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Costin ist platt. Und spontan etwas sauer, weil die Situation hier eh schon stressig genug ist, da soll die jetzt nicht so einen Zirkus machen, keine großen Gefühle, und wenn, dann bitte so, daß es auch die da draußen mitbekommen. Aber Aylin hat ihn schon zu sich gezogen, ihn zu küssen begonnen.

Als dann wenig später die Decke zu Boden gerutscht ist, scheint es Aylin plötzlich nichts mehr ausgemacht zu haben, daß sie beide jetzt für die Kamera zu sehen gewesen sind — Aylin: Kittel, Schürze, Unterrock gelüpft, Träger von Kittel heruntergerutscht, Busen bloß; Costin: Lederhose bis zu den Knien heruntergelassen; Aylin: Beine um Costin geschlungen; Costin: Aylin penetrierend —, ja, Aylin scheint gar nichts davon mitbekommen zu haben, sie hat, soweit das Costin in der Dunkelheit sehen kann, den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen, stöhnt sehr leise, unterdrückt, sie muß das hier wirklich genießen (Costin hat in seinem Leben schon relativ viel erlebt, inklusive fakes).

Damit er nicht kommt — Costin darf auf keinen Fall kommen. . das wäre ja noch schöner: Kind mit Ex-Kika-Moderatorin live bei Reality-Show namens Almtrieb gezeugt, zehn Jahre später: Kuck, mal, Kleiner! Da zeugen wir dich gerade!. . Nein, danke! — , hat sich Costin vorgestellt, wie das hier jetzt in der Sendung aussehen wird, die grünstichigen Nachtaufnahmen aus der Vogelperspektive, möglicherweise Zoom auf Aylins Gesicht, dazu die Stimme des Moderators oder der Moderatorin: „Aylin und Costin kommen sich schließlich näher“ oder: „Aylin und Costin können ihre Gefühle füreinander nicht mehr zurückhalten“ oder: „Nur Sex auf der Hütte, oder doch der Anfang einer großen Liebe?“ (undeutliche Geräusche, Stöhnen, Rascheln, crescendo); oder aber die ganze Szene wird geschnitten — zu brisant! — und verschwindet im Archiv; nur manchmal von einem einsamen Redakteur der Spätschicht, wenn nichts los ist, heimlich im Regieraum angeschaut, der erste Live-Geschlechtsakt in einer deutschen Reality-Show, oder vielleicht sogar überhaupt, global sozusagen, wer weiß, TVhistory that never was.

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Die Stimme (laut, monoton, verzerrt, as always): „Und wie rechnest du dir deine Chancen aus.“

Costin: „Also, ich denke mal, ich glaube, es steht jetzt schon ziemlich fest, daß Frieder am Ende der Almkönig wird. Und ich kann nur sagen: Ich gönn es ihm — und daß ich saufroh bin, daß ich’s überhaupt soweit geschafft habe.“

Die Stimme: „Wie kommst du denn zurecht mit Frieder.“

Costin: „Ich helfe halt dem Frieder, so gut es geht, weil der ist halt nicht so flexibel. Also, klar ist das jetzt schwierig, nach drei Wochen hier so zu zweit, hey, könnt ihr mal das Ding, hallo? könnt ihr das mal ausmachen, und kann ich euch mal was fragen, ohne daß das aufgezeichnet wird, bitte?“

Die Stimme: „OK. Sag nur. Wir schneiden das. Das wird sowieso alles geschnitten.“

Costin: „Also, wenn ich jetzt früher aussteige, ist dann der Vertrag ungültig, also, ich meine, gilt dann noch das vereinbarte Honorar, oder. .“

Die Stimme: „Willst du aussteigen.“

Costin: „Na ja.“ (Pause) „Noch drei Wochen?“

Die Stimme: „Tut mir sehr leid, Costin. Aber ich brauche dir wohl nicht zu sagen, daß. .“

Costin: „OK. Vergiß es. Machen wir weiter. Wo waren wir?“ Die Stimme: „Du hast gesagt, daß es hier natürlich schwierig sei, noch drei Wochen so zu zweit.“

Costin: „Ja. Also natürlich ist das jetzt hier schwierig, so zu zweit, für drei Wochen. Mit wem wäre es das nicht, egal, ob das jetzt Frieder ist oder ob, mein Gott, meine Freundin oder meine Mutter.“

Die Stimme: „Vermißt du Aylin.“

Costin (stumm, schaut auf den Boden)

