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Wendy fährt ihren rosa Retro-Apple hoch. Das Rosa des Retro-Apples korrespondiert mit Wendys rosa Jäckchen und Lippenstift. Wendy betont die Farbe Rosa, weil sie gehört hat, daß die sechsköpfige Kommission aus vier Männern besteht und Greifswald generell den Ruf hat, konservativ zu sein. Also brezelt sich Wendy eben auf. Sie scrollt ihr Skript bis zum Ende, um zu sehen, ob auch tatsächlich die Markierungen jener Wörter, gelb, zu sehen sind, die sie besonders betonen will, „und nicht“, „ob-wohl“, „na-tür-lich“.

Der Herr vom Institut, der sie vorstellt und dem sie nicht zugehört hat, spricht nicht mehr. Sie schaut von ihrem rosa Retro-Apple in die Runde der sechs Professoren der Kommission in den Bänken vor ihr, beugt sich vor und sagt: „Meine Damen und Herren.“

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Sie löscht das Licht im Schlafzimmer und tritt ins dunkle Wohnzimmer. Weil sie noch im Bad ihr Outfit checken möchte, dreht sie sich nach links und stößt, als sie durch die Badezimmertür treten will, die sie immer offen läßt, gegen die Wand. Sie taumelt zurück. Sie hat sich ihren rechten Ellbogen angeschlagen, und ihr ist blitzartig eingefallen, daß sich das Bad hier, in Greifswald, ja nicht links, sondern rechts vom Schlafzimmer befindet, wie blöd sie ist.

Vor dem Spiegel beschließt sie, daß der Pferdeschwanz, der hellgrüne Pulli mit hellgrünem Schlips, die Jeans zu casual sind, da könnte man ja denken, das Date sei ihr Wurst. Sie geht zurück ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Vor dem Spiegel beschließt sie, daß offenes Haar, das Nadelstreifensakko, der hellgrüne Schlips und der knielange dunkelrote Wildlederrock overdressed sind, da weiß man ja gleich, was los ist. Sie geht zurück ins Schlafzimmer, schlüpft wieder in den hellgrünen Pulli, die Jeans, das Haar läßt sie offen. Von der Eingangstür aus testet sie, was Quentin als erstes vom Wohnzimmer sehen wird, wenn er eintritt. Er wird den Tisch sehen, er wird das Regal sehen, die Negerkopf-Büsten, den Australien-Quilt. Sie beschließt, daß die Negerkopf-Büsten an der Wand, das Regal und der Australien-Quilt auf den Geschmack ihrer Besitzerin schließen lassen. Sie entzündet die Kerzen auf dem Tisch und rückt sie etwas mehr in die Mitte, damit Quentin sie gleich von der Eingangstür aus sieht, und am Anfang eine gewisse Atmosphäre herrscht, bei der man sich vorstellen kann, daß man im Verlauf des Abends im Gespräch, das in Richtung Tiefsinn geht, innehält und sich länger in die Augen sieht, später dann küßt, miteinander schläft. . dabei natürlich vorausgesetzt, daß Quentin die Candlelight-Dinner-Atmo so wie sie als romantisch und nicht etwa als kitschig oder als fürs erste Date zu aufdringlich empfindet. .

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Und jetzt, wie sie sieht, daß da ein Glas Wasser vor ihr auf dem Rednerpult steht und sie nicht weiß, ob das jemand von den Studenten dahingestellt hat, als Gag vielleicht, oder ob das einfach ihr Vorgänger vergessen hat, da erinnert sie sich an ihre Bewerbung in Konstanz und an das Glas mit Sprudel, von dem sie die ganze Zeit aufstoßen mußte, und wie peinlich das war, und sie grinst und überlegt, und sie ist sich nicht sicher, ob sie auch damals schon auf ihrem rosa Retro-Apple, den sie jetzt hochfährt, die zu betonenden Wörter markiert hatte, so wie sie das bei ihrem Vortrag in Greifswald damals getan hatte, eine Schnapsidee, wie sich dann herausstellte, einmal und nie wieder, also hatte sie das nur in Greifswald und nicht in Konstanz gemacht, wie war sie eigentlich auf so was gekommen? Während des gesamten Vortrags hatte sie das Gefühl gehabt, sie betone falsch, sie klinge total affektiert, obwohl sie das ja sicher tausendmal zu Hause geübt hatte und es da sicher richtig und natürlich geklungen hatte. Sie hatte sich damals beim Vortrag selbst, erinnert sie sich, nur noch aufs Vorlesen und Betonen konzentriert, gar nicht mehr auf den Sinn geachtet, der Text hätte irgendwas sein können, eine Gebrauchsanweisung, ein Groschenroman, bloß fertig werden, bloß durchkommen, hatte sie damals gedacht, und sie sieht unten rechts auf dem Bildschirm an der Uhr, daß es Viertel nach ist, und sie schaut in die spärlich gefüllten Reihen des Hörsaals, und sie liest ab: „Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zur Einführung in Postcolonial Studies, die ich, wie im Vorlesungsverzeichnis angekündigt, auf englisch halten werde.“

