Offenbar suchten die Amerikaner nach einer Art Neuanfang für ihr Land – nicht nur wegen der Fehlgriffe der Bush-Administration (Dritter Golfkrieg, Finanzkrise). Die neue Landkarte in Europa, die Schwellenländer, der 11. September, das Internet – mit etwas Zeitverzögerung bemerkte auch die Masse der Amerikaner, dass es eine Zukunft gibt, die nach neuen Kriterien und Denkmustern gestaltet werden sollte. Dies war Obamas Versprechen im Wahlkampf.
Yes, we can war ein Hip-Hop-Song, der einerseits von einer Wahlkampfrede Obamas Anfang 2008 inspiriert wurde, andererseits unabhängig von dessen Kampagne über das Internet verbreitet auf sie zurückwirkte. Auch für die Politik bedarf es jetzt des Online-Marketings.
Das erste Stichwort dieses Buches beschäftigte sich mit der »Eiszeit«, jener viele Zehntausende von Jahren zurückliegenden Epochen (es gab mehrere!), in der die ersten modernen Menschen durch Europa schweiften. Damals hatte die Gletscherschmelze das Überleben von Menschen, das Entstehen von Kulturen und damit das Entstehen von »Geschichte« überhaupt erst ermöglicht. Heute beschäftigt sich der Klimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mit den Gefahren der Erderwärmung und einer neuerlichen Gletscherschmelze. 2007 hat der IPCC zusammen mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore durch die Verleihung des Friedensnobelpreises höchste internationale Anerkennung erfahren »für die Anstrengungen, ein breiteres Wissen über den menschengemachten Klimawandel zu schaffen und zu verbreiten«. Ursachen und Folgen des Klimawandels rücken in den Vordergrund der Debatte. Dass »die Gletscher des Himalaja bis zum Jahr 2035 abschmelzen könnten«, erwies sich allerdings als eine Falschmeldung des IPCC. Noch ein bisschen älter als die Eiszeit ist der Urknall. Nach über zehnjähriger Bauzeit und zweijähriger Vorbereitungszeit des Experiments gelang den Physikern am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf am 30. März 2010 in einem riesigen unterirdischen Teilchenbeschleuniger erstmals dessen Simulation. Die Welt ist dabei nicht in einem Schwarzen Loch kollabiert, wie manche befürchtet hatten.
Durch den Zusammenbruch des Ostblocks ist die Landkarte Europas teilweise neu gezeichnet worden, ein unerwartet tiefgreifender Wandel auf dem alten Kontinent. Europa konsolidiert sich im Rahmen der EU in einem komplizierten gegenseitigen Geflecht. In den rund 20 Jahren seit der europäischen Wende sind die asiatischen Großstaaten China und Indien ebenfalls unerwartet zu neuer wirtschaftlicher und weltpolitischer Potenz aufgestiegen. Auch Lateinamerika hat aufs Ganze gesehen zu wirtschaftlicher Prosperität und politischer Stabilität gefunden. In Afrika mit seinen bisher katastrophalen Netzstrukturen (Transport und Telekommunikation) sorgt derzeit das Handy für einen erstaunlichen Umbruch – zumindest der Wirtschaft.
Die völlig uneinheitliche islamische Welt ist teils sehr reich, teils sehr arm. Ihren Eliten ist es noch nicht gelungen, an die eigene überreiche kulturelle Tradition anzuknüpfen, sich selbstbewusst neu zu orientieren und den Anschluss an die Entwicklung der Welt zu finden, die eben doch irgendwie »modern« ist.
Bald nach dem Ende des Kalten Krieges hatte der amerikanische Politologe Francis Fukuyama 1992 das »Ende der Geschichte« ausgerufen, was – 18 Jahre später betrachtet – ein bisschen voreilig war. Die Weltgeschichte richtet sich eben nicht nach den Vorgaben hegelscher oder marxistischer »Gesetzmäßigkeiten« und sie läuft auch nicht zwangsläufig auf Republiken mit allgemeinem Wahlrecht, verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten und einer freien Marktwirtschaft hinaus. Auch das »westliche Modell« ist zu einer ganz bestimmten Zeit unter ganz konkreten Umständen und in langen Kämpfen historisch gewachsen und nicht einfach vom Himmel gefallen. Das kann man aus der Geschichte lernen. Und aus der Weltgeschichte kann man lernen, dass es zu anderen Zeiten und bei anderen Völkern auch andere Modelle gab.
Die einzige Konstante ist die Veränderung: Die Geschichte bleibt spannend.