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Sie packt mich ein, denkt Costin. „Ich packe dich schön ein“, das hat Ana immer gesagt, wenn sie ihn in Cham ins Bett gebracht hat.

Als Romy ihn noch einmal zum Abschied auf die Wange küßt, hat sie nach Apfel gerochen. Sie muß sich irgendwann zwischendurch einen Kaugummi oder ein Bonbon in den Mund gesteckt haben.

45

Der Schmerz in seinem rechten Bein ist jetzt tatsächlich so stark, daß er sich überlegt, die Aktion hier abzubrechen. Klar. Der Sinn des Ganzen ist, sich selber (und Romy) zu beweisen, daß er noch zu so was fähig ist, daß er es kann. Und wenn er jetzt abbricht, dann zeigt er genau das Gegenteiclass="underline" Dann ist er ja wirklich schon ein alter Sack und sollte, wie andere in seinem Alter auch, auf sich schauen, gerade weil er diese Scheißbehinderung hat, die nicht weggeht und die ihn tatsächlich zum Opa macht. Vorerst trägt er aber weiter, in der Hocke, Kleister auf die Fläche der Wand auf, gleich über dem Fußboden, da, wo dann die Holzleiste hinsoll. Zähne zusammenbeißen — er merkt, daß er wirklich die Zähne zusammenbeißt, wie in so einem schlechten Manga: Großaufnahme: Gesicht, Mund offen, Zahnreihe auf Zahnreihe —, sich jetzt nichts anmerken lassen!

Aus dem Wohnzimmer ist Romys Stimme gekommen, wo die Disc mit dem Mexiko-Mix sei, ob Costin das wisse, wo die sei.

Romy steht vor der Regalwand im Wohnzimmer und findet die Mexiko-Disc mit der rosa Hülle nicht. Das ist alles relativ typisch.

Costin nimmt die Holzleiste, drückt sie an das mit Kleister beschmierte Wandstück und sagt: „OK, du gehst jetzt ganz nach links, du siehst im Regal ganz außen, oberstes Fach, mehrere Discs, die so eine grüne Hülle haben, irgendwo zwischen denen muß eine Disc mit rosa Hülle sein.“

Costin horcht, ob Romy was sagt, ob zu hören ist, wie sie sich auf die Zehen stellt und die Disc aus dem Regal nimmt.

Romy ist für einen Moment aus dem Wohnzimmer in den Flur gekommen, sie ist barfuß — das fällt Costin irgendwie jetzt von unten so auf —, dann ist sie auch gleich wieder im Atelier, gegenüber vom Wohnzimmer, verschwunden.

Aus dem Atelier kommt dieser Song von dieser mexikanischen Band, von der Costin letztens zu Romy meinte, Erich klinge ein wenig wie die. Er hält sich am Türrahmen fest und zieht sich hoch. Brüll. Ihm ist für eine Sekunde schwarz vor Augen geworden, und — auch das noch —, als er auf die Wand schaut, hat seine Hand, mit der er sich gerade abgestützt hat, um das Gleichgewicht zu halten, dort einen dunklen Abdruck hinterlassen. Das war’s dann wohl. Heimwerken ist nicht mehr. Er hinkt ins Atelier.

Im Computer läuft die Disc, das Programm läßt den Song als Partitur mit den Lyrics auf dem wandgroßen Bildschirm erscheinen. Romy hat sich vor den Schreibtisch gesetzt und die Gitarre auf den Schoß genommen, sie starrt auf den Bildschirm und versucht die angezeigten Riffs nachzuspielen, reckt den Kopf ab und zu nach vorne, runzelt die Stirn, streicht sich eine Strähne ihres rot gefärbten Haars aus der Stirn, macht „Hä?“, Romy, barfuß, Romy, in einteiligem schwarzen Kleid, Romy, leicht verwirrt, Romy ist in diesem Moment, genau so, extremst süß.

Costin schaltet das Licht aus, es ist plötzlich düster, nur um den Bildschirm strahlt es grau, die zwei Glühlampen hinter den zu Wellen geklebten Folien der Scheibe über dem Schreibtisch, die Romys Mutter Romy geschenkt hat, als sie hier einzog, tauchen den Rest des Zimmers in ein diffuses Rot, Costin läßt sich mit „Urgs“ aufs Bett in der Ecke plumpsen.

