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Die verstolperte Ratifizierung des ursprünglich als europäische Verfassung geplanten Vertrages von Lissabon scheiterte in den Jahren 2008 und 2009 beinahe an der Unleserlichkeit des Kleingedruckten für die EU-Bürger und an der mangelnden kulturellen und demokratischen Integration, ein Fehler, der Karl dem Großen nicht unterlaufen war. Nur ein kleines Bergvolk in der Mitte Europas leistet hartnäckigen Widerstand und weigert sich beharrlich, überhaupt einen Antrag auf Aufnahme in die EU zu stellen …

DER WEG ZUR WENDE

Das strategische Konzept, welches unter den Bedingungen des Kalten Krieges die großflächige weltpolitische Stabilität wahrte, wurde im Amerikanischen Mutual Assured Destruction (MAD) genannt und in den USA in erster Linie von Robert McNamara vertreten, der von 1961 bis 1968 Verteidigungsminister war. Wörtlich übersetzt bedeutet die Formeclass="underline" gegenseitig garantierte Zerstörung. Es galt das Prinzip der Abschreckung, das die beiden in etwa gleich starken und jeweils mit einem großen Atomwaffenarsenal ausgerüsteten Supermächte davon abhalten sollte, diese Waffen auch einzusetzen. Dies war das »Gleichgewicht des Schreckens« – das in der Kuba-Krise 1962 während der Regierung von Präsident John F. Kennedy und dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow fast zum Weltkrieg eskalierte, als die Amerikaner mit einer Seeblockade auf bis dahin geheime russische Raketenstationierungen reagierten. Die atomaren Sprengköpfe waren von Kuba aus direkt auf die USA gerichtet, die Amerikaner stellten ein Ultimatum. Das war die gefährlichste Konfrontation während des Kalten Krieges und »keiner von uns begriff damals, wie nah wir am Rand einer Katastrophe standen«, sagte der seinerzeit unmittelbar beteiligte McNamara. Zur direkten Verständigung der beiden Supermächte wurde eine eigene Fernschreibverbindung zwischen Kreml und Weißem Haus eingerichtet, der »heiße Draht« – auf deutsch: eine Hotline.

Was danach geschah: In den Siebziger- und Achtzigerjahren setzte sich die Rüstungsspirale fort, angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung beider Waffensysteme. Dies war zugleich der Beginn der Friedensbewegung: Massive Proteste gegen den Vietnamkrieg hatte es nicht nur in den USA, sondern auch in Europa gegeben. Nun machte die Parole »Frieden schaffen ohne Waffen« die Runde, brachte neue Parteien und neue Formen des Protests hervor.

ab 1970

OSTPOLITIK    »Wandel durch Annäherung« lautete die Formel des außenpolitischen Beraters Egon Bahr von Bundeskanzler Willy Brandt. Erstmals stellte die SPD seit 1969 in der Bundesrepublik den Kanzler. Brandts »Politik der kleinen Schritte« zielte auf eine Entspannung des im Kalten Krieg verkrampften Verhältnisses zum Ostblock. Bei einem Besuch in Warschau im Dezember 1970 ließ sich Brandt am Mahnmal des Aufstandes im Warschauer Ghetto auf die Knie fallen – ein symbolischer Akt als Bitte um Vergebung für die Gräueltaten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und ein Zeichen für die Suche nach Verständigung. Am gleichen Tag wurde der Warschauer Vertrag unterzeichnet. Hierin erkannte die Bundesrepublik die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens an. Das war, wie die gesamte Ostpolitik, in der BRD sehr umstritten.

Ein Transitabkommen erleichterte 1971 den Personen- und Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Es war das erste direkte Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten. 1972/1973 ermöglichte der Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR den Austausch Ständiger Vertreter, eine gegenseitige Anerkennung knapp unterhalb der völkerrechtlichen Anerkennung.

Das deutsche Wort »Ostpolitik« wurde auch in den anderen europäischen Sprachen in der Originalversion der Inbegriff für Entspannungspolitik.

