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Jetzt wo der Hitler-Film das erhoffte Echo in den Medien gefunden hat — Amerika hat sich bereits die Rechte gesichert, die Rede ist vom ersten Familienfilm über das Dritte Reich — und sich Costin — in einigen Rezensionen war insbesondere die Besetzung Goebbels mit einem tatsächlichen Popstar als mutig hervorgehoben worden — einen Namen als Sprecher gemacht hat, stellt sich beziehungsweise Costins innere Stimme alias PISC die Frage: „Costin? Du willst doch sicher nicht auf das Zeug hier festgelegt werden, oder? Also nicht nur, daß du da ganz schnell in so eine braune Ecke gestellt wirst — auch das Sprecher-Ding kann es ja wohl auf die Dauer nicht sein, oder? Ich meine: Gestern Goebbels, heute Astronaut, und was kommt als nächstes? Schweinchen Dick?“

Costin (auf den Bildschirm schauend, auf dem die Schlußszene, die schwerelose Besatzung, die von sich per Selbstauslöser ein Gruppenfoto macht, zu sehen ist, beiseite): „Hm.“

Natürlich hat PISC nicht so ganz unrecht. Es liegen ja wirklich schon einige Angebote auf Costins Tisch; er wird aber, so jetzt sein fester Entschluß, nur noch in dem Babelwood-Ostern-Familien-Animationsfilm Saurier einen Archäopterix sprechen, eine recht große Rolle eigentlich, mit ein, zwei Songs, durch die er sich dem Zeichentrickfilmpublikum von einer neuen, bisher unbekannten lustigen Seite präsentieren könnte; den Judas in Jesus, ebenfalls ein Zeichentrickfilm, wird er jedenfalls ablehnen. Und dann muß man weitersehen.

In den Schlußcredits von Mission Universe, die jetzt auf dem Bildschirm erscheinen, während Costin die Kopfhörer abnimmt und Sönke, ohne russischen Akzent, irgendwas wie „So, dann hätten wir das jetzt auch“ sagt, wird Costin, so wie schon in Hitler — Der Zeichentrickfilm, auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin nicht als CO, sondern als Costin Wallner aufgeführt werden.

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Er erwacht im Christopher-Bett. Noch verschlafen hat er, auf dem Bettrand sitzend, auf die hellblaue Farbe und die roten Streifen geschaut, bevor er mit einem Ruck aufgestanden ist. In der Küche stand Ana schon am Herd und kommt, als Costin sich an den Tisch gesetzt hat, zu ihm, hat sich vorgebeugt, um ihm einen Kuß auf den Scheitel zu drücken, „Bună dimineaţa, scumpul meu“, hat sie gesagt.

„Bună dimineaţa“, murmelt Costin.

Jung sieht die Mama aus, ganz so wie früher, jung und energiegeladen, sie macht gerade Tee, ein Ei und Toast, sie wird ihm das alles gleich bringen, ganz so wie früher.

Sie fragt auf rumänisch, wie ihr Scumpul geschlafen habe. Costin räkelt sich und sagt, der Scumpul habe gut geschlafen, während er die nackten Füße auf Tatas nigerianischem Flickenteppich aneinanderreibt, obwohl ihm eigentlich gar nicht kalt ist, eben nur so, weil er das sich halt so in Berlin, wo es immer kalt war im Apartment, angewöhnt hat. Er überblättert die ersten Seiten der România libera, die sowieso nur über Zeug berichtet, das ihn nicht interessiert, und überfliegt den Garfield-Comic, den er, das weiß er, schon mal irgendwann vor paar Jahren in einer Zeitung in Deutschland, vielleicht noch in Cham, gelesen hat.

Ana sagt auf rumänisch, sie habe in einem Geschäft günstig ein paar T-Shirts für ihn gesehen, weiß, die T-Shirts würden gut zu dem Pulli passen, den sie ihm zum Geburtstag geschenkt habe, sie werde sie ihm heute mitbringen, wenn sie einkaufen gehe, ob sie ihm sonst noch was mitbringen solle.

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Er erwacht im Christopher-Bett. Gähnend, am Bettrand sitzend, hat er überlegt, ob das Bett beim Umzug hierher eigentlich zerlegt worden oder als ganzes in den dritten Stock heraufgetragen worden sei, bevor er mit einem Ruck aufstand. In der Küche sitzt Ana am Tisch und frühstückt. „Bună dimineaţa“, sagt sie und starrt dabei auf den Teller.

