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„Ja, das stimmt schon so, wie das der Henning sagt.“

„Also ich muß auch sagen, daß mir das mit Marckelsheim, ich sage jetzt mal, als nicht ganz realistisch erscheint. Nach dem, was da Herr van Riet und Herr Wiget so erzählen, ist das schon sehr schwer, den Aktionären zu sagen: Sagt ja.“

Es entsteht eine Pause.

Wallner schaut auf die Pappeln vor dem Fenster, deren Blätter in der Sonne glitzern.

Er sagt: „Wir machen das jetzt einfach so. Sollte sich der Rat nicht für Marckelsheim entscheiden, trete ich als Vorstand zurück, bitte schreiben Sie das mit, Frau Beck.“

„Aber da hat doch jetzt niemand was davon, wenn du jetzt ausrastest, Stefan. Du kannst uns doch jetzt nicht zu drohen anfangen, Stefan.“

„Na, wir stimmen jetzt einfach ab. Wir stimmen jetzt einfach ab. Und dann sehen wir schon.“

„Ich glaube, wenn ich das sagen darf, wir sollten das Ganze vertagen.“

„Also wir stimmen dann ab. Bitte die Stimmen dafür.“

Wallner hat die Hand beim Sprechen gehoben.

„Ich stimme jetzt nicht ab, Stefan.“

„Uli, laß uns einfach abstimmen, und wir haben das Ganze hinter uns.“

„Ich stimme nicht ab.“

„Dann zählt das als Enthaltung, du hast doch Herrn van Riet gehört, oder sollen wir jetzt erst darüber abstimmen, ob wir abstimmen sollen. Also noch einmal. Die, die dafür sind, sagen jetzt: Ich bin dafür. Ich bin dafür.“

Es entsteht eine Pause.

„Und jetzt bitte die Gegenstimmen. Herr van Riet?“

„Dagegen.“

„Herr Resch?“

„Ich votiere dagegen. Ja.“

„Uli?“

„Stefan.“

„Uli?“

„Dagegen.“

„Gut. Dann schreiben Sie jetzt bitte, Frau Beck. Vorschlag der Übernahme der Firma in Marckelsheim mit einer zu drei Stimmen abgelehnt. Gleichzeitig tritt Stefan Wallner mit sofortiger Wirkung als Vorstand des Aufsichtsrats zurück. Punkt.“

Wallner öffnet die Tür und tritt auf den Flur. Jemand ist ihm gefolgt und faßt ihn am Arm. Es ist Wiget.

Wiget sagt zu Stefan: „Was soll denn das Ganze? Das ist doch alles nicht dein Ernst, Stefan.“

Er hat die Augen weit aufgerissen.

Wallner bleibt stehen und sagt: „Ja Moment. Es geht doch hier um unser Profil, Ulrich. Es geht doch hier darum, wie, ja und vor allem, wo wir uns in den nächsten, sagen wir, drei bis sechs Jahren sehen, bis wir abtreten, Uli, und wie es danach mit der Firma weitergeht. Darum geht es. Sind und bleiben wir, bis wir abtreten, Uli, die Firma aus Cham, die national reüssiert oder werden wir das europäische Unternehmen mit Tochterfirmen dort und dort und dort.“

64

Wallner sperrt die Haustür auf, schlüpft aus seinen Halbschuhen, indem er mit der Fußspitze das Fersenende des jeweils anderen Schuhs festhält, er hängt seinen Übergangsmantel auf einen der Kleiderbügel im Einbauschrank, zupft den rechten Ärmel glatt, weil sich eine Falte gebildet hatte.

Wallner verspürt großen Hunger auf Brot, Wurst und Gewürzgurken.

Er öffnet im Flur die Küchentür und versucht den Gesichtsausdruck von Wut und Trauer noch mal deutlicher werden zu lassen, weil er Ana im Eßzimmer nebenan hört und weiß, daß sie in wenigen Sekunden in die Küche kommen wird, um ihn zu begrüßen.

Er beißt seine Zähne fester zusammen, damit seine Wangenknochen stärker hervortreten und verengt seine Augen, zudem schiebt er die Unter- gegen die Oberlippe, so daß seine Mundwinkel nach unten zeigen müßten.

Ana ist nach wenigen Sekunden in die Küche eingetreten. Wallner kann an ihrem vergrößerten Bewegungsradius, dem Gestikulieren mit den Händen, dem breiteren Tonumfang der Stimme, lauter als gewöhnlich, umgehend erkennen, daß Ana sehr gut gelaunt ist, sie habe mit Costin telefoniert, setzt sie an.

