Was danach geschah: In den beiden Amerikas endete die Steinzeitphase nicht flächendeckend wie in Europa, sondern nur in bestimmten Regionen, mit den ersten sesshaften Ackerbau- und Keramikkulturen um 1000 v. Chr. (Süden Nordamerikas, Mittelamerika), wobei es den Maisanbau dort schon früher gab. Da hatte das Alte Ägypten den Höhepunkt seiner Bedeutung schon überschritten, Alt-Babylon, die Minoer, Mykene und die Hethiter waren untergegangen, die indogermanischen Ackerbaugesellschaften nördlich der Alpen längst sesshaft geworden.
In der Jungsteinzeit ab 11500 v. Chr. wurden die Menschen sesshaft, bildeten erste dauerhafte Siedlungen und eine rudimentär arbeitsteilige Gesellschaft. Keine andere Veränderung in der »gesellschaftlichen« Verhaltensweise der Menschen ist als so einschneidend betrachtet worden wie dieser Übergang vom Jäger und Sammler zum Bauern und Hirten.
11000 v. Chr.
FRUCHTBARER HALBMOND Natürlich stiegen die Steinzeitmenschen nicht auf die Barrikaden und riefen unisono die »Neolithische Revolution« aus. Der Begriff wurde erst 1936 von dem australischen Wissenschaftler Vere Gordon Childe nach dem Vorbild der »Industriellen Revolution« geprägt. Die Neolithische Revolution vollzog sich in verschiedenen Gegenden zu unterschiedlichen Zeiten. Am frühesten »fortschrittlich« war der heute sogenannte Nahe Osten vom Niltal über den Jordan bis hinauf zu den Euphrat- und Tigrisquellen und diese beiden Ströme hinunter bis an den Persischen Golf. Auf einer Karte bilden diese groben Umrisslinien in etwa die Form eines Halbmondes. Zur damaligen Zeit (ab ca. 11000 v. Chr.) war das Gebiet klimatisch außerordentlich begünstigt, insgesamt viel grüner und feuchter als jetzt, selbst bis in die Sahara hinein, aber eben auch schon warm – paradiesische Zustände. Die Menschen ließen sich in dauerhaften Siedlungen nieder, betrieben systematisch den Anbau von Wildgräsern sowie Viehzucht und legten erstmals Vorräte an. Lehmziegel zum Bau von Häusern waren ebenso neu wie die dadurch mögliche rechteckige Bauweise. Bis dahin waren alle »Hütten« rund gewesen. Die Verwendung der Töpferscheibe ist ebenfalls eine »Erfindung« aus dieser frühen Phase menschlicher Kultur.
ab ca. 9500 v. Chr.
DIE ÄLTESTEN STÄDTE Die ältesten Stadt- und Tempelanlagen der Welt befinden sich in diesem Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes und sie stammen nach neueren Ausgrabungen schon aus der frühesten Zeit der Neolithischen Revolution.
Die Tempelanlage von Göbekli Tepe (um 9500 v. Chr.) ist 6000 Jahre älter als die Pyramiden, und diese erstaunlichen Steinbauten waren bereits errichtet, als sich die ersten Siedler in Jericho niederließen. Die Bedeutung der Anlage ist erst seit 1994 bekannt. Sie ragt wie ein Monument der älteren Steinzeit in die Jungsteinzeit hinein. Hier finden sich meterhohe, aus einem Stück gemeißelte Kalksteinpfeiler mit querliegenden Steinblöcken obenauf, die teilweise kreisförmig angeordnet sind. Davon wurden bisher 40 freigelegt, weitere 150 vermuten die Archäologen noch unter dem Geröllberg Göbekli Tepe. Die Errichtung dieser Anlage setzte eine entsprechende Baustellenorganisation und umfassende Lebensmittelversorgung voraus. Das hatte man Jägern und Sammlern bisher nicht zugetraut.
In einer anderen Gegend Anatoliens, nahe der Derwisch-Stadt Konya, befindet sich eine weitere, erst in jüngerer Zeit freigelegte archäologische Anlage: Çatal Höyük, die älteste bekannte Siedlungsanlage der Welt. Sie war seit etwa 7400 v. Chr. über 1000 Jahre lang von bis zu 10000 Menschen bewohnt. Auffällig ist, dass es kein Tempel- oder Palastzentrum gibt, aber Wandmalereien mit Tierdarstellungen, die offenbar kultischen Zwecken dienten. Auch Çatal Höyük erscheint heute als faszinierende Ausnahme, weil es über Jahrtausende danach weit und breit keine vergleichbare stadtähnliche Siedlungsweise gab. Die Entwicklung von Städten mit Steinbauten und arbeitsteiliger Struktur, die über wirklich lange Zeiträume kontinuierlich bewohnt wurden, setzt erst um 5000 v. Chr. in einer ganz anderen Gegend, im Süden Mesopotamiens ein.
