Paul hätte sie in diesem Augenblick am liebsten erwürgt. Ja, er wollte seine Hände um den grünen Pelz an ihrem Hals legen und ...
Tigerishka drückte Miau enger an sich und flüsterte laut: »Wir finden, daß er schlecht riecht, nicht wahr? Sogar seine Gedanken riechen schlecht.«
Paul erinnerte sich daran, daß er immer geglaubt hatte, Margo sei zu herrschsüchtig und kommandiere ihn ständig herum. Aber das war alles in der guten alten Zeit gewesen, bevor er Tigerishkas Bekanntschaft gemacht hatte.
Don Merriam saß auf der Kante des Bettes, das wie ein einziges großes Kissen in dem kleinen Raum mit den angenehm pastellfarben leuchtenden Wänden lag.
Vor seinen Knien stand ein niedriger Tisch, auf dessen Platte ein durchsichtiger Becher, ein Wasserkrug aus dem gleichen Material und ein Teller mit einem Dutzend weißer Würfel standen. Er hatte rasch hintereinander drei Becher Wasser getrunken, aber nur versuchsweise von einem der Würfel abgebissen, obwohl das weiße Zeug zu seiner Überraschung deutlich nach Brot roch und schmeckte.
Die einzigen anderen Einrichtungsgegenstände des Raumes waren ein WC und eine Art Dusche in einer Ecke, wo ständig Wasser aus feinen Düsen in der Decke rauschte, ohne zu spritzen oder über den Fußboden zu laufen. Don hatte sich bis jetzt noch nicht unter die Dusche gestellt, obwohl er nur noch Unterhose und Unterhemd trug.
Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit des Raumes paßten sich seinen Erfordernissen so genau an, daß er den Raum fast als Bestandteil seines Körpers empfand.
Bevor die Schiebetür des Raumes sich hinter seinem Gastgeber oder Wärter geschlossen hatte, war Dons fragendes Stirnrunzeln mit einem kurzen Nicken beantwortet worden. »Trink, iß, erfrische und erhole dich«, hatte der rot-schwarze Tiger auf zwei Beinen ihn aufgefordert.
Das waren die einzigen Worte gewesen, die der Tiger zu ihm gesagt hatte, seitdem er ihn zum Mitkommen aufgefordert hatte. Während der Fahrt nach unten und während des kurzen Weges durch den breiten Korridor hatte das seltsame Wesen geschwiegen.
Don war erleichtert darüber, daß der Tiger ihn allein gelassen hatte. Trotzdem ärgerte er sich jetzt darüber, daß er zu erschrocken und schüchtern gewesen war, um den anderen zurückzuhalten und ihn auszufragen. Er wünschte sich fast, der Tiger käme wieder zurück.
Das war nur einer der merkwürdigen Gegensätze, die jetzt seine Empfindungen beherrschten: Müdigkeit — Unruhe; Sicherheit — Befremdung; der Drang, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, und der Drang, sie um jeden Preis im Zaum zu halten; das Bemühen, die Lage nüchtern zu betrachten, und das Bemühen, nur an eine Illusion zu glauben.
Der winzige Raum hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem kleinen Krankenhaus. Oder mit einer Kabine an Bord eines großen Ozeandampfers. Aber war denn ein Planet nicht auch eine Art Schiff, das sich durch den Raum bewegte? Jedenfalls dieser Planet mit seinen unzähligen Decks ...
Seine Müdigkeit wurde übermächtig; die Beleuchtungsstärke nahm ab; Don streckte sich auf dem Bett aus, aber sein Verstand begann im gleichen Augenblick zu schwatzen — allerdings in durchaus geordneter Form.
Dieser Effekt, der etwa den Auswirkungen einer größeren Dosis Pentothal entsprach, war beinahe angenehm. Zumindest neutralisierte er Dons aufgeregte Unsicherheit.
Ihm war durchaus klar, daß sie seine Gedanken eingehend untersuchten und analysierten, aber er hatte nichts dagegen einzuwenden.
Er verfolgte im Gegenteil interessiert, wie seine Gedanken, sein Wissen und seine erinnerten Erfahrungen sich allmählich zu einem langen Zug ordneten, der sich gleichmäßig fortbewegte.
Allmählich folgten die einzelnen Gedanken immer rascher aufeinander, bis Don sie nicht mehr deutlich unterscheiden konnte, aber selbst das war in Ordnung, denn dabei schlief er endlich ein.
23
Die ungeheuren Fluten wirkten sich überall anders aus und brachten gelegentlich sogar merkwürdige Begleiterscheinungen mit sich, während die Wassermassen, die der neue Planet angezogen hatte, um den Erdball wanderten.