„Bună dimineaţa“, sagt er und setzt das Wasser für den Tee auf und macht sich einen Toast.

Er fragt sie auf rumänisch, ob sie gut geschlafen habe, sie nickt und liest in der Zeitung weiter.

Im Gegenlicht sieht er jetzt, daß Anas weißes Haar doch recht dünn geworden ist, ihr Blick ist matt, so am Morgen und ungeschminkt. Mit dem Teller und der Tasse in den Händen hat er sich ihr gegenüber gesetzt, auf der Titelseite der România libera ist von der Weigerung des rumänischen Präsidenten Popescu die Rede, sich der europäischen Eingreiftruppe anzuschließen und Truppen ins Bürgerkriegsgebiet nach Usbekistan zu entsenden, über Strafmaßnahmen seitens der EU werde spekuliert, sogar ein Austritt Rumäniens aus dem Bündnis werde für möglich gehalten.

Costin reibt seine nackten Füße auf Tatas nigerianischem Flickenteppich aneinander, obwohl es eigentlich recht warm hier in der Wohnung ist. Ana fragt Costin auf rumänisch, ob sie heute bitte zusammen ihre Steuererklärung durchgehen könnten. Costin sagt, er habe ein Gespräch mit dieser Agentur, Stars, aber danach könne er ihr helfen, er werde sich auch mal um den Abfluß im Bad kümmern.

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Costin legt den Kopf in den Nacken, reißt die Arme hoch, springt auf und ab, er hat die Augen geschlossen, seine schwarzen Locken wirbeln, Henriette kommt angelaufen und ist ihm um den Hals gefallen, Costin öffnet die Augen, schaut ihr ins Gesicht, ruft ihr etwas zu, strahlend.

Costin wirft einen Spähblick nach links, zu Bogdan Petrescu, der die Fernbedienung auf seinen Oberschenkel gelegt und die Unterlippe vorgezogen hat. Dann Spähblick rechts, zu Petrescus Assistentin, die aber wahrscheinlich genauso wichtig ist wie Petrescu selbst, Ruxandra, Pokemon-Augen hat sie, so von der Seite angeschaut jetzt, richtige Riesenteile, mit denen sie gerade klimpert. Noch kann man also nicht sagen, wie Petrescu und Konsorten das Drei-Minuten-Promo-Video, das MA für Costin krasserweise und echt kostenlos produziert hat, gefällt und wie sie die Chancen einstufen, daß ihre Agentur, Petrescu — voll einfallsreicher Name übrigens, ne —, irgendwas für Costins potentielle zweite Karriere als Solo-Artist hier in Rumänien beziehungsweise Bukarest reißen kann. Hier kennt ihn natürlich keiner, PingPongs? Hä? CO? Hä? Costin? Hä? Hitler — Der Zeichentrickfilm? Willst du eins auf die Fresse? Deswegen — Achtung: dringend! — braucht Costin einen Namen, ein Image, einen Ruf hier, Costin schwebt da so ein Projekt als MC vor, wo er nicht tanzen muß, MC O oder so könnte er sich dann nennen.

Jetzt in so einer Situation angeschaut, wo es auf etwas ankommt, ist dieses Drei-Minuten-Promo-Video irgendwie wirklich nicht der Bringer. OK, da ist alles drin, was er so gemacht hat, die letzten Jahre, sein ganzes Leben, seine ganze Passion. Vom Popstar-Casting über den Workshop in Orlando, die ganze PingPongs-Zeit, der Generations-Tour-Nachklatsch, Momente aus seiner Karriere als Synchronsprecher. Es kommt rüber: Costin ist Feuer und Flamme fürs Singen und Tanzen (siehe: die Aufnahmen von Auftritten, seine englisch untertitelte Aussage bei einer Talk-Show „Ich könnte nicht ohne, I couldn’t live without it“), Costin hat Herz (siehe: der Charity-Auftritt der PingPongs, der Besuch der Band in einem Kinderkrankenhaus) und — wichtig! — : Costin kann was (siehe: Umpf! in Kamera: „CO ist der talentierteste Artist, den ich, seit ich dabei bin, kennengelernt habe — und ich bin schon scheißlange dabei!“; siehe: Sekunden aus Costins sängerischen und tänzerischen Glanzstunden — schon ein bißchen her, ob er noch mal da hinkommt, wo er mal war? puhh, aber das weiß ja niemand vorerst, jetzt geht’s erst mal um die Chance).