Die Stimme: „Costin?“

Costin (schaut in die Kamera): „Also, das ist so. Ihr müßt wissen, wenn ich draußen bin, in drei Wochen, dann wird das sicher nicht so einfach sein, erst mal, nach den neun Monaten hier. Aber es wird einen Menschen geben, der mir sehr nahe sein wird und der mir jetzt auch nahe ist, obwohl sie nicht da ist. Mann, ich weiß nicht, ob ihr das so verstehen könnt, was hier so passiert ist. Aber das wird erst mal da drin bleiben.“ (aufs Herz deuten)

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Aylin liegt auf dem Bauch am Rand einer Schlucht, streckt ihre Hand nach dem Hansel aus, der sich gerade noch so, etwas unter ihr, an einem Vorsprung aus Ästen und Gestein festhält, nie und nimmer könnte sich da jemand in der Wirklichkeit festhalten, so windig sieht das aus.

Aylin schreit: „Halt dich hier fest!! Ich zieh dich hoch!!“

Der Hansel keucht.

Aylin trägt eine Polizeiuniform, schwarze Lederjacke, olivgrüne Hosen, schwarzer Pferdeschwanz, und Costin auf der Couch in seinem Moabiter Apartment, in dem sich die Kartons für den Umzug nach Australien stapeln, denkt, daß wie viele Monate, Wochen, Tage? vergehen mußten, bis er hier und jetzt Aylin so, in einer Polizeiuniform, wiedersieht. Als er erwartungsgemäß vor Frieder rausgevotet und von einem Hubschrauber direkt ins Studio ins Tal geflogen worden war, hatte da auf dem grünen (warum eigentlich grünen?) Teppich auf dem Landeplatz, sozusagen als Begrüßungskomitee, Aylin merkwürdigerweise immer noch im Almkittel gestanden — mit einer gelben (warum zum Geier gelben?) Rose in der Hand. Er und Aylin hatten sich zur Begrüßung geküßt, hatten dann im Studio auf dem Sofa nebeneinandergesessen, hatten Fragen über die vergangenen Monate über sich ergehen lassen, und plötzlich, ja, plötzlich hatte es geheißen, die Aylin spiele ja jetzt in so einer TV-Serie, die im Herbst im Zweiten zu sehen sei, deshalb müsse die Aylin auch leider gleich weiter zu Dreharbeiten, nach Köln. Aylin Küßchen, und ab. Natürlich ohne irgendeine Nummer von sich zu hinterlassen, wäre ja auch schlecht während der Sendung gegangen (du, Aylin, kannst du mir mal deine Nummer geben, damit wir das, was da auf der Alm war, ein bisserl vertiefen können? Zwinkerzwinker). Und dann: nüschts. Hätte Madame Aylin Kontakt gewünscht, hätte sie ja ohne weiteres Costins Adresse bei der Produktionsfirma erfragen können oder bei MA zum Beispiel, man kennt Costin ja, er ist doch bekannt.

So aber (siehe: nüschts) hieß das eben auch, daß mit Aylin nicht nur in Zukunft nichts gehen würde, sondern daß auch das Ding da auf dem Dachboden auf der Alm lediglich Teil einer individuellen Aylin-Show gewesen war. Eine Einsicht, die der Presse vielleicht auch mal gutgetan hätte. „Aylin: schwanger?“, „Costin: Bin wieder mit Seema zusammen“, „Aylin und Costin: Ihre heiße Nacht im Hilton“, „Costin: Bin zu fett“ et cetera, so war es einige Wochen in kleinen Artikeln in Boulevardblättern gegangen, woraufhin Costin beschlossen hatte, erst mal alle Talk-Show-Auftritte abzusagen und für einige Zeit abzuhauen, weg, keine Ahnung, wohin, coole Doku über die australische East Coast gesehen, eine Woche später noch ’ne Reportage gelesen, OK: australische East Coast it is. Und jetzt das: Aylin als Politesse.

Der Hansel hat Aylins ausgestreckten rechten Arm gepackt, sucht mit den Füßen Halt, Steine bröckeln.

Costin hat zu seiner eigenen Überraschung „Die! Die! Die!“ geflüstert.

Großaufnahme Aylins Gesicht: verzerrt, leicht gerötet, zugekniffene Augen, unterdrücktes Stöhnen.

Aylin: „Ich zieh dich hoch! Lindemann! Halt dich fest! Bloß nicht loslassen! Halt durch, Lindemann! Das ist ein Befehl!“