Wallner unterbricht Ana, er dreht sich ihr jetzt frontal zu, damit sie sein Gesicht sieht, er sagt mittellaut: „Bitte, laß mich damit zufrieden“, Ana faßt ihn an den Schultern, sie sagt mittellaut: „Nix böse sein, nix Gesicht machen, Stefan lustig sein, einmal lächeln bitte, Herr Wallner, habe ich da nicht eben etwas gesehen, war das nicht, doch das war, Ohhhh! Herr Wallner hat doch gerade gelächelt, oder?“

Wallner sagt laut: „Laß mich in Frieden damit, ja? Fünf Minuten. Ja? Siehst du denn nicht, daß ich das jetzt nicht haben kann?“

Das Öffnen der Haustür und das Stehen, fröstelnd, auf der Matte, der Blick dabei auf das gegenüberliegende Zweifamilienhaus mit den heruntergelassenen Rolläden, hinter deren Spalten Licht brennt, ist der Ersatz für einen Schlag mit der Faust in Anas Gesicht, so daß sie kurz vor Überraschung und Schmerz aufschreit.

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12. September

Nigeria. Vorbereitung.

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13. September

Nigeria. Vorbereitung.

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14. September

Nigeria. Vorbereitung. Angst.

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Als Wallner Ndou aus seiner Hütte folgt, haben sich die Gläser der Brille, die er gegen seine zunehmende Weitsichtigkeit vor seiner ersten Reise zum Kinderdorf bei Port Harcourt bei dem von Witte empfohlenen Optiker Brunner in Regensburg gekauft hat, wegen des grellen Sonnenlichts schnell eingedunkelt. Wallners Augen flimmern ein wenig. Er hatte noch ein persönliches Schreiben aufgesetzt, das später vom Verwaltungsgebäude des Kinderdorfes aus an eine von ihm zusammengestellte Adressenliste früherer Geschäftspartner gefaxt werden soll, um bei diesen wegen Praktikumsplätzen für die Jugendlichen im Dorf anzufragen, die nächstes Jahr mit der Schule fertig sind. Das Schreiben hatte Wallner an einem der Computer aufgesetzt, die er dem neuen alleinigen Leiter der Firma Wallner & Wiget, Wiget, durch Anas Vermittlung letztes Jahr verbilligt abgekauft hatte, nachdem in der Firma auf eine speziell für Unternehmen im Wirtschaftssektor entwickelte Software umgestiegen und im Zuge dessen auch gleich die gesamte Hardware ausgewechselt worden war. Die anderen acht Computer stehen im Verwaltungsgebäude und in der Schule des Kinderdorfes, im Hobbyraum in Cham ein zehnter, der eigentlich für Costin vorgesehen war, von diesem aber, da er sich nur selten meldet und auch nicht seine Handynummer weitergegeben hat, geschweige denn auf Besuch kommt, nie abgeholt worden war. Das grüne Polster der Rückenlehne des Stuhls, den Wallner aus dem Eßzimmer in Cham bei seiner letzten Fahrt mitgenommen hatte, muß einen Abdruck auf seinem Rücken hinterlassen haben, Wallner spürt das.

Bei dem Treffen mit einem Vertreter des Verkehrsministeriums aus Port Harcourt und dem Leiter des Kinderdorfes im Verwaltungsgebäude möchte Wallner noch einmal den Ausbau der Straßen zum Dorf ansprechen. Er weiß, daß es sinnlos ist, dieses Thema anzusprechen, da seitens der Regierung ohnehin keine Gelder vorhanden sind. Aber zu irgendwas muß er doch gut sein hier. Ihm ist kurz schwarz vor Augen geworden. Es kann nicht sein, daß er die Hitze derart schlecht verträgt. So alt ist er noch nicht. Er muß das wegstecken können.

Er trägt ein weißes Hemd, das gerade frisch gebügelt aus der von den Kindern betriebenen Wäscherei des Dorfes gekommen ist. Es riecht nach Akazien.

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„Gestern haben wir noch einmal ein Gespräch mit jemandem vom Verkehrsministerium gehabt. Ein Arsch. Zuerst macht der die großen Versprechungen. Habe ich dir doch alles erzählt vorgestern. ‚Ich sehe kein Problem mit den Straßen. Ich organisiere die Gelder. Ich bin auf Ihrer Seite.‘ Was stellt sich heraus? Er hat überhaupt nicht die Befugnisse. Die Entscheidungsgewalt. Jetzt müssen wir wieder warten und betteln beim Ministerium, und dann sieht man weiter. Ja. Das war gestern. Und heute sitzen wir eigentlich den ganzen Tag schon an dieser Lehrer-Geschichte.“