1975

KSZE    Seit 1973 beriet eine »Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« (KSZE) aller europäischen Staaten einschließlich den USA und Kanada in Helsinki. Die Konferenz brachte dem Ostblock die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen durch den Westen und damit eine Art Bestandsgarantie des sowjetischen Imperiums, das wirtschaftlich schwach war. Im Gegenzug mussten die Ostblockstaaten Zugeständnisse bei den Menschenrechten machen. Damit schuf die KSZE eine wesentliche Grundlage für die Bürgerrechtsbewegungen der Achtzigerjahre in den osteuropäischen Ländern. Die Schlussakte von Helsinki markiert 1975 den Höhepunkt der Entspannungspolitik zwischen Ost und West vor dem Fall der Mauer.

1980

SOLIDARNOS´C´    Am 16. Oktober 1978 bestieg mit Karol Wojtyla der erste polnische Papst und der erste Nicht-Italiener seit Hadrian VI. (Amtsantritt 1522) als Johannes Paul II. den Stuhl Petri. Sozusagen unter seiner Schirmherrschaft konnte sich die polnische Gewerkschaftsbewegung entfalten.

Im Sommer 1980 sollten in Polen die Fleischpreise erhöht werden, wogegen sich Proteste erhoben. Sie führten zu einer Streikwelle im ganzen Land, hinzu kam auf der Lenin-Werft in Danzig ein Streik gegen die Entlassung der Kranführerin Anna Walentynowicz. (Die Symbolfigur der Solidarnos´c´-Bewegung kam bei dem verheerenden Absturz auf dem Flug nach Katyn am 10. April 2010 in der polnischen Präsidenten-Maschine ums Leben.) Der Streik wurde unter der Führung des Elektromonteurs Lech Walesa organisiert und nicht nach Zugeständnissen der Betriebsleitung wie früher in Polen schnell beendet. Die Streikenden erhielten Unterstützung seitens der Kirche, von Intellektuellen sowie aus dem Ausland. Es entstand eine regelrechte Volksbewegung. Die kommunistische Regierung erkannte Solidarnos´c´ schließlich als unabhängige Gewerkschaft an, ein Novum im Ostblock.

Ende 1981 verhängte dann der neue Regierungschef General Jaruzelski das Kriegsrecht. Gewerkschaftsführer wurden inhaftiert und Solidarnos´c´ verboten. 1983 erhielt Walesa den Friedensnobelpreis. Erst 1988/1989 führte die Wendestimmung dazu, dass Solidarnos´c´ wieder zugelassen wurde. Walesa war von 1990 bis 1995 Staatspräsident Polens.

ca. 1985

STAR WARS    Dem seit 1981 amtierenden amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan gefiel es, die Sowjetunion als »Reich des Bösen« zu bezeichnen. Nachdem sich die Lage in Europa dank des Helsinki-Prozesses entspannt hatte, verlagerte er den Kalten Krieg in so wichtige weltpolitische Brennpunkte wie Nicaragua und Grenada. Mit dem 1983 angekündigten, aber nicht verwirklichten SDI-Programm zur Abwehr von Interkontinental-Raketen im Weltraum wurde gegenüber der Sowjetunion eine neuerliche Drohkulisse aufgebaut. Im Falle der Verwirklichung hätte sich eine wesentliche Verschiebung des Gleichgewichts des Schreckens zugunsten der USA ergeben. Die Amerikaner steckten fast 30 Milliarden Dollar in die Forschungsarbeiten, Summen, die die damals schon taumelnde Sowjetunion für vergleichbare Anstrengungen nie hätte aufbringen können.

In seiner zweiten Amtszeit traf sich Reagan mehrmals mit dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow (Regierungszeit 1985–1991) zu den START (Strategic Arms Limitation Talks) Abrüstungsgesprächen, die in ein Abkommen zur Abschaffung der Mittelstreckenraketen in Europa mündeten (1987). Im gleichen Jahr forderte er Gorbatschow vor dem Brandenburger Tor auf, die Mauer niederzureißen.

Übrigens: Ein weiteres START-Abkommen schlossen der amerikanische Präsident Obama und der russische Präsident Dmitri Medwedjew am 8. April 2010 in Prag.