Romy hat sich an Costin und in seinen Arm gekuschelt, den er, schon als er sich hinlegte und dabei zu ihr rüberschaute, für sie ausgestreckt hatte. Sie hat begonnen, mit ihrer Hand an seinem verschwitzten nackten Oberkörper entlangzufahren, gedankenverloren, auf und ab, durch sein Brusthaar; auch das Brusthaar, normalerweise grau, ist jetzt rötlich. Als sie an der Stelle angekommen ist, wo sein Herz ist, das noch immer, durch die Anstrengung vom Heimwerker-Act, ziemlich schnell schlägt, sagt sie leise: „Bumbumbum.“

Costin schaut zur Decke.

Costin: „Was würdest’n du jetzt machen, wenn ich jetzt sterben würde?“

Romy: „Was?“

Costin: „Was würdest’n du jetzt machen, wenn ich sterben würde jetzt?“

Romy: „Ich würde dich nicht sterben lassen.“

Costin: „Ne, jetzt sag doch mal.“

Romy: „Ich würde nach Stralsund fahren und deine Asche in den Wind streuen.“

Costin: „Und dann?“

Romy: „Weiß ich nicht.“ (Pause) „Ist ne blöde Frage.“

Costin: „Aber ich weiß es. Du würdest mich vergessen.

Sonst könntest du ja gar nicht überleben. Du würdest —“

Romy (unterbrechend): „Hey, bin ich jetzt im falschen Film, oder was? Du bist hier, du bist nicht tot, wirst jedenfalls noch ’ne Weile hier sein, bei mir. Aus. Thema gegessen. Du hast echt ein Problem, hey, ich glaube, ich gehe jetzt lieber gleich. .“ (möchte aufstehen)

Costin (hält sie zurück): „Ach komm, laß mal, war doch nur so ein Gedanke. Nicht jetzt die Beleidigte spielen, OK?“ (Pause) „Romylein?“

Romy: „Wie stellst’n du dir eigentlich vor, wie wir so in 20 Jahren sein werden?“

Costin (mit Romys Korallenhalsband spielend): „Was?“

Romy: „Ja. Was ist mit uns dann. In 20 Jahren. Du Senior. Ich in ’ner mega Midlife-Crisis.“

Costin (mit Romys Korallenhalsband spielend): „Also, ich bin einer der erfolgreichsten Indie-Label-Besitzer Europas, du hast gerade deinen zweiten Echo mit Erich gewonnen. Wir wohnen in einem Haus am Starnberger See, einem Bungalow. Der Föhn macht den Himmel total blau, so wie an dem Tag, wo wir da mit dem Dampfer gefahren sind.“

Costin spricht das Thema „Kinder“ nicht an. Er weiß, daß Romy nicht nur noch keine, sondern prinzipiell keine Kinder möchte, sie habe schon genug Streß mit sich selber. Costin würde sich eigentlich schon ein Kind wünschen. Auch mit Romy. Am liebsten, sofern er das bestimmen könnte, eine Tochter. Wenn sie größer wäre und studieren würde, vielleicht, würde sie ihr eigenes Ding machen, sie wäre bestimmt, mit ihm als Vater und Romy als Mutter, relativ dickköpfig, schwer zu händeln, aber eines jener Mädels, von denen alle Jungs träumen und vor denen sie auch ein bißchen Angst haben.

Costin (fortfahrend): „Ja, und dann hätten wir natürlich, da in unserem Haus, ne Katze. So eine grau-weiß gestreifte. Die würde dann Lily heißen. Die Katze würden wir dann so nennen. Lily.“

Romy (nach einer Pause, leise): „Bär?“

Costin: „Ja?“

Romy: „Du verläßt mich nicht, oder? Ich war mit so vielen Scheißtypen zusammen, ich bin immer verletzt worden, ich. .“ (Pause) „Ich will nicht mehr verletzt werden.“

46

Zur Begrüßung hat Lore Costin beziehungsweise Costin Lore neben die Wangen, rechts, links, in die Luft geküßt, und „Hallo, Costin, wie geht’s“ gesagt.

Dem Gast vor ihm, Oskar, auch bekannt unter dem ihm von der Presse gegebenen Spitznamen „Oskar mit Herz“, nachdem ihm, als erstem Deutschen, ein geklontes Herz eingesetzt worden war, gibt Costin die Hand.

Lores Haar ist eigentlich rot gefärbt. Costin kann aber jetzt im Scheinwerferlicht im Haaransatz einzelne weiße Haare ausmachen. Wo war denn hier die Maske, bitte?

Lore schaut auf ihre Stichwortkarte. „So, Costin, jetzt erzähl mal. Für unsere Zuschauer: Costin und ich kennen uns jetzt schon fast ein Leben lang und noch länger, nicht wahr, Costin?“

„Eine Ewigkeit“, bestätigt Costin.