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Der Kameramann — Gottlieb oder Fürchtegott, etwas mit Gott — hat gesagt, das reiche jetzt, er habe genug Material, das restliche Holz, das sie benötigen, werde ihnen dann unten zur Verfügung gestellt, er bräuchte nur unten dann einen Shot, wie sie die Bündel und Scheite vor dem Haus stapeln, ansonsten wärs das. Costin und Dieter haben sich an die Deichsel gestellt und angefangen, den Leiterwagen aus dem Wald und auf die Wiese zu ziehen, Aylin hat hinten aufgepaßt, daß nichts herausfällt.

Aus der Ferne ist hinter der Anhöhe das graue Schindeldach der Almhütte zu erkennen, von der sie, das hat Costin jetzt gerade so im Gefühl, gerade zoommäßig oder in einer Totale aufgenommen werden.

Costins Hände haben bei der Berührung mit der Deichsel gebrannt. Als er einen kurzen Blick auf seine Finger geworfen hat, sind sie ganz blutig gewesen.

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Die Stimme (monoton, ergo unbestimmbar, ob Frage oder Aussagesatz, verzerrt, ergo unbestimmbar, ob weiblich oder männlich): „Welchen Kandidaten hier magst du besonders.“

Costin: „Ja. Ich finde eigentlich alle hier ganz OK.“

Stimme (schnell): „Und wenn du eine Person nennen müßtest.“

Costin: „Frieder.“

Die Stimme (schnell): „Und bei den weiblichen Teilnehmern.“

Costin: „OK, Aylin.“

Die Stimme (direkt daran in Anschluß): „Würdest du sagen, du empfindest etwas für sie.“

Costin: „Ja, nein, ich mag sie halt. Sie ist ein guter Typ so.“

Die Stimme (direkt daran in Anschluß): „Du könntest dir mit ihr etwas vorstellen.“

Costin (lachend, zu Boden schauend, Pause, dann): „OK, ich weiß nicht.“

Die Stimme: „Hast du die Bestrafung deiner Gruppe heute als gerecht empfunden.“

Costin: „War schon OK so, das Holzsammeln, hat mir nicht so viel ausgemacht, hat eigentlich sogar irgendwie Spaß gemacht, das Ganze, also man tut ja was Sinnvolles hier.“

Die Stimme (schnell): „Und wie fühlst du dich jetzt.“

Costin: „Also, ganz gut. Mir gefällt das hier wirklich. Die Alm. Die Gruppe und so. Also ich würde gern hierbleiben, auch die restlichen Monate, und hoffe, ich bleibe drin. Also, das geht jetzt mal an euch da draußen. Ihr habt ja gesehen, daß das hier so mein Ding ist und wie ich hier was dafür tue, ihr kennt mich ja jetzt schon so einen Monat, und ich bin noch immer dabei, und ich denke mal, das heißt, ihr findet das so OK, was ich hier so mache, was ich so für ein Typ bin. Also, ich bin jetzt schon supertraurig, daß einer von uns am Samstag wieder rausmuß, aber ich möchte auch sagen, daß ich euch da draußen vertraue, ihr checkt ja am besten, was hier abgeht.“

Die Stimme: „Danke, Costin.“

Costin: „Danke euch.“

Costin steht vom Schemel auf. Beim Schließen der Tür des Häuschens, das wohl mal als Klo diente und jetzt zum Studio umfunktioniert wurde, hat er gesehen, daß der Scheinwerfer der Kamera erlischt. In der Dämmerung sind die Umrisse der Almhütte am anderen Ende der Wiese noch gerade so erkennbar. Hinter den Berggipfeln gegenüber vom Tal ist ein ganz schmales Stück hellblauer Himmel zu sehen und darüber — kraß! — breiten sich Tausende Sterne aus, winzige glitzernde Punkte, wenn Costin jetzt den Kopf in den Nacken legt.