Das typische Siedlungsbild der Jungsteinzeit in Mesopotamien sind die Tell-Siedlungen der sogenannten Obed-Kultur, auf der die sumerische Kultur im buchstäblichen Sinn aufbaute. Die Tell-Siedlungen beherbergten zwischen 7000 und 4000 v. Chr. teils Tausende von Menschen, die in gleichförmig gebauten Häusern aus Lehmziegeln lebten. Da solche Behausungen nicht ewig hielten, wurden die Siedlungen im Lauf dieser Jahrtausende aus dem Schutt verfallener Häuser immer wieder aufgebaut und ausgebaut, bis sie zu regelrechten Hügeln wuchsen. Daher die Bezeichung Tell (arabisch: »Hügel«), was sich im Namen »Tel Aviv« wiederfindet. Ein bekanntes Beispiel ist der Tell Halaf im Norden Mesopotamiens, wo die Menschen handwerklich anspruchsvolle, dünnwandige Keramiken wie Teller und Schalen töpferten und mit außerordentlich ästhetischen Mustern verzierten.
Ab etwa 5300 v. Chr. dominierten die Obed genannten Tell-Kulturen den ganzen Bereich zwischen Euphrat und Tigris. Ihr bedeutendster Ort war die Küstenstadt Eridu. Nicht nur nach dem babylonischen Mythos gilt der Hafen am Persischen Golf als erste Stadt der Weltgeschichte. Der Befund wurde durch Ausgrabungen bestätigt. In der sumerischen Metropole Eridu fand man einen Tempel, dessen Fundamente bis in die Obed-Zeit zurückreichen, vermutlich verbunden mit dem Wasser- und Weisheitsgott Enki. Die Städte der Sumerer wurden immer um einen Tempel herum gebaut. Eridu ist heute eine Ausgrabungsstätte. Die älteste kontinuierlich besiedelte Stadt der Welt aber ist Jericho.
8000/7000 v. Chr.
DIE MAUERN VON JERICHO Eine sesshafte Bevölkerung in »Städten« – darin sieht man den Beginn menschlichen Kulturlebens. Als älteste bekannte, ununterbrochen bewohnte und mit Mauern umgebene Siedlungsstätte gilt Jericho. Die heute mit hebräischem Namen j’richo (»duftender Ort«) genannte Stadt war in der – sehr viel späteren – Antike bekannt für ihre Palmen- und Balsamstauden. In der Jungsteinzeit war das Siedlungsgebiet eine wasserreiche, ausgedehnte Oase. Jericho blühte auch deshalb auf, weil es an einem wichtigen Verbindungsweg zwischen dem Niltal und dem Zweistromland lag. Hier entstand um 8000 v. Chr. der älteste Steinturm der Welt, um 7000 eine Stadtmauer, die ein 24000 Quadratmeter großes Areal umgab. Die ersten neolithischen Siedler hielten bereits domestizierte Tiere wie Ziegen, Schafe, Schweine und schnitten Gräser. Sie hatten Steinwerkzeuge und Steingefäße, aber noch keine Keramik.
Was danach geschah: Nach einer biblischen Legende wurden die Stadtmauern sehr viel später allein durch Posaunenstöße zum Einsturz gebracht. Damals eroberten die Israeliten die von Jebusitern bewohnte Stadt. Das mag um 1500 v. Chr. gewesen sein. Waren die Mauern nach mehreren tausend Jahren baufällig geworden? Zwischen den archäologisch nachgewiesenen ersten und den biblischen Mauern von Jericho liegen 6000 Jahre Geschichte, rund doppelt so viel wie zwischen dem Ereignis und unserer Zeit.
Jungsteinzeitliche Kulturen in Europa werden aufgrund ihrer auffälligsten archäologischen Funde nach gemeinsamen Merkmalen geordnet und datiert. Das sind Keramiken, von Menschen herstellte Gefäße aus Ton, ein besonders haltbares Material. Alles andere, was diese Menschen bearbeiteten, Holz für Häuser und Boote oder Textilien als Bekleidung, war zu vergänglich. Steinbauten zum Wohnen hatten sie nicht errichtet. Auch die Metallverarbeitung (Kupfer) kam erst allmählich auf und veränderte die jungsteinzeitlichen Gesellschaftsstrukturen zunächst nicht (anders später die Bronze).