Moerder!
Buttler.
Nieder mit ihm!
Kammerdiener. (von Deveroux durchbohrt, stuerzt am Eingang der Galerie)
Jesus Maria!
Buttler.
Sprengt die Tueren!
(Sie schreiten ueber den Leichnam weg den Gang hin. Man hoert in
der Ferne zwei Tueren nach einander stuerzen-Dumpfe Stimmen-
Waffengetoese-dann ploetzlich tiefe Stille.)