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Kemal Atatürk, der mit seiner Nationalbewegung teilweise ähnliche Ziele verfolgte wie die Jungtürken, distanzierte sich nach dem Ersten Weltkrieg gerade wegen der Armeniergräuel entschieden von den Jungtürken und schaltete sie politisch aus.

1922

KEMAL ATATÜRK – DER VATER DER TÜRKISCHEN REPUBLIK    Kaum jemand hat einen Staat so tiefgehend verändert wie Mustafa Kemal (1881–1938) die aus den Trümmern des Osmanischen Reiches hervorgegangene Republik Türkei. Das Osmanische Reich gehörte als Verbündeter des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns zu den Verlierern des Ersten Weltkrieges. Das verbliebene Gebiet (hauptsächlich Anatolien) sollte teilweise an Griechenland, Italien und Armenien gehen. Danach wäre die Türkische Republik nur etwa halb so groß geblieben wie der heutige Staat. Kemal führte gegen diese Pläne einen regelrechten Befreiungskrieg. Er endete 1922 mit der Einnahme der mehrheitlich von Griechen bewohnten uralten kosmopolitischen Metropole Smyrna (Izmir) in der Ägäis. Aufgrund des Vertrages von Lausanne verließen anderthalb Millionen Griechen die Türkei und eine halbe Million Türken wanderte aus dem griechischen Thessalien, Makedonien und von den Inseln in die Türkei. Das ging nicht friedlich vonstatten. Damit endeten auf traumatische Weise 3000 Jahre griechische Kultur in Kleinasien.

1922 wurde das Sultanat abgeschafft, 1924 das Kalifat durch einen Beschluss der Nationalversammlung. Die Familie Osman musste das Land verlassen, das sie über 600 Jahre lang regiert hatte. Atatürk wandelte die türkische Gesellschaft nach westlichem Vorbild um. Das Tragen von Fes, Pluderhosen, Schleier und Kopftuch wurde verboten. Die allgemeine staatliche Schulpflicht wurde eingeführt, die Religionsschulen abgeschafft. Mann und Frau wurden gleichgestellt, ein modernes Scheidungsrecht eingeführt und Frauen erhielten Zugang zu den Universitäten und das Wahlrecht. Atatürk übernahm das schweizerische Familien- und Erbrecht, das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht. Die Einführung der lateinischen Schrift sowie die Einführung von Nachnamen bedeutete eine grundlegende kulturelle Veränderung für die türkische Gesellschaft. Mustafa Kemal erhielt per Gesetzesbeschluss den Nachnamen Atatürk (»Vater der Türken«).

1926/1931

COMMONWEALTH    Auf der London-Konferenz von 1926 erhielten die britischen Übersee-Dominions praktisch die Unabhängigkeit. Damit wurde aus dem Britischen Empire das »Commonwealth«. Der Begriff findet sich erstmals in der Schlussakte dieser Konferenz, die auch als zweite Balfour-Deklaration bezeichnet wird. Dieser Beschluss wurde 1931 durch ein Gesetz des Parlamentes in Westminster vollzogen. Dadurch erhielten Kanada, Australien, Südafrika, Neuseeland, Irland und Neufundland die eigene gesetzgeberische Unabhängigkeit.

WELTKRISE

Die krisenhafte Weltwirtschaft destabilisierte die ohnehin in Umwälzung begriffenen politischen Systeme. Globale Verunsicherung und Radikalisierung waren die Folge.

1922

FASCHISMUS    Vom 27. bis 31. Oktober 1922 inszenierte der ehemalige norditalienische Grundschullehrer und Journalist Benito Mussolini (1883–1945) einen propagandawirksamen Marsch auf Rom, drohte dem italienischen König Viktor Emanuel III. mit einem Putsch und wurde daraufhin zum Ministerpräsidenten ernannt. So erschienen die Faschisten auf der europäischen politischen Landkarte der Nachkriegszeit.

Fascio bedeutet im Italienischen auch »Bund«. Derartige Vereinigungen hatten sich in Italien schon vor dem Ersten Weltkrieg gebildet, Mussolini schwang sich zu ihrem erfolgreichsten Anführer (italienisch: Duce) auf. Ihre gesellschaftliche Basis fanden die italienischen Faschisten beim Kleinbürgertum und bei den Gutsbesitzern. Sie propagierten eine antidemokratische und antirepublikanische Gesinnung. Ausschlaggebendes Moment für den europäischen und später den internationalen Faschismus war überall der Kampf gegen die tatsächliche oder vermeintliche kommunistische Gefahr.

