»Schon gut«, murmelte Wojtowicz vor sich hin. Er grub rasch weiter und richtete sich nach wenigen Minuten wieder auf.
»Tiefer darf ich nicht graben, sonst kommt Wasser«, sagte er zu Clarence Dodd.
Der kleine Mann, Doc und Wojtowicz standen vor der Tragbahre mit dem toten Ragnarok. Der kleine Mann hakte die Leine von dem breiten Halsband los und griff nach der Jacke die den Körper des Hundes fast verdeckte. Als Margo den Kopf schüttelte, ließ er sie wieder fallen und hob Ragnarok mit Hilfe der beiden anderen Männer in das Grab.
Wojtowicz schaufelte das Loch zu. Doc nahm dem kleinen Mann die Leine aus der Hand, wickelte sie fest um den Griff des Schirmes und verknotete sie dort. Nachdem Wojtowicz den Sand mit dem Spaten festgeklopft hatte und zurückgetreten war, steckte Doc den Schirm mitten in das Grab.
»Jetzt hat er sogar noch eine Art Grabstein, Doddsy«, sagte er und legte dem kleinen Mann tröstend den Arm um die Schultern.
Von der Plattform her rief die hagere Frau: »Alle herkommen! Der Kaffee ist noch ganz heiß!«
15
Doc fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und sagte: »Ich könnte gut noch ein Sandwich vertragen.«
»Wir wollen lieber die Hälfte aufheben«, antwortete die hagere Frau von der anderen Seite des Tisches her.
»Eigentlich war es meine Idee«, warf Harry McHeath verlegen ein.
»Wirklich vernünftig, junger Mann«, versicherte Doc ihm. Er holte eine kleine Flasche Whisky aus der Jackentasche und hielt sie hoch. »Möchte irgend jemand einen Schluck versuchen?« fragte er dabei. Die dicke Frau räusperte sich tadelnd.
»Heben Sie den Schnaps lieber für einen Notfall auf, Rudi«, meinte Hunter.
Doc seufzte und steckte die Flasche wieder ein. »Vermutlich hat die Kommission für Öffentliche Sicherheit auch etwas gegen eine zweite Tasse Kaffee einzuwenden«, murmelte er vor sich hin.
Harry McHeath schüttelte nervös den Kopf und ging mit einer Thermosflasche herum, um die Papierbecher nochmals zu füllen.
Rama Joan sagte: »Rudolf, Sie haben vorhin nach einer Erklärung für die Farben des Wanderers gesucht. Ich glaube, daß es sich dabei nicht um eine natürliche Erscheinung handelt. Meiner Meinung nach dient die Färbung nur zu ... Dekorationszwecken.« Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: »Wenn es Lebewesen gibt, die durch den Hyperraum fliegen, können sie ihren Planeten bestimmt auf eine Art und Weise verzieren, die sie für künstlerisch halten. Die Steinzeitmenschen haben ihre Höhlen nicht von außen bemalt, aber wir streichen unsere Häuser an.«
»Gar nicht übel«, meinte Doc beifällig. »Ein Planet mit Zweifarben-Lackierung. Selbstverständlich gegen Aufpreis.«
Wojtowicz und Harry grinsten. Hunter sagte leise: »Wenn sie so fortgeschritten sind, brauchen sie gar keine natürlichen Planeten mehr. Dann können sie selbst einen bauen.« Er schüttelte den Kopf. »Ganz schön verrückt, wie?«
»Keineswegs«, versicherte Doc ihm. »Überlegen Sie nur, wie vorteilhaft es wäre, wenn man den gesamten Hohlraum eines Planeten ausnützen könnte — für Lagerräume, Schlafsäle, Maschinenräume und so weiter. Natürlich müßte alles gut abgestützt werden, damit es nicht ...«
»Das ist gar nicht nötig, wenn sie die Antigravitation für sich nutzbar gemacht haben«, warf Rama Joan ein.
»Toll«, flüsterte Wojtowicz tonlos.
»Du bist wirklich nicht dumm, Mommy«, meinte Ann schläfrig.
»Hebt man die Gravitation eines rotierenden Planeten auf, muß man ihn irgendwie zusammenhalten, weil die Zentrifugalkraft ihn sonst zerreißt«, sagte Hunter.
»Stimmt nicht«, widersprach Doc. »Masse und Bewegungsenergie verschwinden in diesem Fall gleichzeitig.«
Paul räusperte sich. »Nehmen wir einmal an, diese Lebewesen seien wirklich so weit fortgeschritten — würden sie dann nicht alles tun, um zu verhindern, daß sie bewohnten Planeten Schaden zufügen?« Er lächelte unsicher. »Ich setze dabei natürlich die Existenz einer friedliebenden Galaktischen Föderation voraus oder was man sonst dazu sagen könnte ...«
»Kosmischer Wohlfahrtsstaat«, schlug Doc ironisch vor.