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„OK“, schaltet sich der innere Costin alias PISC ein. „Jetzt schau dich mal um, Costin“ — Costin schaut vom Lagerfeuer auf die anderen Kandidaten, die darum im Kreis sitzen —, „da wäre mal Frieder.“

Costin schaut auf Frieder, bekannt geworden als Alberich im Babelwood-Remake der Nibelungen sowie durch zahlreiche Gastauftritte im Tatort, Polizeirevier et cetera, wo er zumeist eine besonders fiese Variante des Bösewichts gespielt hat, den buckligen Gnom. Frieder, der von der Dezember-Ausgabe des Spiegel als „wichtigster Zwerg Deutschlands“ bezeichnet wurde und dessen Beinchen von der Bierbank baumeln, macht gerade den Kanzler nach, was er tatsächlich umwerfend gut kann, genau die Stimme, genau die Gestik, die anderen Kandidaten hören ihm wie gebannt zu, lachen nach jeder Pointe laut auf — „Siehst du, Costin, Frieder ist beliebt, Frieder bleibt drin, 100 Pro; dann wäre da Gisela“ — Gisela: blondgrauer Zopf, braungebrannte faltige Haut, hält sich gerade vor Lachen die Hände vors Gesicht —, „Gisela ist Hausfrau, Costin, Gisela ist die einzige Normale hier, Gisela ist eine von denen da draußen, die sich wunderbar mit Frau Superdurchschnittlich identifizieren können, Gisela fliegt nie im Leben, OK; über Dieter daneben brauchen wir wohl gar nicht reden, Dieter ist die männliche Gisela, also genau das, was sie für den weiblichen, ist er für den männlichen Zuschauer, war mal erfolgreich, war mal gutaussehend, jetzt alles over = voll sympathisch; Aylin, auch so ein klarer Fall, hat sich mal nackig gemacht, jeder Opa will doch jetzt, daß so eine Schnecke drinbleibt; tja, kommen wir zu deinem Freund, Umpf!“ — Umpf! hat als einziger die Hände vor dem Army-Top verschränkt, starrt ins Feuer und kichert nur ab und zu geistesabwesend, wenn die anderen lachen — „Umpf! ist ein Arschloch, Umpf! ist dein Gegenspieler hier, Umpf! wird gehen müssen, früher oder später, irgendwann ist der Umpf! — Bonus, harte Schale, weicher Kern, auch mal aufgebraucht; Costin? Hallo?! Ich will jetzt, daß du mir gut zuhörst, nicht auf Frieder, sondern jetzt mal schön ins Feuer schauen und konzentrieren. Bitte: wie heißt die Show, in der du gerade bist?“

Almtrieb“, hat Costin für die anderen unhörbar geflüstert und ein Stöckchen ins Feuer geworfen.

„Genau“, hat der innere Costin alias PISC gesagt. „Almtrieb, das heißt, du hast sicher auch mitgekriegt, daß es hier den Liebesjackpot gibt. Wer offiziell zum Paar wird, ist automatisch für die nächsten zwei Monate dabei. Also, ich weiß zwar, daß du Aylin nicht leiden kannst, aber. .“

Als Costin aufgestanden ist, erst mal so getan hat, als sei er müde und strecke sich — in Wirklichkeit möchte er aber zu Aylin gehen und ihr ins Ohr flüstern, ob sie mal kurz mitkommen wolle, er müsse ihr was sagen —, genau da hat Aylin ihn angeschaut und sich, als ob das alles schon lange abgesprochen wäre, ebenfalls erhoben, auf dem Weg zur Almhütte — von den anderen ist niemand nachgekommen, nicht mal eine blöde Bemerkung hat es gegeben, strange. . — hat sie, stumm, seine Hand ergriffen. Obwohl es im Männerschlafraum unterm Dachboden stockdunkel gewesen ist, hat Costin so ungefähr gewußt, welches Bett am nächsten zu der einen Kamera am Querbalken steht, er hat es ja auch, ganz leise, hören können, das Zzzt, Zzzt, wie sie schwenkt, und sich schließlich mit Aylin auf Frieders Bett gesetzt — was natürlich die Frage aufwirft, warum ausgerechnet über Frieders Bett die Kamera hängt, die Bettenverteilung war doch am ersten Tag ausgelost worden, oder? Obwohl. . wenn Costin jetzt für eine Sekunde zurückdenkt. . Frieder (kreischend, mit beiden Beinen rumpelstilzchenmäßig auf den Boden stampfend): „Ich will dieses Bett!“

Plötzlich hat Aylin ihn auf das Bett gedrückt und die Decke über sie beide gezogen. Direkt in sein Ohr und damit auch für jedes noch so superempfindliche Mikro garantiert nicht zu hören sagt sie: „Weißt du, daß ich schon seit den letzten zwei Monaten wahnsinnig auf dich stehe, eigentlich schon seit deinem Auftritt bei Kika, du kleiner Archäopterix, ich habe mich nur nicht getraut, es dir zu sagen, weil ich, na ja, ich glaube, ich bin echt ein bißchen verliebt in dich, und da will ich das nicht, daß das die Leute mitbekommen, mit so was macht man keinen Spaß.“