Das faschistische System Mussolinis wurde vorbildlich für viele »Bewegungen« und Regime, allen voran die Nationalsozialisten in Deutschland und die Falangisten Francos in Spanien, aber auch in Portugal, auf dem Balkan und in Lateinamerika. Mussolini regierte seit 1926 diktatorisch unter Ausschaltung jeglicher Opposition mit polizeistaatlichen Mitteln und äußerstenfalls der physischen Vernichtung des politischen Gegners.

Diktaturen wurden weltweit zum Kennzeichen der Politik der Extreme, bis weit in die Nachkriegszeit und dann auch sehr verbreitet in der Dritten Welt.

STALINISMUS    Eine der monströsesten Diktaturen etablierte der aus Georgien stammende sowjetische Parteiführer Josef Stalin, der von 1924 bis zu seinem Tod 1953 regierte. Eine »Diktatur des Proletariats« war durch die Formulierung von Marx im Kommunismus ideologisch angelegt, Lenin hatte sie im Bolschewismus auf den Machtanspruch einer Kaderpartei verengt und Stalin konzentrierte sie einzig auf seine Person (Personenkult), nachdem er seinen wichtigsten politischen Rivalen Leo Trotzki ausgeschaltet hatte. Seinen Machtanspruch setzte er ab 1935 in »Säuberungen« und Schauprozessen gegen alle echten und vermeintlichen Gegner radikal durch. Opfer der ersten Säuberungen waren vor allem Altbolschewiken, viele hohe Parteifunktionäre und sehr viele ranghohe Generäle. Folter war die übliche Methode, um »Geständnisse« zu erpressen. Die Betroffenen wurden anschließend hingerichtet, zu Gefängnis oder Zwangsarbeit in den Lagern des »Gulag« verurteilt. Das Gulag-System (Glawnoje Uprawlenije Isprwitelno-trudowych Lagereij – »Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager«) führte Stalin 1929 ein. Millionen von Menschen wurden Opfer des Staats- und Parteiterrors.

1929

WELTWIRTSCHAFTSKRISE II    Ende der Zwanzigerjahre stagnierte die Weltwirtschaft. Einzig in die USA floss Anlagekapital noch in großen Mengen und löste dort einen Börsenanstieg aus, der wiederum von reinen Spekulationshoffnungen genährt wurde. Anfang September 1929 erreichte die New Yorker Börse ihren bis dahin höchsten Kursstand. Dann setzte ein dramatischer Kursverfall ein. Am »Schwarzen Donnerstag«, dem 24. Oktober, erreichten die Börsenumsätze ein nie gekanntes Volumen von 12,9 Millionen Aktien. Am Montag gab es noch einmal einen massiven Einbruch, und am »Schwarzen Dienstag«, dem 29. Oktober, wechselten 16,4 Millionen Aktien panikartig den Besitzer. Im Verlauf von nur einer Woche vom 24. bis 29. Oktober waren die Kurse um 30 Prozent gefallen. Auf den »Schwarzen Donnerstag« in Amerika folgte der »Schwarze Freitag« an den europäischen Börsen.

Dem Börsenkrach war eine Kette von wirtschaftlichen Verschlechterungen vorausgegangen und er zog eine Kette von Verschlechterungen nach sich. Das Wirtschaftswachstum setzte international komplett aus und traf das exportabhängige Deutschland mit voller Wucht.

Schon 1929 betrug die Zahl der Arbeitslosen fast zwei Millionen. Im Februar 1931 waren es fünf Millionen, reihenweise gingen Firmen und Betriebe in Konkurs.

NOTVERORDNUNG    In Deutschland war die Arbeitslosenversicherung 1927 gerade erst eingeführt worden. Angesichts der sprunghaften Zunahme von Arbeitslosen wurden einerseits die Beiträge erhöht, andererseits die Leistungen bis an den Rand des Existenzminimums gekürzt. Im März 1930 zerbrach die letzte parlamentarische Mehrheit der Weimarer Republik, die aus einer großen Koalition von fünf Parteien bestand, an der Frage der Deckung des Defizits der Arbeitslosenversicherung. Die folgenden Regierungen Brüning, von Papen und Schleicher konnten seit 1930 nur mit Notverordnungen regieren, ohne Mehrheit im Parlament: Artikel 48 der Weimarer Verfassung räumte dem vom Volk gewählten und folglich mit einer starken Stellung versehenen Reichspräsidenten das Recht ein, im Notfall ohne die Zustimmung des Parlaments Gesetze erlassen zu können.