In Meeresstraßen wie bei Dover, Florida, Malakka und Juan de Fuca wurde die Strömung so gewaltig, daß selbst größere Schiffe nicht mehr dagegen ankamen. Kleine Schiffe und Fischerboote gingen spurlos unter und verschwanden wie Holzstücke in den Wirbeln eines Gebirgsbaches.
Weitgespannte Brücken, die ihrer Konstruktion nach nur dem Wind Widerstand leisten sollten, mußten plötzlich beweisen, daß sie auch dem Ansturm des Wassers gewachsen waren. Sie bildeten Hindernisse für Wasserfahrzeuge aller Art, die an ihnen strandeten und zerschellten.
Vor Anker liegende Schiffe rissen sich von den Hafendocks los und trieben aufs Meer hinaus oder wurden von der Strömung durch die Straßen der Hafenstädte getragen, bis sie zwischen Wolkenkratzern hängenblieben.
Leuchtschiffe sprengten ihre schweren Ankerketten oder wurden von ihnen in die Tiefe gezogen. Leuchttürme verschwanden unter Wasser. Der Scheinwerfer von Eddystone leuchtete noch stundenlang in der Tiefe weiter, nachdem der Turm überspült worden war.
Das Eis an den Küsten Sibiriens und Alaskas wurde nach oben gedrückt und zum Schmelzen gebracht. In Amerika und der Sowjetunion standen Tausende von Atomraketen in ihren Silos unter Wasser. Hochspannungsleitungen wurden kurzgeschlossen und tauchten sechs Stunden später mit Trümmern aller Art beladen wieder aus dem Wasser auf.
Die sonst so unbedeutenden Gezeiten des Mittelmeers veränderten sich so sehr, daß die Flut ausreichte, um in den angrenzenden Ländern Verwüstungen anzurichten, die bisher nur aus tiefliegenden Hafenstädten bekannt waren, wenn ein Hurrikan mit der Flut zusammentraf.
Überall auf der Welt kam es zu ähnlichen Veränderungen wie an der Mündung des Mississippis, dessen Süßwasser plötzlich nur noch eine dünne Schicht auf den salzigen Fluten bildete, die landeinwärts strömten, bis sie die Straßen von New Orleans knietief bedeckten.
Die Einwohner der großen Hafenstädte fanden eine Zuflucht auf landeinwärts gelegenen Hügeln oder — allerdings weniger sicher — in den oberen Stockwerken der größten Gebäude, wo es in zahlreichen Fällen zu blutigen Kämpfen um den beschränkten Lebensraum kam. Rasch eingerichtete Luftbrücken retteten Hunderte von Menschen vor dem nassen Tod aber selbst diese gutgemeinten Anstrengungen konnten unmöglich allen Hilfe bringen, die in Lebensgefahr schwebten. Heroisch veranlagte oder sture und ungläubige Menschen blieben in vielen Fällen unbeirrt auf ihren Posten.
Von denen, die vor den Fluten die Flucht ergriffen hatten, gerieten viele in andere gefährliche Situationen, die sie die Bedrohung durch das Wasser vergessen ließen. Gegen Mittag — nach Pazifischer Standardzeit — fuhren der gelbe Schulbus und der Lieferwagen mit Docs kleiner Gruppe mit dem Feuer um die Wette. Weit vor ihnen leckten die Flammen bereits gierig an dem trockenen Unterholz des Hügelrückens, über den die Straße in den Santa-Monica-Bergen verläuft.
Barbara Katz beobachtete die niedrige Bugwelle vor dem linken Vorderrad der schweren Limousine. Die Wellenbewegung setzte sich in einem spitzen Winkel über die Straße fort und verlor sich dann in den niedrigen Büschen und dem hohen Gras am Straßenrand. Benjy fuhr absichtlich nicht schneller als fünfzig Stundenkilometer, nachdem er gemerkt hatte, daß der Wagen bei höheren Geschwindigkeiten sofort ins Schwimmen geriet. Als Kommandant des Fahrzeugs — jedenfalls hielt Barbara sich dafür — hätte sie eigentlich vorn neben dem Chauffeur sitzen müssen, aber Barbara hatte sich überlegt, daß es vermutlich wichtiger war die direkte Verbindung zu ihrem Millionär nicht abreißen zu lassen. Deshalb saß sie jetzt neben dem alten KKK hinter Benjy auf dem Rücksitz, auf dem auch Hester Platz gefunden hatte, so daß Helen vorn mit dem Chauffeur und einem Stapel Koffer sitzen mußte.