»Nein, Sie haben völlig recht, junger Mann«, sagte Wanda energisch, während die hagere Frau zustimmend nickte. »Die Lebewesen aus dem All schaden niemand, sondern schützen und ernähren alle.«
Rama Joan lächelte ungläubig und fragte Pauclass="underline" »Welche speziellen Vorkehrungen treffen Sie vor Antritt jeder Autofahrt, um zu verhindern, daß Sie Katzen oder Hunde überfahren? Sind die Ameisenhaufen in Ihrem Garten alle genau bezeichnet?«
»Denken Sie noch immer an Ihre Teufel und Dämonen?« wollte Doc wissen.
Rama Joan zuckte mit den Schultern. »Auch die Teufel sind vielleicht nichts anderes als Lebewesen, die ihre Absichten verfolgen, die in diesem Fall unseren entgegengesetzt sind.«
»Dann ist das Böse also nur ein Verkehrsunfall?«
»Vielleicht. Denken Sie nur daran, daß es leichtsinnige Fahrer gibt — und sogar Autofahrer, die ihren Wagen als Ausdruck ihrer Persönlichkeit benützen.«
»Selbst wenn das Fahrzeug zufällig ein ganzer Planet ist?« fragte Paul.
Rama Joan nickte.
Wojtowicz sprang auf. »Seht euch das an!« sagte er laut und streckte den Arm aus. Die anderen drehten sich um und sahen ein Scheinwerferpaar, das rasch näher kam. Jetzt war auch das dumpfe Röhren eines Automotors zu hören.
»Vielleicht hat der Major sich die Sache anders überlegt und läßt Sie abholen, Paul«, meinte Hunter.
»Der Wagen kommt aus der falschen Richtung«, warf Doc ein.
Die Scheinwerfer beschrieben einen weiten Bogen und waren jetzt voll auf die Gruppe gerichtet. Sie blendeten so stark, daß der Wagen trotz der allgemeinen Helligkeit kaum zu erkennen war.
»Hoffentlich bleiben sie nicht stecken«, sagte Margo.
»Bei dieser Geschwindigkeit bestimmt nicht«, antwortete Wojtowicz.
Der Wagen raste auf sie zu, als wolle er die Plattform rammen, wurde aber zehn Meter von ihr entfernt abgebremst. Die Scheinwerfer erloschen.
»Das ist doch Hixons Lieferwagen!« rief der kleine Mann erstaunt.
»Und da kommt Mrs. Hixon«, sagte Doc, als eine Frau in grauer Hose und gleichfarbigem Pullover von der Ladefläche kletterte und auf die Plattform zurannte.
Vorher war Mrs. Hixon noch eine gutaussehende junge Frau gewesen, aber jetzt waren ihr Gesicht, ihre Hände, die Hose und der Pullover schmutzverkrustet, ihr Haar hing unordentlich herab und ihre Augen waren glasig.
»Die Autobahn ist in beiden Richtungen blockiert«, keuchte sie. »Wir haben die anderen verloren. Ich glaube, daß sie tot sind. Ich glaube, die ganze Welt ist zertrümmert. Mein Gott, haben Sie nicht einen Schluck zu trinken?«
»Sehen Sie«, sagte Doc zu Hunter, während er die Whiskyflasche aus der Tasche holte und einen Papierbecher bis zur Hälfte füllte. Mrs. Hixon nahm ihm den Becher aus der Hand, bevor er den Whisky mit Wasser verdünnen konnte, trank ihn mit einem Schluck aus und schüttelte sich dann unwillkürlich. Doc legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Erzählen Sie uns alles der Reihe nach«, forderte er sie auf.
Sie nickte, schloß eine Sekunde lang die Augen und sagte dann: »Wir haben drei Wagen ausgegraben. Einer gehörte Rivis, der andere war Wentchers Kleinbus und schließlich unser Lieferwagen. Die übrigen waren zu sehr verschüttet, aber wir hatten alle genügend Platz. Bill, Ray und ich sind in dem Lieferwagen gefahren. Als wir die Autobahn erreichten, herrschte dort kein Verkehr. Das hätte uns warnen müssen, aber wir Idioten waren noch froh darüber! Rivis bog nach Norden ab. Wir fuhren in Richtung Los Angeles und folgten dabei dem Kleinbus. Unser Autoradio brachte mehr atmosphärische Störungen als Nachrichtensendungen. Immer wieder war von schweren Erdbeben bei Los Angeles die Rede. Wir mußten öfters einzelnen Felsbrocken und Erdrutschen ausweichen. Noch immer keine anderen Fahrzeuge. Der Kleinbus war schon weit voraus. Wir hatten eben das Stück Autobahn erreicht, wo der Abhang neben der Straße direkt zum Meer abfällt.