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Wie lange sie da schon in ihrem Zimmer auf und ab, vom Bett zum Tisch und vom Tisch zum Bett, gegangen ist, weiß sie nicht, als sie auf das Display ihres rosa Retro-Apples schaut, jedenfalls hat der Bildschirmschoner, den sie sich nach langem Suchen von einer Seite mit Vintage-Software heruntergeladen hat, bereits eine Aquariumslandschaft mit Unterwasserpflanzen und bunten Fischen gezeigt, die virtuelle Luftblasen ausstoßen. Wendy kommt mit ihrem beknackten Oh, Uncle! — Buch einfach nicht weiter! Nur das letzte und vorletzte Kapitel hat sie schon, das heißt Kapitel eins und zwei muß sie, will sie den Termin einhalten, in sechs statt, wie eigentlich von ihr geplant, zwölf Monaten schreiben! Wie soll sie das schaffen? Ist Wendy Superwoman?

Wendy ist, ohne daß sie darauf geachtet hat, nicht vom Tisch zum Bett, sondern vom Tisch zur Tür gegangen, auf dem Flur hat plötzlich ihre neue Mitbewohnerin vor ihr gestanden, Wendy hat vor Schreck „Aaaahh“ gemacht, „Was machst du denn hier?“

Wendys neue Mitbewohnerin Tina, die Wendy mal aus Zerstreuung mit Thekla angesprochen hat, woraufhin Tina meinte, daß ihr Thekla viel besser gefalle als Tina, in Zukunft solle Wendy Tina Thekla nennen, Tina sagt unschuldig: „Ich wollte gerade zu dir. Dich was fragen. Und zwar. Ich treffe doch heute den Hajem. Der, von dem ich dir erzählt habe. Und da wollte ich dich fragen. .“

Tina schaut auf ihre Hände, Wendy schaut auf Tinas Hände. Tina spielt mit einem Stoffknäuel.

„. . weil du kennst mich ja jetzt ganz gut. Ob ich also. Na, ob ich mit dem Hajem schon beim ersten Date schlafen soll oder nicht, ob man so was macht.“

Wendy werden in diesem Moment vier Dinge klar.

A) Wendy und Tina kennen sich eigentlich überhaupt nicht. Wendy ist ja nur selten hier in Berlin. Sie haben sich vielleicht zweimal unterhalten. Und das war eher über Haushaltsangelegenheiten. Tina liegt also falsch (siehe: „Weil du kennst mich ja jetzt ganz gut“).

B) Tina sieht Wendy wohl als so etwas wie eine ältere Schwester an, die schon so viel mehr Erfahrung hat als sie und daher Ratschläge geben kann. Siehe jetzt, wie Tina zu Wendy, ganz Rehkitz, hochsieht, wie schüchtern und zugleich zutraulich sie ist.

C) Wendy mag zwar fast 15 Jahre älter als Tina sein. So viel mehr Erfahrung, was Jungs angeht, hat sie aber nicht. Was soll sie jetzt sagen? Heiko war ein Macho und Quentin ein Waschlappen. Ich lese nur täglich in meinen schlauen Büchern über anale Phasen, sexuelle Orientierung, den Phallus und das Über-Ich et cetera. Wenn ich dir daraus vorlesen würde, kleine Tina, würdest du von alldem nur Bahnhof verstehen. Mein letzter Geschlechtsverkehr liegt so lange zurück, da möchte ich gar nicht zu rechnen anfangen. Ich masturbiere regelmäßig.

D) Tina ist eine Süße. Wendy würde sie in diesem Moment gern küssen — –

Wendy rät: „Na, ich würde mal nichts überstürzen. Immer langsam angehen. Wenn er der Richtige ist, dann werdet ihr noch genügend Gelegenheiten haben, in die Kiste zu hüpfen“ und klopft Tina auf den Rücken, als die sie umarmt und sagt: „Dank dir, Wendy. Ich bin echt glücklich, daß wir so gute Freundinnen sind.“